TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/25 90/19/0528

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.1991
beobachten
merken

Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
StGB §106;
StGB §136;
StGB §229;
StGB §99;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Mai 1990, Zl. SD 233/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. Mai 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ungarischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz ein bis 30. Juni 2000 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 4. Dezember 1989, Zl. 10 E Vr 652/89, 10 Hv 162/89, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung, des Vergehens der Freiheitsentziehung, des Vergehens der Urkundenunterdrückung und des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Damit sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz verwirklicht und die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme berechtigt. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zwar zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer kurz nach den Tathandlungen, derentwegen er verurteilt worden sei, eine österreichische Staatsangehörige (gebürtige Ungarin) geheiratet habe, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes einen erheblichen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers darstelle, doch seien die im vorliegenden Fall maßgebenden öffentlichen Interessen von so großem Gewicht, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

              2.              Die belangte Behörde ist auf Grund der unbestrittenen strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt ist. Damit ist davon auszugehen, daß die Annahme gerechtfertigt ist, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0236).

              3.              Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der Vornahme der nach § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz gebotenen Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Die belangte Behörde hat die Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsangehörigen kurz nach Begehung der strafbaren Handlungen in der Bescheidbegründung berücksichtigt, den daraus abgeleiteten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich jedoch wesentlich geringeres Gewicht beigemessen als den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Dies ist schon im Hinblick auf die Häufung der Straftaten und deren Schwere nicht verfehlt. Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers, der im Februar 1989 nach Österreich eingereist ist, ist - insbesondere unter Berücksichtigung der Haftzeit (vom 29. Juli bis 4. Dezember 1989) - zu kurz, um bei der Interessenabwägung zu seinen Gunsten von Bedeutung zu sein. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Arbeitsaufnahme am 28. Dezember 1989 bei einem Speditionsunternehmen fällt ebenfalls nicht entscheidend ins Gewicht, weil weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren noch aus den Beschwerdebehauptungen zu erkennen ist, daß es sich dabei um eine qualifizierte Tätigkeit handelt. Arbeiten, für die keine Qualifikation erforderlich ist, kann der Beschwerdeführer auch in anderen Ländern verrichten. Der in der Beschwerde behaupteten Unterhaltspflicht für ein mittlerweile geborenes eheliches Kind - in der Berufung war davon die Rede, daß die Gattin des Beschwerdeführers ein Kind erwarte - kann der Beschwerdeführer auch im Ausland nachkommen.

              4.              Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190528.X00

Im RIS seit

25.11.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten