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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Leopoldsdorf) vom 19. Juli 1991, Zl. Kr 2307-L/91/Au, betreffend Ladung im Dienste der Strafjustiz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer am 25. Juni 1991 stattgefundenen Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau, mit der er in Scheidung lebt, wurde von der Letztgenannten die Sicherheitswache zum Einschreiten aufgefordert.
Die belangte Behörde hat unter dem Datum 19. Juli 1991 folgenden an den Beschwerdeführer gerichteten und nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Ladungsbescheid erlassen:
"Wir haben wegen Vorfall vom 25.6.1991 gegen Sie Erhebungen zu führen. Es ist notwendig, daß Sie hiezu persönlich in unser Amt kommen. Datum 16. August 1991 .....
Wenn Sie diese Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, z. B. Krankheit, nicht befolgen, müssen Sie damit rechnen, daß Ihre zwangsweise Vorführung veranlaßt wird.
Rechtsgrundlage: § 19 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes und Art. V des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen."
Am 26. Juli 1991 ersuchte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers um Akteneinsicht, die ihm "wegen § 83 StGB verweigert wurde". Hiebei wurde er auf die alleinige Zulässigkeit der Akteneinsicht bei Gericht hingewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten, entgegen den Bestimmungen des Art. V EGVG in Verbindung mit § 24 StPO nicht verwaltungsrechtlicher Behandlung im Dienste der Strafrechtspflege unterzogen zu werden und entgegen der Bestimmung des § 19 AVG vorgeladen zu werden, sowie entgegen den gesetzlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 AVG nicht zum Erscheinen vor der belangten Behörde durch Zwangsstrafe verhalten oder vorgeführt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. V EGVG finden, sofern sich aus den Vorschriften über das strafgerichtliche Verfahren nichts anderes ergibt, die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes über das Verwaltungsstrafverfahren auch auf die Amtshandlungen sinngemäß Anwendung, die von Verwaltungsbehörden im Dienste der Strafjustiz vorzunehmen sind.
Gemäß § 19 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Nach Abs. 2 ist in der Ladung außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
Gemäß § 24 StPO haben die Sicherheitsbehörden, unter denen auch die Bürgermeister (Gemeindevorsteher) begriffen sind, allen Verbrechen und Vergehen, sofern sie nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und, wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhüten können. Hausdurchsuchungen und die vorläufige Verwahrung von Personen dürfen die Sicherheitsbehörden und deren Organe zum Zwecke der Strafgerichtspflege nur in den in dieser Strafprozeßordnung vorgesehenen Fällen unaufgefordert vornehmen; sie haben von ihrem Einschreiten und dessen Ergebnis dem zuständigen Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter sogleich Mitteilung zu machen.
Unbestritten und aktenkundig ist, daß dem im Beschwerdefall bekämpften Verwaltungsakt kein richterlicher Auftrag zugrundelag. Die Ladung ist daher der belangten Behörde als gemäß Art. V EGVG im Dienste der Strafjustiz vorgenommener Verwaltungsakt zuzurechnen. Die Gesetzmäßigkeit einer solchen Maßnahme setzt jedoch gemäß § 24 StPO unter anderem voraus, daß das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann. Daß diese Voraussetzung im Beschwerdefall erfüllt gewesen wäre, wurde von der belangten Behörde nicht behauptet und geht auch aus den Verwaltungsakten nicht hervor. Schon aus diesem Grunde findet der angefochtene Bescheid im Gesetz keine Deckung. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Es erübrigt sich daher auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abzusehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da der angefochtene Verwaltungsakt im Vollziehungsbereich des Bundes (Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG - allgemeine Sicherheitspolizei -) getroffen wurde, war dem Bund der Kostenersatz aufzuerlegen.
Infolge der getroffenen Sachentscheidung erübrigte es sich, über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zu entscheiden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010135.X00Im RIS seit
05.04.2001