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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1986 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Christian P in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. März 1991, Zl. SD 66/90, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. Dezember 1990 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Mit diesem war dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz, BGBl. Nr. 443/1986 (WaffG), der Besitz von Waffen und Munition verboten worden.
Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer, der sich schon früher mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden hätte, sei im Jahr 1989 wieder in diesem Sinn auffällig geworden. Er sei damals in verwirrtem Zustand angetroffen und in die psychiatrische Universitätsklinik eingewiesen worden. Nach der Erstellung eines ausführlichen Befundes dieser Klinik vom 8. Mai 1990 seien die Klinikärzte Dr. B und Dr. W zur Ansicht gelangt, es könne nicht abgesehen werden, ob und wann es zu einer neuerlichen Exacerbation seiner manisch-depressiven Erkrankung komme, es sei aber durchaus denkbar, daß bei konsequenter Phasenprophylaxe sich die Prognose bzw. die Einschätzung der Verläßlichkeit im Sinne des Waffengesetzes ändern könne. Auf Grund dieses Befundes sei der Chefarzt der Bundespolizeidirektion Wien zur Ansicht gelangt, daß wegen des Fehlens von relevanten Symptomen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen nicht anzunehmen sei. Ein damals bereits ausgesprochenes Waffenverbot sei deshalb wieder behoben worden.
Kurze Zeit später, am 7. August 1990, sei es beim Beschwerdeführer neuerlich zu einem Rückfall gekommen, wobei er völlig unverständlich und verwirrt über "Frequenzen" und "Erdbeben" sowie darüber gesprochen habe, sich gefährdet zu fühlen. Daß sich der Beschwerdeführer jetzt an diesen Vorfall nicht erinnern könne, sei einzusehen. Auf Grund dieses Vorfalles habe der Chefarzt der Bundespolizeidirektion Wien angesichts des Befundes der psychiatrischen Universitätsklinik festgestellt, daß wegen der zu Rezidiven neigenden Geistesstörung des Beschwerdeführers eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen nicht mit ausreichender Sicherheit verneint werden könne.
Die Einholung eines neuerlichen Gutachtens der psychiatrischen Universitätsklinik erschien der belangten Behörde angesichts des tatsächlich eingetretenen Rückfalles nicht für erforderlich. Daß sich der Chefarzt nur auf Aktenunterlagen bezogen habe, sei unbedenklich, weil keine Anhaltspunkte dafür gegeben seien, daß diese nicht den Tatsachen entsprächen. Daß der Beschwerdeführer derzeit in medikamentöser Behandlung stehe, vermöge nichts daran zu ändern, daß es tatsächlich zu einem Rückfall gekommen sei. Rechtlich nahm die belangte Behörde an, es lägen konkrete Tatsachen vor, denen zufolge der Beschwerdeführer bei einem Rückfall in einem Zustand, in dem er sich selbst gefährdet fühle, die öffentliche Sicherheit gefährden könnte.
Überdies erachtete die belangte Behörde die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides für ihre Entscheidung als maßgebend. Dem erstinstanzlichen Bescheid vom 28. Dezember 1990 ist diesbezüglich nur zu entnehmen, daß das polizeiamtsärztliche Gutachten vom 8. November 1990 ergeben hätte, daß beim Beschwerdeführer aus medizinischen Gründen die Annahme gerechtfertigt erscheine, daß er durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Das erstellte polizeichefärztliche Gutachten vom 20. Dezember 1990 habe das gleiche Ergebnis erbracht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht, nicht mit einem Waffenverbot belegt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einer Person den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe vorliegende, entscheidungswesentliche Beweismittel nicht berücksichtigt und die Einholung eines Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen unterlassen. Bereits mit dieser Rüge ist der Beschwerdeführer im Recht.
Auszugehen ist nämlich davon, daß nach Ausweis der Verwaltungsakten auf Grund des Gutachtens der psychiatrischen Universitätsklinik des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien vom 8. Mai 1990 (Blatt 24 bis 29 der Verwaltungsakten) in Verbindung mit der Äußerung des Chefarztes der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Mai 1990 (Blatt 30 der Verwaltungsakten) bezogen auf den Zeitpunkt der damaligen Untersuchung des Beschwerdeführers (8. Februar 1990) keine Symptome bestanden, "durch die angenommen werden könnte, daß er durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte". Deshalb wurde auch mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 8. Juni 1990 ein gegen den Beschwerdeführer am 17. Jänner 1990 erlassenes Waffenverbot wieder aufgehoben.
Hinsichtlich des von der belangten Behörde jetzt als Grundlage des verhängten Waffenverbotes herangezogenen Vorfalles vom 7. August 1990 liegen im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Äußerungen des Amtsarztes der Bundespolizeidirektion Wien, vom 8. November 1990 und des Chefarztes der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. Dezember 1990 vor (Blatt 47 bzw. 54 der Verwaltungsakten).
Diese Äußerungen haben folgenden Wortlaut:
1. Äußerung des Amtsarztes vom 8. November 1990:
"Der Untersuchte war letztmalig vom 7.8. bis 23.8.1990 an Baumgartner Höhe wegen manisch-depressiver Krankheit. Auslösend für die Verwahrung war ein Hotel Ramada Besuch mit Zahlungsschwierigkeiten. Der Untersuchte ist derzeit in PSD-Betreuung und medikamentöser Behandlung. Wegen einer gewissen Sorglosigkeit und medikamentöser Dämpfung, wie auch unvorhersehbarer Stimmungsschwankungen ist die erforderliche Verläßlichkeit beim Gebrauch oder die Führung von Waffen nicht gegeben. Der erlernte Beruf als Förster wird derzeit nicht wegen Arbeitslosigkeit ausgeübt. Sollte der neue Dienstgeber eine Dienstwaffe als unbedingte Arbeitserfordernis verlangen, ist ein Neuantrag mit psychiatrischer Gutachtungsbelegung zu erbringen."
2. Äußerung des Chefarztes vom 20. Dezember 1990:
"Der Genannte wurde bereits am 22.5.1990 vom Unterzeichneten bezüglich der Frage, ob er durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte, untersucht. Damals konnte sich der Unterzeichnete auf ein Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik beziehen, in dem betont wird, daß der Genannte bezüglich seiner psychiatrischen Vorgeschichte symptomfrei ist. Daher wurde damals auch die heute gestellte Frage verneint.
In der Zwischenzeit haben sich zwei Vorfälle ereignet (7.8.1990 und 24.8.1990, siehe Akt) aus denen hervorgeht, daß der Genannte wieder psychopathologische Symptome zeigt.
Gutachten: Mit Rücksicht auf den gesamten Akteninhalt muß heute festgestellt werden, daß der Genannte an einer zu Rezidiven neigenden Geistesstörung leidet. Es muß daher festgestellt werden, daß die Frage, ob der Genannte durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte, derzeit nicht mit ausreichender Sicherheit verneint werden kann."
Demgegenüber beantragte der Beschwerdeführer schon in seiner Eingabe an die erstinstanzliche Behörde vom 30. November 1990 eine "amtsärztliche Untersuchung", weiters in seiner Berufung die Einholung eines "qualifizierten fachlichen Gutachtens" und brachte bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 14. Februar 1991 vor, täglich
"1-0-1 1/2 Quillonorn retard" einzunehmen und einmal monatlich eine "Spritze Cissordimol 100 ml" zu bekommen. Außerdem erliegen in den Verwaltungsakten eine Bestätigung der psychosozialen Beratungsstelle Hasnerstraße vom 7. November 1990 und drei Blutuntersuchungsbefunde vom 5. Oktober 1990, 10. Dezember 1990 und 25. Februar 1991 (Blätter 72 bis 75 der Verwaltungsakten).
Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die oben dargestellten ärztlichen Äußerungen im Sinne der ständigen hg. Judikatur nicht die Qualifikation von Sachverständigengutachten aufweisen, weil jeweils weder Befund noch Gutachten vorliegen, sodaß eine Schlüssigkeitsprüfung nicht vorgenommen werden kann (vgl. z.B. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 ENr. 43, 47 und 49 zu § 52 AVG referierte Judikatur), wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, zum Vorfall vom 7. August 1990 unter Berücksichtigung der Behauptung des Beschwerdeführers betreffend seine nunmehr eingehaltene Medikamenteneinnahme und die diesbezüglich vorgelegten Urkunden eine fachärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers und die Erstellung eines einschlägigen Sachverständigengutachtens hinsichtlich seines Geisteszustandes und der Möglichkeit zu Rezidiven zu veranlassen.
Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was gemäß § 42 Abs. Z. 3 lit.b und c VwGG zu seiner Aufhebung führen muß, ohne daß es eines Eingehens auf die übrigen Beschwerdeargumente bedarf.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010103.X00Im RIS seit
25.04.2001