TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/13 91/01/0097

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Veröffentlicht am 13.11.1991
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Index

L46103 Tierhaltung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

TierschutzG NÖ 1985;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Leopold W in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Jänner 1991, Zl. I/2-St-90116, betreffend Übertretung des Niederösterreichischen Tierschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 30. Juli 1990 abgewiesen. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer folgendes zur Last gelegt:

"Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit: 03.03.1990, Ort: R, X-Berg 1,

Tatbeschreibung: Sie haben - wie anläßlich einer veterinärbehördlichen Überprüfung am 3.3.1990 festgestellt wurde - die im Stall des Anwesens X-Berg 1, R, untergebrachten Rinder insofern mangelhaft gehalten, als auf den Standplätzen der Rinder durchwegs die Einstreu fehlte. Auf einem Standplatzbereich, auf dem etwa 8 Jungrinder mit einem Gewicht von 400 bis 500 kg aufgestellt waren, war die Standfläche dermaßen schadhaft, daß Kot und Harn sich in tiefen Mulden gesammelt hat und die Liegefläche von einer dünnen, suppigen Mistbrühe überlagert war, sodaß die Rinder keine trockene Liegefläche zur Verfügung hatten. Weiters waren die Schwänze und Hinterteile der Tiere ausgesprochen verkotet und der Ernährungszustand der Tiere war unterschiedlich bis schlecht. Auf Grund der angeführten mangelhaften Unterbringung, Fütterung und Pflege wurden den Tieren ungerechtfertigte Schmerzen und Leiden zugefügt.

Dadurch übertretene Verwaltungsvorschriften, verhängte Strafe und entstandene Verfahrenskosten: Übertretung gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 NÖ Tierschutzgesetz 1985.

Geldstrafe gemäß § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Z. 2 NÖ Tierschutzgesetz S 2.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe:

72 Stunden ..."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, bereits durch das von der Strafbehörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren sei erwiesen, daß die Tierhaltung nicht den Bestimmungen des NÖ Tierschutzgesetzes entspreche. Die belangte Behörde habe jedoch ein ergänzendes Gutachten der Veterinärabteilung des Amtes der NÖ Landesregierung eingeholt, ob durch den Zustand der Stallungen und durch die Tierhaltung für die Tiere schädliche Folgen (und dadurch Schmerzen bzw. Leiden) entstehen könnten. In diesem Gutachten sei ausgeführt worden, als Mindestanforderung für eine ordentliche Stallhaltung von Rindern werde ein geeigneter Stall, regelmäßige Pflege und Fütterung angesehen. Die Stallhaltung habe in der Weise zu erfolgen, daß es zu keiner Benachteiligung der darin befindlichen Tiere komme. Voraussetzung dafür seien ausreichender Platz, um eine eventuelle Behinderung sowie Streßsituation zu vermeiden, rutschfester Boden, um Verletzungen beim Aufstehen bzw. Niederlegen der Tiere zu vermeiden sowie ausreichende Einstreu, um zu verhindern, daß es zu einer nachhaltigen Beeinflussung des Tieres durch Jauche bzw. sonstige Exkremente komme. Das Stehen auf mit Kot verschmutzten Plätzen sowie die Tatsache, daß der Stall bauliche Mängel in der Art aufweise, daß es auf den Standflächen zu Pfützenbildung komme, führe zu einem starken Unbehagen der Tiere sowie zu einer Irritation im Ballen- und Klauenbereich. Das wiederum habe zur Folge, daß auf Grund der negativen Beeinflussung der Hornqualität akute Entzündungserscheinungen im Sehnen- und Gelenksbereich hervorgerufen werden könnten, die durch das daraus entstandene mit Schmerzen vielseitiger Art verbundene Unbehagen zu einem für das Tier besonders leidvollen Dauerzustand führen. Das zum Ausruhen bei Rindern notwendige Liegen, diesfalls in Kot und Harn, führe dadurch zu einer starken Reizung der Haut, offenen Wunden mit folgendem Dauerschmerz und Leiden des gesamten Individuums. Als schädliche Folgen durch eine unzureichende Haltung von Tieren entstünden "starke andauernde Schmerzen am Bewegungsapparat (Gelenke, Sehnen und Knochen) bzw. eine massive negative Beeinflussung des tierischen Allgemeinverhaltens bzw. -zustandes und somit die Tiere unnötigen und nicht zumutbaren Schmerzen, Leiden und Schäden ausgesetzt" seien.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde weiters aus, die im Straferkenntnis erster Instanz getroffenen Feststellungen und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen könnten auch durch die ausführliche Stellungnahme des Beschwerdeführers nicht entkräftet werden. Durch das zusätzlich eingeholte Gutachten der Veterinärabteilung des Amtes der NÖ Landesregierung, das sich durchaus schlüssig darstelle, sei die belangte Behörde zur Überzeugung gekommen, daß das Tatbild der Tierquälerei verwirklicht worden sei. Vom Beschwerdeführer sei nicht in Abrede gestellt worden, daß er als Betriebsführer die im Eigentum seiner Mutter stehenden Tiere zu versorgen habe. Er sei daher für die ordnungsgemäße Haltung der Tiere im Sinne des § 4 Abs. 1 des NÖ Tierschutzgesetzes 1985 verantwortlich. Eine Gegenüberstellung mit Zeugen bzw. Sachverständigen habe im Verwaltungsverfahren nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur zu erfolgen, wenn ein Zweifel über die Person des Beschuldigten bestehe. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen sei zusammenfassend festzustellen, daß der Berufung in der Schuldfrage keine Folge gegeben habe werden können. Wie im Verwaltungsstrafverfahren aus dem Jahre 1989 festgestellt worden sei, besäße der Beschwerdeführer kein Vermögen, sein Einkommen betrage S 70.000,-- jährlich. Er habe für niemanden zu sorgen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Milderungsgründe nicht vorlägen und der Erschwerungsgrund (einschlägige Vorstrafe) sowie im Hinblick auf die bereits erwähnten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sei die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf die mit der Tat verbundenen Schädigung, die Gefährdung der vom Gesetz geschützten Interessen und das Ausmaß seines Verschuldens zur Ansicht gelangt, daß die Behörde erster Instanz die Strafe in einer angemessenen Höhe festgesetzt habe. Rücksichtswürdige Umstände würden nicht so weit überwiegen, daß Anlaß zu einer Strafmilderung oder zu einer Nachsicht der Strafe gegeben wäre. Die Strafe liege zudem weit unter der Obergrenze des vom Gesetz vorgesehenen Strafrahmens. Es sei auch darauf Bedacht genommen worden, daß der Beschwerdeführer durch die Bestrafung davon abgehalten werden solle, neuerlich eine vergleichbare Verwaltungsübertretung zu begehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht nicht nach dem NÖ Tierschutzgesetz bestraft zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 NÖ Tierschutzgesetz 1985, L 4610-0, (im folgenden kurz TSG genannt) ist Ziel dieses Gesetzes zu verhindern, daß Tieren durch Handlungen oder Unterlassungen ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. darf niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Nach Abs. 2 Z. 2 dieser Gesetzesstelle darf besonders niemand ein Tier so halten (unterbringen, füttern oder pflegen), daß ihm dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. begeht derjenige, der entgegen den Bestimmungen des § 2 oder einer auf Grund des § 8 erlassenen Verordnung handelt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 50.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen.

Zunächst fällt auf, daß die als erwiesen angenommene Tat insofern nicht eindeutig umschrieben ist, als nicht zu erkennen ist, ob der Tatbestand des § 2 Abs. 2 Z. 2 TSG hinsichtlich nur der 8 Jungrinder oder aller im Stall untergebrachten Tiere als gegeben angenommen wurde. Denn für die übrigen - nämlich abgesehen von den 8 Jungrindern - wurde nur eine mangelhafte Haltung wegen Fehlens der Einstreu im Spruch festgehalten, ohne daß dadurch erkenntlich ist, ob auch für diese Rinder die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. gegeben waren. Der Umfang der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat muß eindeutig bestimmt sein.

In der Hauptsache wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme des schuldhaften Verhaltens. Der Beschwerdeführer hat den bei der amtstierärztlichen Überprüfung am 3. März 1990 festgestellten Zustand des Stalles in der Beschwerde nicht bestritten, doch im Strafverfahren wiederholt vorgebracht, daß an diesem Tag durch seine körperliche Behinderung und durch einen Krankheitsfall in der Familie die Betreuung der Tiere nicht entsprechend vorgenommen werden konnte. Mit diesem Vorbringen wollte der Beschwerdeführer offensichtlich glaubhaft machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift am angegebenen Tag kein Verschulden trifft. Darauf ist die belangte Behörde nicht eingegangen und hat auch nicht dargelegt, warum die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise entbehrlich seien. Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel.

Da bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991010097.X00

Im RIS seit

13.11.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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