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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung / VerletzungLeitsatz
Aufhebung der Tarifpost 80 der Anlage 1 zu §1 Abs1 der Tir. Landes-VerwaltungsabgabenV 1985; Vorschreibung einer höheren Abgabe - bei gleichem Privatinteresse - für jene Amtshandlung, die mit deutlich niedrigerem Behördenaufwand verbunden ist, sachlich nicht gerechtfertigtSpruch
Die Tarifpost 80 der Anlage zu §1 Abs1 der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985, LGBl. für Tirol Nr. 25, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. August 1989 in Kraft.
Die Tiroler Landesregierung ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B784/87 und B831/88 zwei Beschwerden gemäß Art144 Abs1 B-VG anhängig, die sich gegen Bescheide der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung richten, mit denen jeweils für die Ausstellung einer Bestätigung nach §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. 69, eine Verwaltungsabgabe gemäß Abschnitt X, Tarifpost 80, des besonderen Teiles der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985, LGBl. 25, vorgeschrieben wurde.
2. Aus Anlaß beider Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Tarifpost 80 der Anlage zu §1 Abs1 der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985 gemäß Art139 Abs1 B-VG eingeleitet.
Der Verfassungsgerichtshof hegte das Bedenken, daß die in der genannten Rechtsvorschrift festgelegte Verwaltungsabgabe für die Erteilung der Bestätigung nach §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 in der Höhe von S 80.- sachlich nicht gerechtfertigt sei und daher dem Gleichheitssatz widerspreche. Der Gerichtshof ging davon aus, daß sich die Negativ-Bestätigung gemäß §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 und die (Negativ-)Entscheidung gemäß §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 hinsichtlich der damit verbundenen Verwaltungsabgabepflichten auf Grund ihrer "wirtschaftlichen Gleichartigkeit und rechtlichen Affinität" (vgl. VfSlg. 8806/1980) einen Vergleich gefallen lassen müßten. Er vermochte keinen sachlichen Grund dafür zu finden, daß für die Negativ-Bestätigung nach §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983, die sich im Hinblick auf ihre gesetzlichen Voraussetzungen als bloßer Formalakt darstelle und mit relativ geringfügigen Verwaltungsunkosten verbunden sei, eine höhere Verwaltungsabgabe festgelegt worden sei als für die - inhaltlich möglicherweise gleichlautende - Entscheidung der Grundverkehrsbehörde als Kollegialorgan, die erst nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zur Ausräumung bestehender Zweifel an der Nutzung des Grundstücks ergehen könne und somit mit erheblich größerem Verwaltungsaufwand verbunden sei.
3. Die Tiroler Landesregierung vertritt in ihren Äußerungen die Auffassung, daß es sich sowohl bei der Erteilung der Bestätigung nach §2 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 durch den Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde als auch bei der Entscheidung der Grundverkehrsbehörde nach §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 um Amtshandlungen handle, die wesentlich im Privatinteresse der Parteien im Sinne des §1 Abs1 des Tiroler Verwaltungsabgabengesetzes, LGBl. 24/1968 idF LGBl. 14/1975, liegen würden. Für beide Amtshandlungen ergebe sich daher eine gesetzliche Abgabepflicht.
Für die (Negativ-)Entscheidung der Grundverkehrsbehörde nach §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 gelange mangels einer Tarifpost im besonderen Teil der Anlage der allgemeine Teil des Tarifes in Verbindung mit §1 Abs2 der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985 zur Anwendung, sodaß hiefür nach Tarifpost 2 eine Abgabe im Ausmaß von S 60.- zu entrichten sei. Zur Abgabepflicht nach Tarifpost 2 trete noch eine Abgabepflicht nach Tarifpost 3 für die Erteilung einer Rechtskraftbescheinigung in Höhe von S 20.-, sodaß im Ergebnis für eine (Negativ-)Entscheidung der Grundverkehrsbehörde als Kollegialorgan nach §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 eine Abgabenschuld von insgesamt S 80.- entstehe.
Für die Erteilung der Bestätigung durch den Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde nach §2 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 sei im besonderen Teil der Anlage durch die Tarifpost 80 ebenfalls eine Abgabepflicht in der Höhe von S 80.- festgelegt. Damit werde nicht nur der allgemeine Aufwand betreffend die Erteilung der sogenannten Negativ-Bestätigung, sondern auch jener für die Erteilung der diesbezüglichen Rechtskraftbescheinigung pauschal abgegolten.
Da sohin für die (Negativ-)Entscheidung nach §2 Abs1 und für die Negativ-Bestätigung nach §2 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 Verwaltungsabgaben in gleicher Höhe zu entrichten seien, widerspreche die in der Tarifpost 80 der Anlage zu §1 Abs1 der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985 festgelegte Verwaltungsabgabe dem Gleichheitsgrundsatz nicht. Die Tiroler Landesregierung stellt somit den Antrag, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als gesetzwidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Tiroler Landesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung eine Frist von einem Jahr zu bestimmen,
"damit die entsprechenden Vorkehrungen für die Schaffung einer einwandfreien rechtlichen Grundlage für die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe für Bestätigungen nach §2 Abs2 des Grundverkehrsgesetzes 1983 getroffen werden können."
II. 1. Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist nichts hervorgekommen, was Zweifel an der Zulässigkeit der vorliegenden, zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung miteinander verbundenen Verordnungsprüfungsverfahren begründen könnte. Insbesondere hat der Gerichtshof die Tarifpost 80 der Anlage zu §1 Abs1 der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985, LGBl. 25, in den eingangs zitierten Beschwerdefällen anzuwenden.
2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind gerechtfertigt.
Gemäß §1 Abs1 Tiroler Verwaltungsabgabengesetz, LGBl. 24/1968 idF LGBl. 14/1975, haben die Parteien in den Angelegenheiten der Landesverwaltung für die Verleihung von Berechtigungen oder für sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Verwaltungsabgaben zu entrichten. Das Ausmaß der Verwaltungsabgaben, sohin die Tarife, hat die Landesregierung gemäß §2 des Gesetzes "nach festen Sätzen, die nach objektiven Merkmalen abgestuft sein müssen, durch Verordnung festzusetzen." Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß eine dem Gleichheitssatz entsprechende, sohin verfassungskonforme Auslegung dieser landesgesetzlichen Bestimmungen erfordert, daß das durch Verordnung festgesetzte Ausmaß der Verwaltungsabgaben in ihrem Verhältnis zueinander sachlich gerechtfertigt ist. Sachliche Gründe für die unterschiedliche Bemessung der Verwaltungsabgaben bilden dabei zweifelsohne das an der Amtshandlung bestehende Privatinteresse, nicht minder aber auch, - da es sich um Abgaben für Amtshandlungen von Verwaltungsbehörden handelt - , der mit der Amtshandlung verbundene Behördenaufwand.
Der bereits in VfSlg. 8806/1980 unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes "für notwendig und zulässig" befundene Vergleich von Abgabensätzen wegen "wirtschaftlicher Gleichartigkeit und rechtlicher Affinität" zeigt für die Negativ-Bestätigung gemäß §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 und für die (Negativ-)Entscheidung gemäß §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 folgendes Bild: Während die Negativ-Bestätigung nach §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 eine Routineentscheidung des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde bei zweifelsfreier Sach- und Rechtslage darstellt, die, wie die Materialien zeigen (Beilage 4 zu den Stenographischen Berichten des Tiroler Landtages, IX. Gesetzgebungsperiode, 23. Tagung, 2. Sitzung vom 6. Juli 1983, S. 4), der Verfahrensbeschleunigung dient, erfolgt die - nach Meinung der Tiroler Landesregierung - "nur noch in Ausnahmefällen" vorkommende (Negativ-)Entscheidung der kollegialen Grundverkehrsbehörde gemäß §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zur Ausräumung bestehender Zweifel an der Nutzung eines Grundstücks. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß die Entscheidung nach §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 mit erheblich größerem Verwaltungsaufwand verbunden ist als die Ausstellung der Negativ-Bestätigung gemäß §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983.
Die für die Negativ-Bestätigung gemäß §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 zu entrichtende Verwaltungsabgabe beträgt gemäß Tarifpost 80 der Anlage zu §1 Abs1 der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985 S 80.-. Mangels einer Tarifpost im besonderen Teil der Anlage zu §1 Abs1 Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985 beträgt die Verwaltungsabgabe für die Entscheidung der Grundverkehrsbehörde gemäß §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 gemäß Tarifpost 2 ("Sonstige Bescheide oder Amtshandlungen, die wesentlich im Privatinteresse der Partei liegen") S 60.-.
Die Argumentation der Tiroler Landesregierung, derzufolge zur Verwaltungsabgabe für Entscheidungen nach §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 noch die Verwaltungsabgabe nach Tarifpost 3 für die notwendige Rechtskraftbescheinigung in der Höhe von S 20.- tritt, während bei Negativ-Bestätigungen nach §2 Abs2 leg.cit. die Verwaltungsabgabe nach Tarifpost 80 eine gesonderte Verwaltungsabgabe für die Rechtskraftbescheinigung entfallen lasse, vermag nicht zu überzeugen. Wie nämlich der Vergleich mit der Tarifpost 81 ("Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nach §3 Abs1 (einschl. Rechtskraftbestätigung)") beweist, schließt die Verwaltungsabgabe nach Tarifpost 80 für die Erteilung der Bestätigung nach §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 die Verwaltungsabgabe für eine etwaige Rechtskraftbescheinigung nicht ein. Zu vergleichen sind daher die Verwaltungsabgabe in der Höhe von S 60.- für die kollegiale, nach Durchführung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens ergehende (Negativ-)Entscheidung gemäß §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 mit der Verwaltungsabgabe von S 80.- für die routinemäßig ausgestellte Negativ-Bestätigung gemäß §2 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983.
Es widerspricht aber dem Gleichheitssatz, wenn bei gleichem Privatinteresse an bestimmten Amtshandlungen der Verordnungsgeber für jene Amtshandlung eine höhere Abgabe verlangt, die mit einem deutlich niedrigeren Behördenaufwand verbunden ist. Angesichts dieser Verfassungslage ist die Geringfügigkeit des Unterschiedsbetrages zwischen der Tarifpost 80 und der Tarifpost 2 ohne Belang. Die Tarifpost 80 der Anlage zu §1 Abs1 der Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1985 war sohin wegen ihres, dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz widersprechenden Inhalts als gesetzwidrig gemäß Art139 Abs1 B-VG aufzuheben.
III. Die sonstigen Aussprüche stützen sich auf Art139 Abs5 B-VG. Da nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes keine gesetzlichen Vorkehrungen erforderlich sind, genügt es im Sinne dieser Verfassungsvorschrift, die Frist für das Außerkrafttreten mit 31. August 1989 festzusetzen.
Diese Entscheidung konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Verwaltungsabgaben, Grundverkehrsrecht / Verwaltungsabgaben, Gleichheitsrecht / VerordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:V150.1988Dokumentnummer
JFT_10109691_88V00150_00