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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der C in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 15. Mai 1986, Zl. LAS-487/8-85, betreffend Teilwaldrechte (mitbeteiligte Parteien: 1. W-Gesellschaft m.b.H. M; 2. T & Co, I; 3. X-Versicherungsanstalt, I; 4. H, M; 5. SC, M; 6. R, M;
7.
A, M; 8. J in M, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in M;
9.
G, M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.880,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 3. Juli 1985 entschied das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz über den Antrag des Achtmitbeteiligten und der Beschwerdeführerin auf Feststellung des Bestandes von Teilwaldrechten auf dem Grundstück 2850/1 EZ 874 KG M gemäß § 73 lit. e des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978, LGBl. Nr. 54 idF LGBl. Nr. 18/1984 (TFLG) dahin, daß an den Nutzungsteilen Nr. 153 R und Nr. 252 O das ausschließliche Holz- und Streunutzungsrecht dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 710 II (nunmehr: 10 I) KG M - damals die Erstmitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in der Folge alle Mitbeteiligten - zukomme.
Die Berufung der Beschwerdeführerin wies der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 1 AgrVG 1950) und § 54 Abs. 2 lit. b (richtig: § 54 Abs. 2) TFLG mit Erkenntnis vom 15. Mai 1986 ab.
Begründend führte die Rechtsmittelbehörde aus:
Es sei unbestritten, daß es sich bei den gegenständlichen Holzbezugsrechten 153 R und 252 O um ausschließlich Holz- und Streunutzungsrechte, die nach Größe und Form bestimmt seien und die sich auf im Eigentum einer Agrargemeinschaft stehende Waldgrundstücke erstreckten, also um Teilwälder im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. d TFLG handle. Da es bei diesen Teilwaldrechten um Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gehe, sei auch die Agrarbehörde zur Entscheidung über den Bestand zuständig. Gemäß § 54 Abs. 2 lit. b (richtig § 54 Abs. 2) TFLG sei bei Teilwäldern in Ermangelung von Urkunden nach dem letzten ruhigen Besitzstand vorzugehen. Wie das ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben habe, seien die strittigen Teilwaldrechte nach dem Teilwaldprotokoll von M zunächst mit den Bpn. 80 und 14 verbunden gewesen. Auch aus dem Grundbuchsanlegungsprotokoll des Grundbuches von M aus dem Jahre 1906 sei für die gegenständlichen Teilwaldrechte nichts zu gewinnen. Die Bp. 14, Bauarea, Wirtschaftsgebäude, Hofraum P 6, sei in der Grundbuchseinlage 1258 II KG M, die Bp. 80 Bauarea, Wohnhaus, S 27 (S-Haus), in der EZl. 710 II KG M vorgetragen gewesen. Beide Liegenschaften seien im Eigentum des Roman S gestanden. Erst im Jahre 1918 bzw. 1921 seien die Bpn. 14 und 80 auf verschiedene Eigentümer übergegangen. Die Liegenschaft 1258 II mit der Bp. 14 sei mit Kaufvertrag vom 14. August 1918 an den Landeskulturrat für Tirol übereignet worden, während die Liegenschaft in EZl. 710 II KG M mit der Bp. 80 auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 15. März 1921 in das Eigentum der Frieda, Lina und Julie S gelangt sei. Obwohl sich in diesem Kaufvertrag erwähnt finde, daß die Liegenschaft 1258 II mit den dazugehörigen Waldteilen verkauft werde, sei nicht ersichtlich, um welche Waldteile es dabei gehe. Aus den Aufzeichnungen des Grundbuches des Bezirksgerichtes M sei über das rechtliche Schicksal der vorgenannten Teilwälder nichts zu entnehmen. Die einzigen Urkunden, die über diese Teilwälder eine Aussage träfen, seien die im Jahre 1915, also kurz nach der Grundbuchsanlegung, von einem Waldaufseher als Bestandteil des Teilwaldbuches angelegten Waldkarten. Nach diesen Waldkarten gehörten sowohl der Teilwald R, Teil Nr. 153, als auch der Teilwald 252, O, zum S-Haus, also zur Bp. 80, welche in EZl. 710 II KG M vorgetragen sei. Diese Waldkarten seien nach Ansicht des Landesagrarsenates sohin der einzige urkundliche Nachweis über den Bestand der gegenständlichen Teilwaldrechte. Wenn auch die Zeugin Margarethe S. angegeben habe, daß ihrem Wissen nach immer für das Hotel Post, zu welchem heute auch die Bp. 14 (ehemaliges Wirtschaftsgebäude) gehöre, aus dem Waldteil R Holz bezogen worden sei, komme dieser Zeugenaussage nach Ansicht des Landesagrarsenates doch nicht die Bestimmtheit zu, die ausreichen würde, den strittigen Teilwald R Nr. 153 der Bp. 14 zuzusprechen, und zwar aus folgender Überlegung: Unter "R" sei eine bestimmte Örtlichkeit zu verstehen. In dieser befänden sich mehrere Teilwälder, unter anderem auch der Teilwald Nr. 149, der ohnedies im Besitz der Beschwerdeführerin stehe. Wenn die Zeugin nunmehr angebe, daß ihrem Wissen nach für das Hotel Post in M, zu welchem auch die ehemals teilwaldberechtigte Bp. 14 gehöre, aus dem Teilwald "R" Brennholz bezogen worden sei, könne dies ohne weiteres zutreffen. Das bedeute aber noch nicht, daß diese Holznutzung ausgerechnet aus dem Teilwald Nr. 153, der ebenfalls im "R" liege, erfolgt sei. Die Nutzung könne ohne weiters auch aus dem ohnedies bereits der Beschwerdeführerin zukommenden Teilwald R Nr. 149 erfolgt sein. Im übrigen hätten auch die Besitzer des S-Hauses Bp. 80 in den letzten 20 Jahren in den strittigen Waldteilen insofern Holznutzungen getätigt, als sie zweimal Windwürfe aufgearbeitet hätten. Schon daraus ergebe sich, daß sich der letzte ruhige Besitzstand hinsichtlich der Holznutzungen an den strittigen Teilwaldrechten nicht mit Sicherheit feststellen lasse, sodaß einzige Grundlage für die Beurteilung des Bestehens der genannten Teilwaldrechte die Waldkarten aus dem Jahr 1915 seien. Diesen zufolge stünden die Teilwaldrechte R (Teilwald Nr. 153) und O (Teilwald Nr. 252) dem "S-Haus", also der Bp. 80 KG M zu. Die Agrarbehörde erster Instanz habe daher richtig entschieden.
Das Rechtsmittelerkenntnis bekämpfte die Beschwerdeführerin zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 27. September 1986, B 705/86, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Vor diesem Gerichtshof macht die Beschwerdeführerin inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, wobei sie sich als Eigentümerin der Bp. 14 KG M in ihrem Holz- und Streunutzungsrecht auf den zuvor bezeichneten Waldteilen Nr. 153 und 252 verletzt erachtet.
Die belangte Behörde sowie der Achtmitbeteiligte erstatteten Gegenschriften, in denen die Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 Abs. 2 lit. d TFLG gehören zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken (auch) Waldgrundstücke, die im Eigentum einer Gemeinde oder einer Mehrheit von Berechtigten (Agrargemeinschaft) stehen und auf denen Teilwaldrechte (Abs. 3) bestehen (Teilwälder).
Gemäß § 33 Abs. 3 TFLG sind Teilwaldrechte Holz- und Streunutzungsrechte, die auf Grund öffentlicher Urkunden oder auf Grund örtlicher Übung zugunsten bestimmter Liegenschaften oder bestimmter Personen auf nach Größe, Form und Lage bestimmten oder bestimmbaren Teilflächen von Waldgrundstücken bestehen; sie gelten als Anteilsrechte im Sinne des TFLG.
Gemäß § 54 Abs. 2 TFLG ist bei Teilwaldrechten, wenn ein Übereinkommen nicht erzielt wird, in Ermangelung eines urkundlichen Nachweises über ihren Bestand oder Umfang insoweit vom letzten ruhigen Besitzstand auszugehen.
Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall zur in Rede stehenden Feststellung einen urkundlichen Nachweis - zugleich den einzigen, der vorliegt - in Form von von einem Waldaufseher im Jahr 1915 angelegten Waldkarten herangezogen, aus denen sich ergibt, daß die fraglichen Teilwälder zum "S-Haus" gehörten. Diese Waldkarten allein reichten indes für einen "urkundlichen Nachweis" nicht aus. Die belangte Behörde ist nämlich davon ausgegangen, daß die strittigen Teilwaldrechte zunächst mit beiden, zu zwei verschiedenen Liegenschaften gehörenden Bauparzellen gleichzeitig verbunden waren, beide Liegenschaften im Eigentum eines Roman "S" standen und diese je mit den beiden Bauparzellen erst im Jahr 1918 bzw. 1921 auf verschiedene Eigentümer übergingen. Da die Waldkarten ferner keine näheren Charakteristiken oder Hinweise, insbesondere auf grundbuchsrechtliche Daten enthalten, und auch dem Grundbuchanlegungsprotokoll, wie im angefochtenen Erkenntnis festgehalten, keine die Teilwaldrechte betreffenden Hinweise zu entnehmen sind - nach Lage der Verwaltungsakten wurden solche dort nicht erwähnt -, kann die nicht näher differenzierte Kennzeichnung "S-Haus" nicht wie geschehen ohne weiteres von der erst Jahre später erfolgten Trennung der beiden berechtigten, damals noch in der Hand desselben Eigentümers "S" vereinigten Bauparzellen her rückinterpretiert und allein auf eine der beiden Bauparzellen bezogen werden (vgl. dazu auch die Feststellung des Leiters der am 3. Dezember 1985 durchgeführten Verhandlung, die BP. 80 stelle "heute" das sogenannte "S"-HAUS dar). Im übrigen finden sich in jener Waldkarte durchaus bei anderen Berechtigten nähere Bestimmungen, die auch im Beschwerdefall Zweifel beseitigen und so einen "Nachweis" im Sinne des Gesetzes (§ 54 Abs. 2 TFLG) hätten bilden können.
Wenn es daher nicht gelingt, doch noch ein Übereinkommen zu erzielen, oder aus der angegebenen Kurzbezeichnung "S-Haus" aufgrund anderer bisher nicht bekannter (oder verwerteter) Anhaltspunkte neue Schlüsse zu ziehen oder sonst einen urkundlichen Nachweis zu finden, wird, wenn auch noch die im angefochtenen Erkenntnis (und in der Gegenschrift) geäußerte Ansicht der belangten Behörde zutrifft, es könnte auch der letzte ruhige Besitzstand nicht mit Sicherheit festgestellt werden, wohl eine Regulierung (aufgrund des § 62 Abs. 3 lit. b mit der Konsequenz des § 64 Z. 5 TFLG) erforderlich werden.
Das angefochtene Erkenntnis war jedenfalls nach dem oben Ausgeführten zufolge unschlüssiger Beweiswürdigung, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen (von Amts wegen wahrzunehmender) Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG im Rahmen des in bezug auf einen Kostenersatz für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gestellten Antrages.
Schlagworte
Beweismittel UrkundenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1988070080.X00Im RIS seit
19.11.1991