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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ArbIG 1974 §9 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Mai 1991, Zl. MA 63-L 29/90/Str, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 15. Mai 1991 wurde gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG von der Fortführung des Strafverfahrens gegen H als Arbeitgeber wegen Beschäftigung von Arbeitnehmern während der Wochenendruhe am 26.11.1988 abgesehen und die Einstellung des Verfahrens verfügt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe aufgrund der unwiderlegten Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates fest, daß die im erstinstanzlichen Bescheid genannten Arbeitnehmerinnen im dort angeführten Betrieb am Samstag, dem 26.11.1988, nachmittags beschäftigt worden seien, obwohl dieser Betrieb auch am Samstag, dem 5. November 1988, nachmittags offengehalten worden wäre. Ferner heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides:
"Nach dem glaubhaften Vorbringen des Beschuldigten haben die Arbeitnehmer am 26. November 1988 im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitsruhegesetzes Arbeitszeit eingearbeitet, die innerhalb der siebenwöchigen Frist des § 4 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes in Verbindung mit Feiertagen ausgefallen ist. Nach den unbedenklichen Aussagen der Zeugen Dr. R (Leiter des rechts- und gewerbepolitischen Referates der Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien) und Mag. E (Leiter des sozialpolitischen Referates der Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien) war nach Auffassung der genannten Kammer ein solches Einarbeiten auch dann zulässig, wenn der Betrieb am 5. November 1988 nachmittags offengehalten worden war, sodaß die Wochenendruhe der Arbeitnehmer am 26. November 1988 gemäß § 3 Abs. 4 des Arbeitsruhegesetzes bis spätestens 18 Uhr aufgeschoben werden konnte. Diese Rechtsmeinung wurde nach Aussage der Zeugen schon vor diesem Zeitpunkt einer nicht mehr feststellbaren großen Zahl von Kammermitgliedern telefonisch mitgeteilt und auch in Medien verbreitet. Es ist deshalb davon auszugehen, daß diese Meinung unter den Kammermitgliedern allgemein verbreitet war. Da der Beschuldigte auf die Richtigkeit der von der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung geäußerten Rechtsmeinung vertrauen durfte, erscheint es im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 516/1987 glaubhaft, daß ihn selbst dann, wenn diese Meinung unrichtig war, an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die Einstellung des Verfahrens war daher ohne weitere Prüfung der Rechtslage zu bestätigen."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 gestützte, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift mit dem Begehren auf Abweisung der Beschwerde eingebracht.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung davon aus, daß die mitbeteiligte Partei (mP) auf die Richtigkeit der von Organen ihrer gesetzlichen Interessenvertretung geäußerten Rechtsmeinung über die Zulässigkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern gemäß § 4 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes in Verbindung mit § 3 Abs. 4 des Arbeitsruhegesetzes vertraut habe, und knüpfte daran die rechtliche Beurteilung, daß sie dies auch durfte.
2. Die mP hat sich in ihrer Stellungnahme vom 25.1.1991 zur Berufung des Arbeitsinspektorates gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 1.8.1990 zur Frage des Verschuldens wie folgt geäußert:
"Wie die Behörde der 1. Instanz richtig erkannt hat, stellt das Verschulden ein wesentliches Element jedweder Strafbarkeit dar. Wenn kompetente Fachleute einer Körperschaft öffentlichen Rechts in Rechtsfragen Auskünfte erteilen, so habe ich keinen Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Befolge ich diesen Rat, wird unabhängig davon, ob eine andere Meinung vertretbar ist, auf meiner Seite kein wie immer geartetes Verschulden vorliegen. Dies umsomehr, als meines Wissens bis zum 26.11.1988 seitens des Arbeitsinspektorates oder des Sozialministeriums keine wie immer geartete Publikation erfolgt ist, daß ein Einarbeiten bezüglich der damaligen Kalenderkonstellation nicht oder nur unter gewissen Voraussetzungen zugelassen wäre. Es lag also für mich kein wie immer gearteter Anhaltspunkt vor, an den Auskünften der Mitarbeiter der Wiener Handelskammer zu zweifeln."
3. Diese Stellungnahme der mP reichte nicht aus, um die belangte Behörde zu der Annahme gelangen zu lassen, jene habe den Mangel eines Verschuldens an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift glaubhaft gemacht (§ 5 Abs. 1 VStG). Zwar hat sich die mP auf Rechtsauskünfte der "Wiener Handelskammer" bezogen; sie hat dies indes in lediglich abstrakter Form getan. Die oben II.2. wiedergegebene einschlägige Äußerung läßt eine eindeutige Aussage dahin gehend vermissen, daß die mP sich auf eine konkrete, von Organen ihrer gesetzlichen Interessenvertretung geäußerte Rechtsmeinung hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Einarbeiten von in Verbindung mit Feiertagen ausgefallener Arbeitszeit verlassen habe. Weiters ist dem Vorbringen der mP nicht zu entnehmen, auf welche Weise sie von Auskünften "kompetenter Fachleute einer Körperschaft öffentlichen Rechts" Kenntnis erhalten habe, sodaß offen geblieben ist, worauf die mP ihre Bezugnahme auf die Erteilung sachkundiger Auskünfte durch die gesetzliche Interessenvertretung zu stützen vermochte. Schließlich wurde von der mP - im Gegensatz zu der in dieser Hinsicht in der Begründung des angefochtenen Bescheides (allerdings auch nur generell-abstrakt) getroffenen Feststellung - nicht einmal behauptet, geschweige denn glaubhaft gemacht, daß ihr die bezogene Rechtsauskunft schon vor dem inkriminierten Tatzeitpunkt mitgeteilt worden sei.
4. Da in Ansehung der Verschuldensfrage der Sachverhalt in wesentlichen Punken ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190214.X00Im RIS seit
23.03.2001Zuletzt aktualisiert am
01.10.2013