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80/02 Forstrecht;Norm
ForstG 1975 §17;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des Josef S in F, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Dezember 1988, Zl. 12.325/02-IC8/88, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte in seiner Eingabe vom 5. November 1986 an die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung einen Antrag auf Erteilung einer Rodungsbewilligung hinsichtlich des Grundstückes Nr. 60/9 EZ. 84 KG O mit einer Gesamtfläche im Ausmaß von 2913 m2. Er begründete sein Ansuchen damit, daß das gegenständliche Grundstück im Flächenwidmungsplan als erweitertes Wohnbaugebiet ausgewiesen sei und er auf dieser Liegenschaft auch tatsächlich zwei Wohnhäuser zur Deckung des eigenen Wohnbedarfes und des Wohnbedarfes eines weiteren Interessenten nützen wolle. Es überwiege somit das im Siedlungswesen begründete Interesse jenes an der Erhaltung der Fläche als Wald.
Mit Bescheid vom 27. Jänner 1988 gab die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung dem Ansuchen des Beschwerdeführers gemäß § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 (im folgenden: FG), nicht statt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und schränkte im Zuge des Berufungsverfahrens seinen Antrag auf Rodungsbewilligung auf eine Teilfläche von ca. 450 m2 des Grundstückes Nr. 60/90 KG O ein.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1988 wies der Landeshauptmann von Salzburg die Berufung als unbegründet ab.
Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §§ 17 ff FG, in der Fassung BGBl. Nr. 576/1987, abgewiesen. Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, daß selbst dann, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung einer Fläche denn als Wald, z.B. als Bauland, bestünde, im Rahmen der durch das Gesetz vorgeschriebenen Interessenabwägung zu untersuchen sei, ob es sich dabei um ein das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse handle. In diesem Zusammenhang sei die Behörde - auch unabhängig von der allfälligen Flächenwidmung - aus eigenem berechtigt, zu beurteilen, ob ein bestimmtes Vorhaben, für das die Rodung beantragt werde, nicht auf eine andere Weise, nämlich ohne Inanspruchnahme von Waldflächen, verwirklicht werden könne.
Im gegenständlichen Fall sei zwar das öffentliche Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche denn als Wald durch Ausweis im Flächenwidmungsplan als "Bauland" dokumentiert, doch ergebe die Interessenabwägung, daß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung höher zu beurteilen sei als das öffentliche Interesse an der Verwendung der gegenständlichen Grundfläche als Bauland. Dem Rodungsvorhaben stünden zunächst forstfachliche Bedenken insofern entgegen, als sich die Rodungsfläche auf einem relativ steilen nach Norden geneigten Hang unmittelbar nördlich eines geschlossenen Waldkomplexes befinde. Die Rodungsfläche werde im Osten ebenfalls von Wald begrenzt. Der Bauplatz wäre daher nur in Richtung Norden und Westen offen und würde einen keilartigen Einsprung in die ansonsten relativ geradlinig verlaufende Waldgrenze darstellen. Diese Tatsache bringe - was vom forsttechnischen Amtssachverständigen schlüssig dargelegt worden sei - mit sich, daß das Baugrundstück vom angrenzenden Wald relativ stark beschattet werde, und eine Bebauung dieser Fläche zu in derartigen Situationen auftretenden Problemen wie Beschattung oder Überhang von Baumkronen führe, die sich bei einer innigen Verflechtung von Bauland und Wald ergeben. Zwar wiesen die Erholungs- und die Wohlfahrtsfunktion nur eine geringe Wertigkeit auf, allerdings werde die Schutzfunktion auf Grund der geologischen Verhältnisse als überdurchschnittlich hoch beurteilt. So bringe eine Gefahr der Hangrutschung, die sich durch Entfernung des Bewuchses erhöhe, nicht nur Gefährdungen der Rodungsfläche selbst, sondern auch der ober- und unterhalb liegenden Grundstücke mit sich. Diese erhöhte Schutzfunktion könnte allerdings durch umfassende geologische Maßnahmen wie Entwässerung durch Rinndrainage, Errichtung von Stützmauern und Krainerwänden und sonstige vorsorgliche Maßnahmen gegen Versickerung von Oberflächen- und Abwässern kompensiert werden. Aus forstfachlicher Sicht gehe die Behörde daher davon aus, daß keine Beeinträchtigungen der Funktionen des Waldes eintreten, die eine Versagung der Rodungsbewilligung zwingend nach sich zögen. Trotzdem könne jedoch davon ausgegangen werden, daß das Rodungsvorhaben auch aus forstfachlicher Sicht negative Auswirkungen mit sich bringe. Die Bedeutung des Einschnittes in einen geschlossenen Waldkomplex werde durch die Stellungnahme des Sachverständigen für Naturschutz unterstrichen, der festgestellt habe, daß eine Rodung und Bebauung auf Grund der erhöhten Hanglage eine weithin sichtbare Beeinträchtigung des Landschaftsbildes darstelle.
Nicht zuletzt sei für die Versagung der Rodungsbewilligung von ausschlaggebender Bedeutung, daß im Gemeindegebiet St. Gilgen für die Schaffung von Bauland ausreichend Baulandreserven vorhanden seien, wobei dem Beschwerdeführer eine geeignete Grundfläche in unmittelbarer Nähe der Rodungsfläche zur Verfügung stehe. Soweit der Beschwerdeführer in einem solchen Hinweis einen Eingriff in seine Eigentumsrechte zu erkennen vermeine, sei dem entgegenzuhalten, daß es sich dabei um eine bloße Feststellung handle, aber selbstverständlich der Entscheidung des Beschwerdeführers obliege, ob er Vorstellungen über die Wohnraumbeschaffung gerade auf diesem Grundstück oder auf einer anderen geeigneten Grundfläche verwirklichen wolle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 FG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Die Forstbehörde kann aber gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt. Nach Abs. 3 können öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet sein. Gemäß § 17 Abs. 4 FG hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; ferner sind unter diesen Voraussetzungen die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.
Die belangte Behörde selbst ging vom Vorliegen eines öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche denn als Wald durch Ausweis der gegenständlichen Fläche im Flächenwidmungsplan als "Bauland" aus.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 26. Jänner 1982, Zl. 81/07/0190, und vom 11. Oktober 1983, Zl. 83/07/0085) liegt ein im Siedlungswesen begründetes öffentliches Interesse jedenfalls dann vor, wenn Grundflächen der Verwirklichung eines nach dem Flächenwidmungsplan zulässigen Bauvorhabens dienen sollen. Dieser Umstand vermag aber noch nicht das Überwiegen dieses öffentlichen Interesses gegenüber jenem an der Walderhaltung zu begründen. Selbst wenn nämlich die Rodungsfläche in einem bereits bestehenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauland (hier: erweitertes Bauland) ausgewiesen ist, bedeutet dies noch nicht, daß eine Verwirklichung dieser anderen Widmung entgegen dem Grundsatz der Walderhaltung auf jeden Fall zulässig wäre; es hat vielmehr allein die Forstbehörde festzustellen, ob die erforderliche Rodungsbewilligung auf Grund der forstrechtlichen Bestimmungen als im öffentlichen Interesse gelegen zu erteilen ist. Die Verwirklichung der von der Gemeinde vorgesehenen anderen Verwendung einer Waldfläche ist in jedem Fall von der auf einer dem Gesetz entsprechenden Interessenabwägung beruhenden Entscheidung der Forstbehörde abhängig (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1983, Zl. 82/07/0248, und vom 11. Oktober 1983, Zl. 83/07/0055).
Eine der nachprüfenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugängliche Interessenabwägung in diesem Sinn fehlt aber im Beschwerdefall. Dazu wäre nämlich die Feststellung der - nach der Aktenlage nicht bekannten - Tatsachen erforderlich gewesen, die zur Festlegung der Baulandwidmung geführt haben (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1988, Zl. 87/10/0080). Es wird auch zu untersuchen sein, ob die Aussage des Sachverständigen für Raumplanung in der Verhandlung vom 18. Februar 1987, daß bei der Erstellung des damals gültigen Flächenwidmungsplanes das gegenständliche Grundstück "offensichtlich nicht Wald im Sinne der damals forstrechtlichen Bestimmungen" gewesen sei, sodaß bei der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Flächenwidmungsplanes seitens der Landesforstdirektion kein fachlicher Einwand erhoben worden sei, zutreffend gewesen ist. Dies wäre umsomehr geboten gewesen, als die belangte Behörde als eines der wesentlichen Argumente für das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Walderhaltung die erhöhte Schutzfunktion angeführt, gleichzeitig aber festgestellt hat, daß diese durch umfassende geologische Maßnahmen kompensiert werden könne.
Schon deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet und ist aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989100037.X00Im RIS seit
25.11.1991