TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/25 90/19/0569

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Veröffentlicht am 25.11.1991
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;

Norm

FrPolG 1954 §2 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
PaßG 1969 §25 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs2;
Sichtvermerkszwang Aufhebung Türkei 1955;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des NN in N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 2. Oktober 1990, Zl. III 91/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 2. Oktober 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6, Abs. 3 und § 4 Fremdenpolizeigesetz ein mit zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 1. Februar 1989 ohne Sichtvermerk nach Österreich eingereist und in der Folge in Salzburg polizeilich gemeldet gewesen. Am 1. März 1989 habe er bei der Bundespolizeidirektion Salzburg die Ausstellung eines Sichtvermerkes beantragt. Bei seiner am 2. März 1989 durchgeführten Vernehmung habe er als Zweck der Einreise nach Österreich bzw. des Aufenthaltes in Österreich die Erlernung der deutschen Sprache angegeben. Er sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß es ihm nicht gestattet sei, eine Beschäftigung aufzunehmen. Als Beweis für den Zweck des Aufenthaltes habe er eine Bestätigung der Volkshochschule Salzburg vorgelegt, wonach er einen vom 7. Februar bis 6. Juni 1989 dauernden Deutschkurs belegt und bezahlt habe. Die Bundespolizeidirektion Salzburg habe dem Beschwerdeführer am 9. Mai 1989 einen bis 9. November 1989 geltenden Sichtvermerk erteilt. Der Beschwerdeführer sei hierauf nach Innsbruck verzogen, wo er am 29. Mai 1989 polizeilich angemeldet worden sei. Vom 1. bis 25. Juli 1989 sei er bei einem Gastgewerbebetrieb beschäftigt und in der Folge offensichtlich auf Arbeitssuche gewesen. Am 15. Februar 1990 habe er durch seinen Rechtsanwalt bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck einen Sichtvermerk beantragt und bekanntgegeben, daß er seit 14. Februar 1990 in einem näher bezeichneten Hotel als Hilfskraft beschäftigt sei. Seit 2. Juli 1990 arbeite er bei einem anderen Gastgewerbebetrieb. Der Beschwerdeführer habe den Deutschkurs nur vorgeschützt, um eine über die drei Monate des österreichisch-türkischen Sichtvermerksabkommens hinausreichende Aufenthaltsberechtigung zu bekommen und um damit beim Arbeitsamt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu erreichen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz seien erfüllt. Das Aufenthaltsverbot stelle zwar einen Eingriff in das Leben des Beschwerdeführers dar, doch sei den hier maßgebenden öffentlichen Interessen wesentliches größeres Gewicht beizumessen als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich, insbesondere wenn man berücksichtige, daß einerseits dem Beschwerdeführer schon am 2. März 1989 "strenge" fremdenpolizeiliche Maßnahmen in Aussicht gestellt worden seien, falls er in Österreich eine Beschäftigung aufnehme, und andererseits der Beschwerdeführer keine eigene Familie in Österreich habe. Dazu komme, daß es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Hilfsarbeiter bzw. Küchenhilfe in einem Gasthaus nicht um eine derart qualifizierte Arbeitsleistung handle, die nur in Österreich ausgeübt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz haben folgenden Wortlaut:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

              2.              Der Beschwerdeführer behauptet, er habe "dann zu einem strittigen Zeitpunkt noch dazu den bedingten Vorsatz gehabt, eine Arbeit aufnehmen zu wollen, wenn ihm eine Arbeitsbewilligung durch das Arbeitsamt erteilt wird". Daß der Beschwerdeführer diesen bedingten Vorsatz der Behörde gegenüber nicht geäußert habe, sei unerheblich, weil sich weder aus den §§ 23 ff Paßgesetz 1969 noch aus § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz eine inhaltliche Beschränkung des Aufenthaltsrechtes ableiten lasse.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß in der Absicht, sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz zu verschaffen, gemachte unrichtige Angaben über den Zweck des Aufenthaltes gemäß § 3 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. als bestimmte Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 leg. cit. zu gelten haben. Insoweit sind also entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im Verfahren betreffend Erteilung eines Sichtvermerkes gemachte unrichtige Angaben über den Zweck des Aufenthaltes - dazu zählt auch das Verschweigen des wahren Zweckes des Aufenthaltes - für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Bedeutung.

Die belangte Behörde hat als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer von vornherein die Absicht gehabt habe, in Österreich zu bleiben, um hier zu arbeiten. Die diesbezüglichen Überlegungen der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung stehen weder mit den Denkgesetzen noch mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch und können daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht als unschlüssig erkannt werden (vgl. die Ausführungen zur Überprüfung der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerde enthält zudem keine Ausführungen, mit denen die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft wird.

Dem Paßgesetz 1969 ist die Erteilung eines auf bestimmte einzelne Zwecke eingeschränkten Sichtvermerkes fremd (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0336). Der in der Niederschrift vom 2. März 1989 enthaltenen Belehrung, daß keine Beschäftigung aufgenommen werden dürfe, kommt bei der Frage, ob der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz erfüllt hat - allein darauf wurde das angefochtene Aufenthaltsverbot gestützt -, keine Bedeutung zu.

              3.              Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der Vornahme der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Die belangte Behörde hat den hier maßgebenden öffentlichen Interessen mit Recht wesentlich größeres Gewicht beigemessen als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich war zu kurz, um zu seinen Gunsten ins Gewicht zu fallen. Intensive familiäre Bindungen an Österreich sind im Hinblick darauf, daß der im Jahre 1953 geborene Beschwerdeführer nach der Aktenlage bis zu seiner Einreise nach Österreich in der Türkei gelebt hat, nicht anzunehmen, auch wenn eine Schwester in Innsbruck lebt. Die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens fällt ebenfalls nicht ins Gewicht, weil die vom Beschwerdeführer in Österreich ausgeübte Tätigkeit als Hilfsarbeiter bzw. Küchenhilfe in einem Gasthaus auch in anderen Ländern verrichtet werden kann.

Soweit der Beschwerdeführer die Berücksichtigung öffentlicher Interessen zu seinen Gunsten bei der im § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgesehenen Interessenabwägung vermißt, weil er Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung sei, so kam dies - unabhängig von der Frage, ob ein solches öffentliches Interesse dadurch überhaupt dokumentiert werden könnte - von vornherein nicht in Betracht, weil im § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz allein die Abwägung der im § 3 Abs. 1 leg. cit. angeführten öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Betroffenen normiert ist. Die Berücksichtigung öffentlicher Interessen kommt daher im Rahmen des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz immer nur zu Ungunsten des Betroffenen in Betracht.

              4.              Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190569.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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