TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/18 90/15/0097

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Veröffentlicht am 18.11.1991
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Index

21/01 Handelsrecht;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

EVHGB 04te Art7 Nr15 Abs5;
GebG 1957 §33 TP16 Abs1 Z1 litc;
GebG 1957 §33 TP17 Abs1 Z2;
GebG 1957 §33 TP17 Abs1 Z4;
GebG 1957 §33 TP21 Abs1;
GebG 1957 §33 TP9;
HGB §138;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-Bau AG in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. April 1989, Zl. GA 11 - 480/14/89, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 26. Jänner 1979 wurde über das Vermögen der Baugesellschaft H.R. & Co (einer offenen Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter damals Ing. Alfred N. und Dr. Rudolf N. waren) das Ausgleichsverfahren eröffnet.

Mit einem am 12. Juni 1979 beurkundeten "Übereinkommen" übertrug Ing. Alfred N der R. Baugesellschaft m.b.H. seinen Geschäftsanteil an der Baugesellschaft H.R. & Co. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vertrages lauten:

"I.

Herr Ing. N. ist zur Hälfte Gesellschafter der im Handelsregister Wien unter dem Firmenwortlaut Baugesellschaft H.R. & Co ... protokollierten offenen Handelsgesellschaft. Über das Vermögen der Baugesellschaft H.R. & Co ist ... ein Ausgleichsverfahren anhängig.

II.

Für den Fall der rechtskräftigen Bestätigung dieses unter Punkt I. erwähnten Ausgleiches, der von den Gläubigern in der Ausgleichstagssatzung vom 5. April 1979 angenommen wurde, verkauft und übergibt Herr Ing. Alfred N. mit Zustimmung des anderen Gesellschafters, Herrn Dr. Rudolf N., und die R. Baugesellschaft m.b.H. kauft und übernimmt unter Zugrundelegung eines zum 5. April 1979 erstellten Status der Baugesellschaft H.R. & Co, der einen integrierenden Bestandteil dieses Übereinkommens bildet, den in Punkt I. näher beschriebenen Geschäftsanteil mit sämtlichen Zweigniederlassungen und Beteiligungen in dem der Käuferin bekannten Zustand samt allen dazugehörigen Rechten, Befugnissen und Vermögenswerten.

III.

Der vereinbarte und mit Rücksicht auf das beschriebene Insolvenzverfahren angemessene Kaufpreis beträgt S 1,--, worüber per contractum quittiert wird.

IV.

Der Verkäufer haftet für keine wie immer geartete Beschaffenheit dieses Gesellschaftsanteiles, sondern wird dieser von der Käuferin wie er liegt und steht nach Prüfung des eingangs erwähnten Status zum 5. April 1979 übernommen. Wohl leistet aber der Verkäufer Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in diesem Status aufgenommenen Aktiva und Passiva. Er hält diesfalls die Käuferin klag- und schadlos. Es besteht volle Übereinstimmung, daß die in diesem Status aufscheinenden Verbindlichkeiten unter Freihaltung des Verkäufers ausschließlich von der Käuferin zu tragen sind.

V.

Als Verrechnungsstichtag gilt zwischen den Parteien der der rechtskräftigen Bestätigung des ... anhängigen Ausgleichsverfahrens folgende Tag, mit welchem alle mit dem Besitz der Gesellschaftsanteile verbundenen Vorteile aber auch Lasten auf die Käuferin übergehen."

Mit einer inhaltsgleichen beurkundeten Vereinbarung übertrug Dr. Rudolf N. seinen Geschäftsanteil der Ö.V. Gesellschaft m.b.H., die in der Folge mit der

R. Baugesellschaft m.b.H. verschmolzen wurde.

Die Bestätigung des Ausgleiches erfolgte am 29. Juni 1979.

Mit vorläufigem Bescheid gemäß § 200 BAO schrieb das Finanzamt der R. Baugesellschaft m.b.H. für die erwähnte Überlassung der Geschäftsanteile ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 187,200.000,-- Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG im Betrage von

S 3,744.000,-- vor. Es wies darauf hin, daß der endgültige Bescheid nach Feststehen der Aktiva und Passiva der Gesellschaft ergehen werde.

In der auf entsprechenden Antrag der R. Baugesellschaft m. b.H. gemäß § 245 Abs. 2 BAO mitgeteilten Begründung führte das Finanzamt aus, die Rechtsgebühr sei vorläufig vom Gesamtentgelt von S 187,200.000,-- (übernommene negative Konten von S 102,500.000,-- und S 84,700.000,--) festzusetzen. Bei einer offenen Handelsgesellschaft hafte der Gesellschafter mit seinem gesamten Vermögen für die Schulden der Gesellschaft. Wenn daher ein Käufer den haftenden Gesellschafter von seiner Schuldenlast befreie, dann liege zumindest in dem Ausmaß, als die Aktiven die Passiven überstiegen, eine Gegenleistung vor. Beim endgültigen Bescheid werde nach Überprüfung der Aktiva nicht deren Buchwert, sondern der Teilwert zugrunde zu legen sein.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die R. Baugesellschaft m.b.H. im wesentlichen geltend, die Befreiung von der Schuldenlast der Gesellschafter (= Übernahme der Gesellschaftsschulden) komme jedenfalls nicht als Entgelt für die Übertragung eines Geschäftsanteiles im Sinne des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG in Betracht, da ein Geschäftsanteil eine komplexe wirtschaftliche und rechtliche Einheit und somit eine Gesamtsache darstelle, mit der die bestehenden Verbindlichkeiten untrennbar verbunden seien. Die Rechtsansicht der Abgabenbehörde folge aus der unbesehenen Übernahme der umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften für die Geschäftsveräußerung im Ganzen. Dabei werde übersehen, daß die Besteuerungsgrundlage dort eine gegenüber dem Gebührenrecht eigenständige, absolut andersartige Regelung erfahren habe, die auf das Gebührenrecht keineswegs übertragen werden könne. Im Gebührenrecht stehe dem Verkehrsvorgang "Überlassung eines Geschäftsanteiles", als Überlassung eines komplexen Rechtes, einer Gesamtsache, als Gegenleistung bloß der reine Kaufpreis gegenüber. Mit dem komplexen Recht "Geschäftsanteil" verbundene Verbindlichkeiten, die auf den Erwerber bestenfalls gesamtschuldnerisch übergingen, könnten dementsprechend nicht Entgelt sein. Es sei ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß Entgelt im Sinne der zitierten Gebührenvorschrift nicht etwa auch die Übernahme der Gesellschaftsschulden, sondern nur der für die Überlassung des komplexen, eine Gesamtsache und somit ein einheitliches Wirtschaftsgut darstellenden Gesellschaftsanteiles gewährte Preis sei. Die Abgabenbehörde verkenne überdies die Zivilrechtslage; § 128 HGB gehe nämlich davon aus, daß die Gesellschaftsschulden ausschließlich Schulden des partiell rechtspersönlichen Subjektes OHG seien und daß die Rechtsstellung des Gesellschafters bloß die eines Haftenden sei. Der Gesellschafter trage daher gar keine Schuldenlast, von der er befreit werden könne. Die Einbeziehung der Haftungsbefreiung in das Entgelt wäre erst recht widersinnig und überdies mit Sicherheit gleichheitswidrig. Dies hätte zur Folge, daß die Veräußerung eines Kommanditanteiles eine völlig andere Bemessungsgrundlage bewirken würde als die Veräußerung eines Komplementäranteiles. Abgesehen davon sei vor Übernahme der Anteile im Ausgleich eine 60 %ige "Nachlaßquote" vereinbart worden. Im Kaufzeitpunkt sei somit zwar buchtechnisch ein negatives Kapitalkonto vorhanden gewesen, diesem seien aber - vor allem firmenwertbezogene - stille Reserven gegenübergestanden, wodurch möglicherweise tatsächlich ein negativer Wert der Gesellschaftsanteile nicht gegeben gewesen sei. Ein positiver Wert der Gesellschaftsanteile sei jedenfalls auch nicht vorgelegen. Die Bescheidbegründung sei überdies mehrdeutig. Die behauptete Entgelteigenschaft der Befreiung des Gesellschafters von der Schuldenlast werde in der Bescheidbegründung in keiner Weise der Höhe nach konkretisiert. Das Finanzamt sehe übernommene Verbindlichkeiten "zumindest in dem Ausmaß, in dem die Aktiven die Passiven übersteigen" als Entgelt an. Offenbar stehe es auf dem Standpunkt, daß nur ein Teil der "übernommenen Schuldenlast" Entgelt sei. Dies sei aber keine deutliche Aussage. Das Wörtchen "zumindest" bedeute, daß die Behörde vermeine, daß zumindest zwei Möglichkeiten der "höhenmäßigen Entgeltskonkretisierung" bestünden. Dann sei aber nicht klar, warum sich die Behörde gerade für die bloß teilweise Entgelteigenschaft der übernommenen Schulden entscheide.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. Die

R. Baugesellschaft m.b.H. beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde hielt der R. Baugesellschaft m.b.H. nach Durchführung von Ermittlungen die beabsichtigte Berufungsentscheidung vor. Die R. Baugesellschaft m.b.H. nahm zu diesem Vorhalt detailliert Stellung; soweit ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren von Bedeutung ist, wird auf den Inhalt dieser Stellungnahme bei der Erörterung der Beschwerdegründe einzugehen sein.

Mit dem angefochtenen, gegenüber der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der R. Baugesellschaft m.b.H. erlassenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte sie nach Darlegung des Verfahrensganges im wesentlichen aus, das gegenständliche Übereinkommen bestimme, daß die Verbindlichkeiten von der Käuferin zu tragen seien bzw. die Lasten auf diese übergingen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere dem Erkenntnis vom 16. März 1987, Zl. 85/15/0102) sei die Übernahme eines Betrages, den der abtretende Gesellschafter der Gesellschaft schulde, als Entgelt gebührenpflichtig. Das Ausscheiden eines Gesellschafters bewirke nach unbestrittener Lehre, daß der negative Kapitalanteil in eine Schuld transformiert werde. Wenn der ausscheidende Gesellschafter von allen und somit auch von diesen Schulden befreit werde, so stelle diese vom Erwerber versprochene Befreiung ein Entgelt dar. Dem Bericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 6. März 1981 sei zu entnehmen, daß die negativen Kapitalkonti der Veräußerer von den Erwerbern übernommen worden seien. Daraus sei klar eine Schuldübernahme abzuleiten, die in der Urkunde durch die ausdrückliche Parteienerklärung ihren Niederschlag gefunden habe.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Nach § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG unterliegen Gesellschaftsverträge, ausgenommen solche über Kapitalgesellschaften im Sinne des Kapitalverkehrsteuergesetzes, wodurch sich zwei oder mehrere Personen zur Verfolgung eines Erwerbszweckes verbinden, bei Überlassung eines Geschäftsanteiles von einem Gesellschafter an einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten einer Gebühr von 2 v.H. vom Entgelte, mindestens aber vom Werte des Gesellschaftsanteiles.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, das nach der zitierten Vorschrift als Bemessungsgrundlage der Gebühr heranzuziehende Abtretungsentgelt betrage im Beschwerdefall S 2,--. Die Schulden der Gesellschaft seien nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Der Gesellschaftsanteil sei eine komplexe wirtschaftliche und rechtliche Einheit und somit eine Gesamtsache (ein einheitliches Wirtschaftsgut), mit dem sowohl die bestehenden Forderungen als auch die bestehenden Verbindlichkeiten untrennbar verbunden seien. Entgelt im Sinne der Gebührenvorschrift könne daher nicht etwa die Befreiung der Gesellschafter von der Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, sondern nur der für die Überlassung des Gesellschaftsanteiles gewährte "Preis" sein. Überdies hätten die Vertragsparteien nicht von einer Schuldübernahme gesprochen, sondern lediglich von einer Verpflichtung zur Klag- und Schadloshaltung des Verkäufers für die in den Status aufgenommenen Passiva. Die Gesellschaftsschulden seien ausschließlich Schulden der teilrechtsfähigen OHG, für die der Gesellschafter bloß hafte. Der Gesellschafter trage somit gar keine Schuldenlast, von der er befreit hätte werden können. Es sei bei der Abtretung von Geschäftsanteilen von offenen Handelsgesellschaften geradezu eine Selbstverständlichkeit, daß der abtretende Gesellschafter im Verhältnis zum Erwerber nicht mehr hafte, sondern daß die Haftung dem Erwerber überbunden werde. Es liege somit keine Schuldübernahme, sondern lediglich eine Haftungsbefreiung vor. Sollte die belangte Behörde jedoch die Haftungsbefreiung in das Entgelt einbezogen haben, wäre dies widersinnig und gleichheitswidrig, weil dies zur Folge hätte, daß bei der Veräußerung der Geschäftsanteile eines Kommanditisten eine völlig andere Bemessungsgrundlage heranzuziehen wäre, als bei der Veräußerung des Geschäftsanteiles eines persönlich haftenden Gesellschafters. Eine solche Differenzierung sei dem Gebührengesetz eindeutig nicht zu entnehmen. Der Gesetzgeber gehe erkennbar von einer Äquivalenz des Wertes des Geschäftsanteiles und des Entgeltes aus. Bei Überlassung eines Geschäftsanteiles mit negativem oder ausgeglichenem Wert könne unter Berücksichtigung des Gesamtsachcharakters nur das "reine Entgelt", im vorliegenden Fall somit S 2,--, Bemessungsgrundlage sein. Es könne auch nicht ernstlich angenommen werden, daß ein Unternehmen deshalb einen Wert von S 187,2 Mio besitze, weil negative Kapitalkonten in dieser Höhe bestünden.

Die oben zusammenfassend wiedergegebenen Beschwerdeausführungen unterstellen, die belangte Behörde habe die (allenfalls rechtsirrig als Schuldübernahme aufgefaßte) von den Erwerbern übernommene Verpflichtung, die ausscheidenden Gesellschafter von der Haftung für die Schulden der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftsgläubigern zu befreien, dem fest vereinbarten Entgelt von S 2,-- hinzugerechnet. Damit mißdeutet die Beschwerdeführerin jedoch die in der Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Argumente. Die belangte Behörde hat nicht die erwähnte Befreiungsverpflichtung die Gesellschaftsschulden betreffend dem fest vereinbarten Entgelt hinzugerechnet, sondern die von den Erwerbern übernommene Befreiung der ausscheidenden Gesellschafter von ihrer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, eine Ausgleichszahlung in der Höhe ihres negativen Kapitalkontos zu leisten. Damit erübrigt sich jede Auseinandersetzung mit den oben wiedergegebenen Beschwerdeausführungen.

Im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes ist jedoch zu überprüfen, ob - im Sinne der Auffassung der belangten Behörde - die Übernahme des negativen Kapitalkontos durch den eintretenden Gesellschafter im Zuge der Übertragung des Geschäftsanteiles dem festbetragsbestimmten Entgelt ihm zuzurechnen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgeprochen, daß der Betrag übernommener Schulden gebührenrechtlich als Teil des Entgeltes anzusehen und bei der Bemessung der Gebühr dem festbetragsbestimmten Entgelt hinzuzurechnen ist, wenn die Vertragsteile die Übernahme bzw. Befreiung von Verbindlichkeiten, die eine Entlastung (= Vermehrung) des Vermögens des Verkäufers (Übergebers) bewirkt, durch den Käufer (Übernehmer) ohne Anrechnung auf das festbetragsbestimmte Entgelt vereinbart haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1972, Slg. 4332/F, vom 7. Oktober 1985, Slg. 6036/F, und vom 19. März 1990, Zl. 89/15/0085). Ein vergleichbarer Fall liegt auch hier vor:

Zwar bedeutet ein passiver (negativer) Kapitalanteil des Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft, solange die Gesellschafterstellung aufrecht ist - ausgenommen im Fall einer vereinbarten Nachschußpflicht -, nicht, daß der Gesellschafter verpflichtet wäre, einen entsprechenden Betrag an die Gesellschaft zu zahlen. Eine entsprechende Verpflichtung entsteht jedoch mit dem Ausscheiden des Gesellschafters. Nach Art. 7 Nr. 15 Abs. 5 der vierten Einführungsverordnung zum HGB (EVHGB) hat, wenn der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der Gesellschaftsschulden und der Kapitalanteile der Gesellschafter nicht ausreicht, der ausscheidende Gesellschafter den Teil des Fehlbetrages an die Gesellschaft zu zahlen, der nach dem Verhältnis seines Anteiles am Verlust auf ihn entfällt. Weist die Abschichtungsbilanz einen negativen Kapitalanteil zu Lasten des ausscheidenden Gesellschafters aus, so steht der Gesellschaft ein dem Abfindungsanspruch spiegelbildlicher Zahlungsanspruch in Höhe des negativen Kapitalkontos zu (vgl. Koppensteiner in Straube, HGB Art. 7 Nr. 15, 16, Rz 14; Hueck, Das Recht der OHG4 238, 456; Ulmer in Groß K HGB3, § 138, Rz 67; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 121). Die zitierte Vorschrift gilt außer im Falle des Ausscheidens kraft Vertrages auch bei Ausschließung eines Gesellschafters gemäß § 140 HGB und bei Abgabe einer Erklärung gemäß § 141 HGB. Auch im Liquidationsfall ist ein negativer Kapitalanteil vom Gesellschafter abzudecken (vgl. Kastner-Doralt-Novotny, Gesellschaftsrecht5 138;

Torggler-Kucsko in Straube aaO, § 154, Rz 4; Hueck aaO 520), dies ist gemäß § 142 Abs. 3 HGB auch bei der sogenannten Geschäftsübernahme der Fall.

Bei der Übertragung des Geschäftsanteiles von einem ausscheidenden auf einen eintretenden Gesellschafter, die bei entsprechender gesellschaftsvertraglicher Regelung oder bei ad hoc erteilter Zustimmung der anderen Gesellschafter möglich ist, ist Art. 7 Nr. 15 Abs. 5 EVHGB nicht unmittelbar anwendbar. Bei einer solchen Übertragung handelt es sich nach herrschender Ansicht um einen Fall der Einzelrechtsnachfolge (vgl. Koppensteiner in Straube, Art. 7 Nr. 9 bis 11, § 124, Rz 16; OGH GesRz. 1977, 97 mwN), wobei der Eintretende - unter anderem in Beziehung auf den Kapitalanteil - im Zweifel die gleiche Stellung erhält wie der Ausscheidende (Hueck aaO 398). Im Beschwerdefall ist überdies Vertragsinhalt, daß "die mit dem Besitz des Gesellschaftsanteiles verbundenen Lasten ... auf die Käufer übergehen" (Punkt V. des Vertrages).

Die Erwerber haben somit auch die aus dem negativen Kapitalanteil resultierenden Verpflichtungen der Veräußerer, die schon bei aufrechtem Bestand ihrer Gesellschafterstellung eine - wenn auch durch das Ausscheiden aus der Gesellschaft bedingte - Last in deren Vermögen bildeten, übernommen.

Bei der eingangs dargelegten Auffassung, wonach eine durch den Erwerber bewirkte Entlastung (= Vermehrung) des Vermögens des Veräußerers zum Entgelt zählt, ist bei der Ermittlung des Betrages der Gegenleistung für die Überlassung der Gesellschaftsanteile ein Vergleich des Vermögens des ausscheidenden Gesellschafters vorzunehmen, der einerseits die durch das vorliegende Rechtsgeschäft entstandene Vermögenslage und andererseits jene Vermögenslage einbezieht, die sich nach einem Ausscheiden eines Gesellschafters ohne Übertragung des Geschäftsanteiles auf einen Erwerber ergeben hätte. Im letztgenannten Fall wäre der Veräußerer, wie schon dargelegt wurde, verpflichtet gewesen, der Gesellschaft den Fehlbetrag in Höhe des negativen Kapitalkontos zu erstatten. Dies erweist, daß die Übernahme des negativen Kapitalkontos durch den Erwerber eine Entlastung des Vermögens des Veräußerers herbeiführte. Deren Wert ist daher dem festbetragsvereinbarten Entgelt hinzuzurechnen.

Die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor.

Die Beschwerde ist jedoch berechtigt, soweit sie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der dem negativen Kapitalanteil des Gesellschafters entsprechende Erstattungsanspruch der Gesellschaft gegenüber dem ausscheidenden Gesellschafter ist - ebenso wie ein allfälliges Abfindungsguthaben des Letzteren - auf der Grundlage einer sogenannten Abschichtungs(Auseinandersetzungs-)bilanz zu ermitteln, die grundsätzlich auf den für den Zeitpunkt des Ausscheidens maßgeblichen Stichtag zu erstellen ist. Diese Abschichtungsbilanz hat den in Art. 7 Nr. 15 Abs. 5 EVHGB bezogenen Wert des Gesellschaftsvermögens als Wert des lebenden Unternehmens zu ermitteln. Die Aktiva sind dabei (unter Auflösung stiller Reserven bzw. Rückführung von Überbewertungen) nicht mit den Buchwerten, sondern - ebenso wie die Schulden - mit ihrem wahren Wert einzusetzen; ein allfälliger Firmenwert ist zu aktivieren (vgl. hiezu z.B. Koppensteiner aaO, Rz 9 ff mwN; Ulmer aaO, Rz 61 ff; Kastner-Doralt-Novotny, aaO 130 f, Hueck aaO 452 ff; OGH EvBl. 1971/149).

Die Beschwerdeführerin hat bereits im Verwaltungsverfahren - insbesondere in ihrer Stellungnahme zum Vorhalt des Entwurfes der Berufungsentscheidung - unter anderem vorgebracht, es wäre zu prüfen, ob unter Aufdeckung stiller Reserven "überhaupt eine Gegenleistung anzunehmen" wäre. Es sei zu bedenken, daß die Abtretung der Geschäftsanteile nach Ausgleichserfüllung erfolgt sei. Es dürfe nicht von den fortgeführten Buchwerten ausgegangen werden. Mit diesen - im Hinblick darauf, daß der Abschichtungsbilanz, auf deren Grundlage der Erstattungsanspruch der Gesellschaft zu ermitteln ist, die wahren Werte sowohl des Vermögens als auch der Schulden zugrunde zu legen sind - nicht von vornherein unbeachtlichen Ausführungen hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht auseinandergesetzt. Diesem kann auch nicht entnommen werden, auf welcher Grundlage die belangte Behörde den Erstattungsanspruch der Gesellschaft (in Höhe der negativen Kapitalanteile) ermittelt hat. Der angefochtene Bescheid weist daher Begründungsmängel auf, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei einer Auseinandersetzung mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen der Beschwerdeführerin und entsprechenden Ermittlungen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990150097.X00

Im RIS seit

18.11.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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