Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 19. Jänner 1990, Zl. 6514/3-III4/90, betreffend Nebenbeschäftigung gemäß § 56 Abs. 1 BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Staatsanwalt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Staatsanwaltschaft Wien.
Mit Schreiben vom 18. September 1989 richtete er an die Oberstaatsanwaltschaft Wien nachstehendes Ersuchen:
"Ich bin beim Oberlandesgericht Wien in die Liste der 'Verteidiger in Strafsachen' eingetragen und beabsichtige, Herrn Dr. R in der für 27.10.1989 wegen § 107 Abs. 1 StGB anberaumten Hauptverhandlung zu verteidigen.
Falls dagegen dienst- oder standesrechtliche Bedenken bestehen, ersuche ich um entsprechende Feststellung und rechtzeitige Benachrichtigung."
Mit Bescheid vom 4. Oktober 1989 stellte der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien zur "Mitteilung vom 18. September 1989", wonach der Beschwerdeführer beabsichtige, Staatsanwalt Dr. R in der für 27. Oktober 1989 wegen § 107 Abs. 1 StGB anberaumten Hauptverhandlung zu verteidigen, fest, daß die Ausübung der Tätigkeit als Verteidiger in der genannten Strafsache dienst- und standesrechtliche Belange verletze und daher untersagt werde. Begründend wurde ausgeführt, es sei dem Beschwerdeführer über sein Ersuchen mit Bescheid der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 27. Dezember 1985 die Bewilligung erteilt worden, sich in die Verteidigerliste beim Oberlandesgericht Wien eintragen zu lassen (§ 39 Abs. 4 StPO). Diese Bewilligung sei dem Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt jedoch ausschließlich deshalb erteilt worden, um ihm die zufolge BGBl. Nr. 556/1985 bis 31. Dezember 1985 befristete Möglichkeit zu eröffnen, nach Übertritt in den Ruhestand als Verteidiger in Strafsachen tätig werden zu können und zu dürfen. Im Hinblick auf die in den §§ 1 und 3 des Staatsanwaltschaftsgesetzes definierten Aufgaben des Staatsanwaltes als Organ der Rechtspflege sei es - unbeschadet der Verpflichtung zur Berücksichtigung entlastender Umstände nach § 3 StPO - nicht nur dem Ansehen der staatsanwaltschaftlichen Behörden abträglich, sondern liege es auch nicht im wohlverstandenen Interesse des zu verteidigenden Beschuldigten, daß ein im aktiven Dienst stehender Staatsanwalt als Verteidiger einschreite. Dazu komme im konkreten Anlaßfall, daß bei Durchführung des gegen den Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Wien Dr. R beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängigen Strafverfahrens, unter Zulassung eines bei derselben Staatsanwaltschaft ernannten Staatsanwaltes als Verteidiger, unweigerlich der Anschein einer ungerechtfertigten Sonderbehandlung erweckt werden würde. Das Auftreten des Beschwerdeführers als Verteidiger wäre geeignet, die berechtigte Kritik der Rechtsanwaltschaft hervorzurufen und böte Anlaß zu negativen Angriffen gegen die staatsanwaltschaftlichen Behörden in den Medien und in der Öffentlichkeit. Im Interesse des staatsanwaltschaftlichen Standesansehens könne daher das vom Beschwerdeführer in der Mitteilung vom 18. September 1989 genannte Vorhaben nicht genehmigt werden. Weiters wären bei widerspruchsloser Kenntnisnahme des von ihm beabsichtigten Vorhabens der (wenn auch vorerst nur in einem Fall geplanten) Ausübung der Tätigkeit des Verteidigers in Strafsachen untragbare Beispielsfolgen zu erwarten. Es könne daher auch vom Standpunkt der Dienstaufsicht wegen der zu erwartenden Beeinträchtigung eines geordneten staatsanwaltschaftlichen Dienstbetriebes die Ausübung einer Tätigkeit als Verteidiger in Strafsachen bei einem im aktiven Dienststand stehenden Staatsanwalt nicht zugelassen werden. Aus diesen grundsätzlichen und den darüber hinaus auch spezifisch fallbezogenen Erwägungen sei deshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. In ihr bestritt er zunächst, daß ihm die Bewilligung der Eintragung in die Verteidigerliste seinerzeit "ausschließlich deshalb" erteilt worden sei, um ihm nach Übertritt in den Ruhestand die Möglichkeit zu eröffnen, als Verteidiger in Strafsachen tätig werden zu können und zu dürfen. Eine solche Beschränkung sei dem Beschwerdeführer weder im Bewilligungsbescheid noch durch einen anderen Verwaltungsakt auferlegt worden und sei auch nicht dem Gesetz (§ 39 Abs. 4 StPO) zu entnehmen. Die Beurteilung, ob die Strafverteidigung durch einen Kollegen im "wohlverstandenen Interesse" des Beschuldigten liege, könne nicht Aufgabe des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien sein, sondern müsse dem Betroffenen überlassen bleiben. Die Ausführungen, wonach das Einschreiten eines aktiven Staatsanwaltes dem Ansehen der staatsanwaltschaftlichen Behörden abträglich sei und im konkreten Fall der Anschein einer ungerechtfertigten Sonderbehandlung erweckt würde, stünden einerseits in einem (näher dargelegten) Widerspruch mit der vom Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien selbst geübten Praxis, andererseits sei dem Gesetz zu entnehmen, daß zum Richteramt befähigte Personen in Einzelfällen als Verteidiger bestellt werden könnten. Die Argumentation mit der Dienstaufsicht und der Beeinträchtigung eines geordneten staatsanwaltschaftlichen Dienstbetriebes gehe ins Leere, weil hier von einer berufsmäßigen Verteidigung die Rede sei. Diesbezüglich würde es sich aber um eine genehmigungspflichtige Nebenbeschäfigung handeln. Um eine solche Genehmigung sei der Beschwerdeführer aber niemals eingekommen. Die von ihm geplante Strafverteidigung sei unentgeltlich und werde nicht in der Dienstzeit erfolgen. Zutreffend sei die im letzten Absatz der Bescheidbegründung enthaltene Meinung, daß der Antrag des Beschwerdeführers über den konkreten Anlaßfall hinausgehe. Es sei ihm als Personalvertreter daran gelegen, über seine gesetzlichen und gewerkschaftlichen Befugnisse hinaus, die Kollegen auch in Strafverfahren vertreten zu können, wenn sie ihn darum ersuchten. Außerdem sei nicht einzusehen, daß etwa ein Familienangehöriger, der z.B. einen Verkehrsunfall verursacht habe und deswegen in Strafverfolgung gezogen werde, sich eines Verteidigers aus der Rechtsanwaltschaft bedienen müsse, obwohl er zu seinem als Staatsanwalt tätigen Angehörigen, der in die Liste der Strafverteidiger eingetragen sei, ungleich mehr Vertrauen habe. Da somit die Begründung des bekämpften Bescheides nicht tragfähig sei, stelle er den Antrag, "den angefochtenen Bescheid zu beheben und festzustellen, daß die von mir beabsichtigte Strafverteidigung sowie die Ausübung der Strafverteidigung durch einen in die Liste der Verteidiger eingetragenen Staatsanwalt im Einzelfall, soweit diese außerhalb der Dienstzeit erfolgt und es sich nicht um eine berufsmäßige Strafverteidigung handelt, weder dienstnoch standesrechtliche Belange verletzt".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Soweit die Berufung den Antrag enthalte, festzustellen, daß die Ausübung der Strafverteidigung durch einen in die Liste der Verteidiger eingetragenen Staatsanwalt im Einzelfall, soweit diese außerhalb der Dienstzeit erfolgt und es sich nicht um eine berufsmäßige Strafverteidigung handelt, weder dienst- noch standesrechtliche Belange verletze, werde sie als unzulässig zurückgewiesen.
In der Bescheidbegründung pflichtete die belangte Behörde zunächst dem Beschwerdeführer darin bei, daß im Bescheid der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 27. Dezember 1985 nicht die Rede davon gewesen sei, die Bewilligung werde nur deshalb erteilt, um dem Beschwerdeführer zu ermöglichen, nach Übertritt in den Ruhestand als Verteidiger tätig sein zu dürfen. Dennoch sei die Berufung aus folgenden Erwägungen nicht begründet:
Rechtliche Grundlage für die Untersagung der Ausübung der Tätigkeit des Verteidigers im Strafverfahren sei im vorliegenden Fall nur die Bestimmung des § 56 BDG 1979 über die Nebenbeschäftigung. Die weite Definition der Nebenbeschäftigung im Abs. 1 dieser Bestimmung sowie die Sonderregelung des Abs. 3 des § 56 BDG 1979 für die erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung stellten klar, daß auch eine nicht erwerbsmäßige Tätigkeit des Beamten unter den Begriff der Nebenbeschäftigung falle. Dem Beamten sei es grundsätzlich gestattet, einer Nebenbeschäftigung nachzugehen, sofern nicht einer der Gründe des § 56 Abs. 2 BDG 1979 vorliege. Entgegen der Auffassung der erstinstanzlichen Behörde sei mit der uneingeschränkt erteilten Bewilligung zur Eintragung des Beschwerdeführers in die Verteidigerliste seitens der vorgesetzten Dienstbehörde klargestellt worden, daß die Ausübung der Tätigkeit des Verteidigers in Strafsachen mit seinem Amt als Staatsanwalt grundsätzlich als vereinbar angesehen worden sei. Sei jedoch einmal die Bewilligung nach § 39 Abs. 4 StPO erteilt worden, so erscheine eine Berufung darauf, es sei dem Ansehen der staatsanwaltschaftlichen Behörden abträglich, wenn ein im aktiven Dienst stehender Staatsanwalt als Verteidiger einschreite, nicht möglich. Unbeschadet dessen erscheine auch nicht ersichtlich, worin durch die Ausübung der Strafverteidigung durch einen aktiven Staatsanwalt die Gefahr einer Schmälerung des Ansehens der staatsanwaltschaftlichen Behörden liegen könnte. Dies sei auch - aus näher dargelegten Gründen - nicht der Fall. Zu prüfen bleibe allerdings, ob im vorliegenden Fall eine Untersagung der Ausübung der Tätigkeit eines Strafverteidigers - ausnahmsweise - vertretbar erscheine. Die erstinstanzliche Behörde habe zutreffend den Ausnahmecharakter des vorliegenden Falles besonders herausgestellt. Dieser liege darin, daß ein Staatsanwalt von der Behörde, der er selbst angehöre, angeklagt werde. In einem solchen Fall liege es im besonderen dienstlichen Interesse der Staatsanwaltschaft, nicht den Eindruck hervorzurufen, daß der betroffene Staatsanwalt nicht mit derselben Intensität wie jeder andere Normunterworfene verfolgt werde. Die Wahrnehmung der Verteidigung durch einen bei derselben Behörde ernannten Staatsanwalt, der - wie der Beschwerdeführer - Personalvertreter und Vorsitzender des Betriebsausschusses der Staatsanwaltschaft Wien sei, berge jedoch die eminente Gefahr des Eintrittes dieses Anscheins in sich, weil bei dieser Konstellation der Schluß gezogen werden könnte, der die Anklage gegen seinen Kollegen vertretende Staatsanwalt wäre behindert, die Anklage mit der erforderlichen Unbefangenheit wahrzunehmen. Diese ungute Optik könnte im gegebenen Fall noch dadurch verstärkt werden, daß der die Anklage wahrnehmende Staatsanwalt in der Hauptverhandlung seinem eigenen Personalvertreter gegenüberstünde. Mit Rücksicht auf diese angeführte besondere Sensibilität des gegenständlichen Vertretungsfalles würde ein Auftreten eines Staatsanwaltes des aktiven Dienststandes als Verteidiger nicht nur die Kritik der Rechtsanwaltschaft hervorrufen, sondern voraussichtlich auch Anlaß für negative Angriffe gegen staatsanwaltschaftliche Behörden in den Medien und in der Öffentlichkeit bieten. Diese aufgezeigten Umstände führten zusammenfassend zum Ergebnis, daß durch die vom Beschwerdeführer angestrebte Nebenbeschäftigung wesentliche dienstliche Interessen im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 gefährdet wären. Der Berufung sei daher ein Erfolg zu versagen gewesen. Beim Berufungsbegehren auf Feststellung des im Spruch genannten Inhalts handle es sich um ein neues Anbringen, das in der Berufung erstmals gestellt worden sei. Dieser "Berufungsantrag" beziehe sich somit nicht auf den bekämpften Bescheid, der die beabsichtigte Übernahme der Verteidigung des Staatsanwaltes Dr. R durch den Beschwerdeführer zum Gegenstand habe. Sie sei daher in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Ausübung seiner Befugnis als gemäß § 39 Abs. 4 StPO eingetragener Verteidiger sowie in seinem Recht darauf, daß ihm diese Befugnis nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 56 BDG 1979 unter Berufung auf diese Norm untersagt werde, durch unrichtige Anwendung der zitierten Normen verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zum zurückweisenden Ausspruch des angefochtenen Bescheides wendet der Beschwerdeführer ein, es sei zwar richtig, daß er den grundsätzlichen Feststellungsantrag erstmals in der Berufung gestellt habe; seines Erachtens sei die darin aufgeworfene Frage aber bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Denn die erstinstanzliche Behörde habe ihre Entscheidung auf eine solche Weise begründet, daß eben diese Grundsatzfrage damit verneinend beantwortet worden sei. Da Spruch und Begründung einer Entscheidung als Einheit anzusehen seien, sei die Zulässigkeit des Auftretens eines Staatsanwaltes als Verteidiger durch den erstinstanzlichen Bescheid in umfassender Weise zum Verfahrensgegenstand gemacht worden. Daran habe er mit seinem in der Berufung gestellten Antrag angeknüpft und einen positiven grundsätzlichen Ausspruch, eingeschränkt auf die nicht berufsmäßige Ausübung der Verteidigung im Einzelfall und außerhalb der Dienstzeit, begehrt. Es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, ihrer Überzeugung nach dem Antrag gänzlich stattzugeben, ihn gänzlich abzuweisen oder ihm teilweise stattzugeben. Das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an einer solchen grundsätzlichen Feststellung sei - aus in der Beschwerde näher angeführten Gründen - auch zu bejahen. Aber auch wenn, wie die belangte Behörde meine, die bezughabende Grundsatzfrage nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen wäre, hätte die belangte Behörde den Antrag nicht zurückweisen dürfen, sondern ihn gemäß § 6 Abs. 1 AVG zuständigkeitshalber an die erstinstanzliche Behörde weiterleiten müssen.
Diese Einwände sind unbegründet.
Der Beschwerdeführer hat den allgemeinen (grundsätzlichen) Feststellungsantrag, wie er selbst zugesteht, erstmals in der Berufung gestellt. Daher traf die erstinstanzliche Behörde keine Verpflichtung, über die in diesem allgemeinen Feststellungsantrag aufgeworfenen Fragen bescheidmäßig (also im Spruch) eine Entscheidung zu treffen. Sie hat dies auch nicht von Amts wegen getan; der oben wiedergegebene Spruch des erstinstanzlichen Bescheides beinhaltet vielmehr nur eine in Erwiderung auf das Ersuchen des Beschwerdeführers vom 18. September 1989 erfolgte einzelfallbezogene Feststellung und Untersagung der Ausübung der Funktion eines Verteidigers des Staatsanwaltes Dr. R in der ihn betreffenden Strafsache. Lediglich in der Begründung dieses Bescheides befaßte sich die erstinstanzliche Behörde mit diesen allgemeinen Fragen. Dies läßt es aber - angesichts des eindeutigen Wortlautes des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides - nicht zu, diesen Spruch so zu verstehen, daß die erstinstanzliche Behörde damit im Sinne des vom Beschwerdeführer in der Berufung erstmals gestellten grundsätzlichen Feststellungsantrages eine derartige allgemeine Feststellung getroffen hätte. "Verfahrensgegenstand" (im Sinne der "Sache" gemäß § 66 Abs. 4 AVG) des Berufungsverfahrens war daher ausschließlich die mit dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte einzelfallbezogene Feststellung und Untersagung der Ausübung der Verteidigung in der mehrfach genannten Strafsache. Der belangten Behörde war es daher verwehrt, über diesen Berufungsantrag eine meritorische Entscheidung zu treffen. Einem Vorgehen der belangten Behörde nach § 6 Abs. 1 AVG stand schon der Umstand entgegen, daß der Beschwerdeführer diesen Antrag ausdrücklich als Berufungsantrag gestellt hatte. Die Zurückweisung des allgemeinen Feststellungsantrages mit dem angefochtenen Bescheid entspricht daher der Rechtslage. Auf die Frage, ob ein rechtliches Interesse an einem derartigen Feststellungsantrag zu bejahen wäre, brauchte daher nicht eingegangen zu werden.
2. Soweit sich die Beschwerde gegen den den erstinstanzlichen Bescheid bestätigenden (und damit dessen Spruch übernehmenden: vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. März 1979, Slg. Nr. 9802/A) Ausspruch des angefochtenen Bescheides richtet, bejaht der Verwaltungsgerichtshof zwar - in Übertragung der zum Interesse eines Beamten an der Feststellung von Dienstpflichten in bezug auch auf abgeschlossene Geschehnisse (und konsequenterweise auch der Berechtigung zur Erhebung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof) entwickelten Grundsätze (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 19. März 1990, Zl. 88/12/0026 und Zl. 88/12/0103, sowie den Beschluß vom 9. April 1984, Zl. 83/12/0085, Slg. Nr. 11.393/A) - die Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers (vgl. im insofern ähnlichen Zusammenhang der Abweisung eines Antrages auf Bewilligung eines Kuraufenthaltes das Erkenntnis vom 27. September 1990, Zl. 89/12/0225); aus nachstehenden Erwägungen ist aber auch die Beschwerde gegen diesen Teilausspruch des angefochtenen Bescheides unbegründet:
Gemäß § 56 Abs. 1 BDG 1979 ist Nebenbeschäftigung jede Beschäftigung, die der Beamte außerhalb seines Dienstverhältnisses und einer allfälligen Nebentätigkeit ausübt. Nach § 56 Abs. 2 leg. cit. darf der Beamte keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung einer Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet. Nach § 56 Abs. 3 leg. cit. hat der Beamte seiner Dienstbehörde jede erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung unverzüglich zu melden. Eine Nebenbeschäftigung ist erwerbsmäßig, wenn sie die Schaffung von nennenswerten Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt.
Die belangte Behörde begründet ihren in diesem Zusammenhang zu behandelnden Teilausspruch des angefochtenen Bescheides damit, daß die beabsichtigte Verteidigung des Staatsanwaltes Dr. R in dessen Strafsache durch den Beschwerdeführer "sonstige wesentliche dienstliche Interessen" im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG gefährde.
Unter einer Nebenbeschäftigung nach § 56 Abs. 2 BDG 1979 ist, wie sich aus dem Regelungszusammenhang dieses sowie des ersten Absatzes mit dem Abs. 3 des § 56 leg. cit. ergibt, nicht nur eine erwerbsmäßige im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 56 Abs. 3 leg. cit, sondern jede Beschäftigung zu verstehen, die der Beamte außerhalb seines Dienstverhältnisses und einer allfälligen Nebentätigkeit ausübt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 27. Mai 1991, Zl. 91/12/0062, und vom 18. November 1985, Slg. Nr. 11.942/A). Die (auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellte) Nichterwerbsmäßigkeit der vom Beschwerdeführer in Aussicht genommenen Verteidigung des Staatsanwaltes Dr. R in dessen Strafsache stand daher der Anwendung des § 56 Abs. 2 BDG 1979 nicht entgegen. Das bestreitet auch der Beschwerdeführer nicht, meint aber, daß vom Gesetz als "Nebenbeschäftigung" eine "Beschäftigung", die der Beamte außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübe, bezeichnet werde, und demnach - dem allgemeinen Sprachgebrauch nach - beide Begriffe ein Dauerelement beinhalteten, weil ein einmaliges Handeln weder als "Beschäftigung" noch als "Nebenbeschäftigung" bezeichnet werde. Schon dadurch werde im Beschwerdefall die Anwendbarkeit des § 56 Abs. 2 BDG 1979 ausgeschlossen.
Es braucht im Beschwerdefall nicht untersucht zu werden, ob unter Bedachtnahme auf die Gründe, bei deren Vorliegen den Beamten nach § 56 Abs. 2 BDG 1979 eine Dienstpflicht trifft, sich einer beabsichtigten Nebenbeschäftigung zu enthalten, ein "einmaliges Handeln" niemals als Nebenbeschäftigung im Sinne der Abs. 1 und 2 BDG 1979 gewertet werden kann. Denn die vom Beschwerdeführer im Rahmen der ihm erteilten Bewilligung der Dienstbehörde nach § 39 Abs. 4 StPO in Aussicht genommene Verteidigung des Staatsanwaltes Dr. R in dessen Strafsache stellt schon im Hinblick auf die nicht von vornherein absehbare Dauer der Ausübung dieser Tätigkeit kein "einmaliges Handeln" dar, sondern muß vor dem Hintergrund der näheren Gestaltung der Dienstpflicht des § 56 Abs. 2 BDG als "Beschäftigung" im Sinne des § 56 Abs. 1 leg. cit. gewertet werden.
Die belangte Behörde hat - sachverhaltsbezogen zu Recht - die geplante Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht auf ihre Vereinbarkeit mit den ersten beiden Tatbeständen des § 56 Abs. 2 BDG 1979 geprüft, sondern nur untersucht, ob durch ihre Ausübung "sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet" wären, und dies aus den oben wiedergegebenen Erwägungen - ausnahmsweise - bejaht. Auf die Beschwerdeeinwände zur fehlenden begründeten Vermutung einer Befangenheit des Beschwerdeführers durch die in Aussicht genommene Tätigkeit und auf die Darlegungen zur möglichen Befangenheit des Anklägers und des Gerichtes braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Gegen die von der belangten Behörde bejahte Tatbestandsmäßigkeit der Gefährdung sonstiger wesentlicher dienstlicher Interessen durch die in Aussicht genommene Tätigkeit wendet der Beschwerdeführer ein, es sei zweifellos eine gewisse grundsätzliche Problematik immer dann gegeben, wenn eine Behörde gegen einen eigenen Angehörigen einzuschreiten habe. Außenstehende, die "Öffentlichkeit" oder "Allgemeinheit" würden ein solches Geschehen häufig besonders aufmerksam und kritisch beobachten. Aus dieser Sicht stelle sich aber nicht die Frage, wie oder durch wen der Beschuldigte verteidigt werde, sondern allein, ob die Verfolgungshandlungen bis hin zur Anklage oder auch noch zur Ergreifung von Rechtsmitteln gehörig vorgenommen würden. Sei - wie im Beschwerdefall - die Anklage bereits erhoben worden, so sei damit auch bereits grundsätzlich dokumentiert, daß jedenfalls eine begünstigende Sonderbehandlung nicht stattfinde. Daß sich ein Angehöriger der Anklagebehörde als Privatperson für den Angeklagten einsetze, dürfe ihm nicht verwehrt bleiben und könne ihm nicht untersagt werden. Gerade die Übernahme der Verteidigung sei der unverfänglichste und unbedenklichste Ausdruck dieser Art von Parteinahme, da sie deklariert und offen erfolge, während von außen kommende Befürchtungen auf jene unsichtbaren Vorgänge gerichtet seien, die zu einer Einflußnahme auf den Verfahrensgang durch persönliche Beziehungen, Kontakte und Interventionen führen könnten. Das vom Beschwerdeführer vorgesehene, aber verhinderte Einschreiten für Dr. R hätte im vollen Licht der Öffentlichkeit erfolgen sollen, mit offen vorgetragenen Argumenten, die ihrem sachlichen Gewicht nach durch das Gericht zu beurteilen gewesen wären. Daran sei nichts Zweifelhaftes, berechtige nichts zu begründeten Bedenken und es fehle daher auch der Untersagung an jeder Berechtigung. Es sei auch das Recht des Beschuldigten bzw. Angeklagten zu beachten, sich seinen Verteidiger frei zu wählen. Hiebei werde er auch selbständig zu beurteilen haben, ob er es als zweckmäßig und richtig ansehe, jemanden als Verteidiger zu bestellen, der beruflich hauptsächlich auf Anklagen und Strafverfolgung ausgerichtet sei. Jedenfalls könne es nicht so sein, daß dem Beschuldigten ein Verteidiger auf- oder abgenötigt werde, weil ansonsten die Befangenheit eines gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Organes befürchtet werde. Schließlich sei als weiterer wesentlicher Gesichtspunkt zu beachten, daß der "Kollegenverteidiger" eine weithin verbreitete Institution sei. Im Disziplinarverfahren kennten ihn das BDG 1979 (§ 107) und das HDG (§ 29), wobei letzteres früher sogar die Verteidigung durch einen Rechtsanwalt ausgeschlossen habe und hinsichtlich des "Kollegenverteidigers" noch immer eine Einschränkung dahingehend enthalte, daß dieser aus dem "örtlichen Zuständigkeitsbereich der Disziplinarbehörde" kommen müsse. Das erweise, daß der Gesetzgeber sogar ausdrücklich und verbindlich die Beschränkung auf jenen Personenkreis vornehme, gegen den sich die Bedenken der belangten Behörde mutatis mutandis richteten.
Was zunächst die Argumentation aus dem Grundsatz der freien Verteidigerbestellung durch den Beschuldigten bzw. Angeklagten betrifft, ist zu bemerken, daß jegliche im Gesetz begründete Anhaltspunkte dafür fehlen, es befreie dieser Grundsatz den als Verteidiger ausersehenen Beamten von seiner ihm durch § 56 Abs. 2 BDG 1979 auferlegten Dienstpflicht, eine solche Bestellung abzulehnen, wenn ihre Befolgung unter anderem "sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet". Der vom Beschwerdeführer bemühte Grundsatz ist im übrigen, wie schon die Bestimmungen über den Verteidiger im Strafprozeß klar erweisen, auch sonst nicht schrankenlos verwirklicht.
Dementsprechend geht es im Beschwerdefall auch nicht um die Beurteilung der Frage, ob dem Beschuldigten ohne Eingriff in seine Rechte deshalb ein Verteidiger "auf- oder abgenötigt" werden kann, weil ansonsten die Befangenheit eines gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Organes befürchtet wird, sondern um die Lösung des eben genannten dienstrechtlichen Problems. Die besondere und von der belangten Behörde herausgestellte ausnahmsweise Konstellation des vorliegenden Falles liegt nun aber darin, daß ein Angehöriger der Anklagebehörde nicht nur von einem Vertreter dieser Behörde vor einem Gericht, bei dem Vertreter dieser Behörde regelmäßig einschreiten, angeklagt, sondern auch von einem Angehörigen dieser Anklagebehörde verteidigt werden soll. Daß ein solcher Prozeß unter Staatsanwälten und Richtern in hohem Maß geeignet ist, in der "Öffentlichkeit" bzw. "Allgemeinheit" den (wenn auch objektiv, d.h. nach Untersuchung des Falles durch rechtskundige Personen, unberechtigten) Eindruck zu erwecken, es werde dem angeklagten Angehörigen der Anklagebehörde - trotz bereits erfolgter Anklageerhebung - gegenüber einem sonstigen Angeklagten eine sachlich nicht gerechtfertigte Sonderbehandlung während des der Anklageerhebung folgenden Strafverfahrens zuteil (weil man sozusagen unter sich bliebe), liegt auf der Hand. Dadurch wird aber das im Hinblick auf die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden schützenswerte und daher im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 wesentliche Interesse des Dienstgebers, nämlich des Bundes, daß bei Strafprozessen gegen einen Angehörigen einer Anklagebehörde in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck einer Begünstigung gegenüber anderen Angeklagten erweckt werde, gefährdet. Daran ändert es nichts, daß der Anschein der Parteilichkeit vor allem wegen der Anklage durch einen Angehörigen derselben Anklagebehörde erweckt wird und man dem durch strafprozessuale Mittel abhelfen könnte, weil im Dienstrechtsverfahren nach § 56 BDG 1979 von diesem Faktum auszugehen ist. Auf die objektiven Einflußmöglichkeiten des Verteidigers auf eine gegenüber sonstigen Angeklagten günstigere Behandlung des Angehörigen der Anklagebehörde kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr der nicht von vornherein unbegründete Eindruck, den ein solches Zusammenwirken von Angehörigen der Anklagebehörden erweckt. Angesichts dieser besonderen strafprozessualen Situation vermögen auch die Hinweise auf das Rechtsinstitut der "Kollegenverteidigung" im Disziplinarverfahren keine andere Beurteilung des Beschwerdefalles zu bewirken.
Aus den vorstehenden Überlegungen war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte ParteistellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990120141.X00Im RIS seit
05.04.2001