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L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
AbgEO §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Dkfm. P in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 3. Oktober 1990, Zl. MDR - K 59/87, betreffend Haftung für Lohnsummensteuer und Dienstgeberabgabe sowie Forderungsexekution, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der O. GmbH. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 2. Juli 1986 das Ausgleichsverfahren und am 31. Oktober 1986 der Anschlußkonkurs eröffnet.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. August 1987 (in der Folge: "Haftungsbescheid") wurde der Beschwerdeführer als Haftender für den Abgabenrückstand der Gesellschaft in der Höhe von S 182.630,-- (Lohnsummensteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum April 1986 bis 6. Juli 1986) herangezogen.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 2. November 1987 (in der Folge: "Pfändungs- und Überweisungsbescheid") wurde zur Hereinbringung eines Betrages von S 111.275,-- die dem Beschwerdeführer gegenüber der C. GmbH angeblich zustehende Forderung an Arbeitseinkommen gepfändet und der Stadt Wien zur Einziehung überwiesen.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung.
In der Berufung gegen den Haftungsbescheid führte er im wesentlichen aus, die Behörde habe nicht dargetan, worin sein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgaben bestehen solle. Tatsächlich habe sich die Gesellschaft im Frühjahr 1986 "in wirtschaftlichen Problemen" befunden. Zu deren Lösung sei in einer gemeinsamen Aktion der Hausbank, der Stadt Wien und des Sozialministeriums ein "Vereinbarungspaket" ausgearbeitet worden, wonach durch Beiträge der Genannten und der Gesellschafter eine Sanierung herbeigeführt werden sollte. Ende Mai 1986 seien die Sanierungsbemühungen unvorhergesehen gescheitert. Daraufhin seien durch das Unternehmen und die Geschäftsführung sofort Vorbereitungen getroffen worden, den Ausgleichsantrag zu stellen. Damit ergebe sich, daß der Beschwerdeführer im maßgebenden Zeitraum keinesweges schuldhaft gehandelt habe. Die zielstrebig eingeleiteten und von allen Beteiligten getragenen Sanierungsvereinbarungen hätten eine kurzfristige Behebung der wirtschaftlichen Probleme sehr wahrscheinlich gemacht.
In der Berufung gegen den Pfändungs- und Überweisungsbescheid machte der Beschwerdeführer geltend, er hafte gemeinsam mit einem zweiten Geschäftsführer. Dieser habe ein Sparbuch über den Haftungsbetrag bei seinem Rechtsvertreter zu treuen Handen mit der unwiderruflichen Widmung erlegt, dieses Sparbuch zugunsten der Lohnsummensteuerverbindlichkeit zu verwerten, sobald diese rechtskräftig festgestellt sei. Es bedürfe daher keinesfalls einer Exekutionsführung gegen den Beschwerdeführer, weil der gesamte in Frage stehende Betrag "bereits vorhanden und sichergestellt" sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Zur Berufung gegen den Haftungsbescheid führte sie nach Darlegung der Rechtslage im wesentlichen aus, es werde weder die Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgaben noch die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu dem im § 54 Abs. 1 WAO angeführten Personenkreis bestritten. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus dem Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz bzw. § 28 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz, wonach die in Haftung gezogenen Abgaben jeweils am 10. bzw. 15. des Folgemonates zu entrichten gewesen wären. Der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung, nachzuweisen, daß ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich war, nicht nachgekommen. Die Ausführungen der Berufung seien ungeeignet, ein mangelndes Verschulden darzutun. Es sei evident, daß die Unterlassung der rechtzeitigen Bezahlung der Abgaben ursächlich für deren spätere Uneinbringlichkeit gewesen sei.
Zur Berufung gegen den Pfändungs- und Überweisungsbescheid führte die belangte Behörde aus, der Bescheid sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, da gegenüber dem Beschwerdeführer eine vollstreckbare Forderung bestehe. Daß gegenüber einem anderen Abgabenschuldner die Möglichkeit bestehe, den aushaftenden Rückstand hereinzubringen, sei solange unbeachtlich, als die Einbringung nicht tatsächlich erfolgt sei.
Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zum Haftungsbescheid:
Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgaben bei der Gesellschaft ist nicht strittig. In einem solchen Fall ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0159, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Haftungsbegründend ist die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten. Ein Verschulden des Geschäftsführers am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist für die abgabenrechtliche Haftung ebensowenig von Bedeutung, wie ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtzeitig einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertretenen zu stellen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1985, Slg. 6012/F, vom 30. Mai 1989, Zl. 89/14/0043, und vom 26. Juni 1989, Zlen. 88/15/0065, 88/15/0037).
In der Beschwerde macht der Beschwerdeführer neuerlich geltend, es seien eine Sanierungsvereinbarung abgeschlossen und der Gesellschaft Sanierungsbeiträge zugesagt worden. Bei aufrechtem Fortgang der Sanierungsschritte wären hinreichend Mittel zur Verfügung gestanden, den Abgabenverbindlichkeiten nachzukommen. In der unvermittelten Einstellung der vereinbarten Sanierungsbemühungen und der damit schlagartig eingetretenen Zahlungsunfähigkeit liege kein Tatbestand, aus dem dem Beschwerdeführer ein Verschulden angelastet werden könnte.
Diese Ausführungen verkennen, daß es im Zusammenhang mit der abgabenrechtlichen Haftung ohne Bedeutung ist, ob den Geschäftsführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft; maßgeblich ist vielmehr, ob er abgabenrechtliche Pflichten schuldhaft verletzt hat. Diese ergeben sich im vorliegenden Fall, wie im angefochtenen Bescheid zutreffend hervorgehoben wird, aus § 6 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz bzw. § 28 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz, wonach die von der Lohnsumme jedes Kalendermonates bzw. nach der Anzahl der Dienstnehmer bemessenen Abgaben am 10. bzw. 15. des jeweiligen Folgemonates zu entrichten gewesen wären. Der Beschwerdeführer hätte sich von seiner Haftung somit durch die Behauptung und den Nachweis befreien können, daß ihn kein Verschulden daran trifft, daß die Gesellschaft im haftungsrelevanten Zeitraum die nunmehr in Haftung gezogenen Abgaben nicht zur jeweiligen Fälligkeit entrichtet hat. Mit seinen oben wiedergegebenen, auf die Nichtentrichtung der Abgaben zur jeweiligen Fälligkeit in keiner Weise bezugnehmenden Behauptungen und den entsprechenden Beweisanboten ist der Beschwerdeführer dieser Behauptungs- und Beweispflicht nicht nachgekommen. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde berechtigt, eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers anzunehmen; davon ausgehend, daß die schuldhaft nicht entrichtete Abgabe in der Folge uneinbringlich wurde, spricht eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 1987, Zl. 86/15/0080).
Zum Pfändungs- und Überweisungsbescheid:
Der Beschwerdeführer verweist zur Begründung seiner Auffassung, der Bescheid verletze "materiell und formell gesatztes Recht", lediglich darauf, daß ein weiterer zur Haftung herangezogener Geschäftsführer zur Sicherstellung des Haftungsbetrages eine Kaution hinterlegt habe.
Dem Gesetz kann keine Vorschrift entnommen werden, die für einen solchen Fall die Unterlassung von Vollstreckungshandlungen gebietet. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß ein Zahlungsverbot mit einer im Berufungsverfahren wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit behaftet wäre, weil ein anderer Gesamtschuldner - offenbar im Zuge einer unter dem Gesichtspunkt des vorläufigen Vollstreckungsverzichtes (§ 13 Abs. 1 AbgEO) beachtlichen Vereinbarung mit der Abgabenbehörde - eine Sicherheit geleistet hat. Dieser Umstand verpflichtete die Behörde in bezug auf den Beschwerdeführer auch nicht zu einem amtswegigen Vorgehen im Sinne der § 15 bis 17 AbgEO (Berichtigung des Exekutionstitels, Einstellung oder Einschränkung der Exekution), weil keiner der dort genannten Tatbestände vorliegt.
Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990150176.X00Im RIS seit
12.02.2002