TE Vfgh Erkenntnis 1989/3/9 V19/88

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Veröffentlicht am 09.03.1989
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7400 Fremdenverkehr

Norm

B-VG Art18 Abs2 / Verordnung Verfahren gesetzwidrig
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Promillesatzverordnung des Fremdenverkehrsverbandes Lienz für das Jahr 1970
Promillesatzverordnung des Fremdenverkehrsverbandes Lienz für das Jahr 1973
Promillesatzverordnung des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten für das Jahr 1977
Promillesatzverordnung des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten für das Jahr 1978
Promillesatzverordnung des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten für das Jahr 1979
Tir FremdenverkehrsG 1976 §8
Tir FremdenverkehrsG 1976 §32
AVG 1950 §19

Leitsatz

Promillesatzverordnungen Tir. Fremdenverkehrsverbände wegen fehlender (von der Behörde nachzuweisender) Ladung von Mitgliedern zur Vollversammlung gesetzwidrig

Spruch

1. Die Promillesatzverordnung des Fremdenverkehrsverbandes Lienz für das Jahr 1970 (Beschluß der Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienz vom 4. Februar 1970, mit dem unter anderem der Promillesatz für die Pflichtbeiträge der Pflichtmitglieder des Fremdenverkehrsverbandes im Sinne der §§31 ff. des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol Nr. 48/1969, festgesetzt wurde) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Die Promillesatzverordnungen des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten für die Jahre 1977 und 1978 (Beschlüsse der Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten vom 23. März 1977 und vom 26. April 1978, mit denen unter anderem der Promillesatz für die Pflichtbeiträge der Pflichtmitglieder des Fremdenverkehrsverbandes im Sinne der §§31 ff. des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol Nr. 65/1976, festgesetzt wurde) werden als gesetzwidrig aufgehoben.

3. Die Tiroler Landesregierung ist verpflichtet, diese Aufhebungen unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

4. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung der Promillesatzverordnungen des Fremdenverkehrsverbandes Lienz für das Jahr 1973 sowie des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten für das Jahr 1979 (Beschlüsse der Vollversammlung vom 26. Juli 1972, vom 22. Juni 1973 und vom 7. Februar 1979, mit denen unter anderem der Promillesatz für die Pflichtbeiträge der Pflichtmitglieder des Fremdenverkehrsverbandes im Sinne der §§31 ff. Tiroler Fremdenverkehrsgesetz, LGBl. für Tirol Nr. 48/1969 und Nr. 65/1976, festgesetzt wurde) wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof sind - nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof (Beschlüsse vom 13. Juni 1986, B287/82, B395/82) - Beschwerden anhängig, mit denen die Aufhebung von Bescheiden der Berufungskommission nach §35 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes begehrt wird, denen zufolge der Beschwerdeführerin Fremdenverkehrsbeiträge für die Jahre 1968 bis 1970, 1972 und 1973, sowie für die Jahre 1977 bis 1980 vorgeschrieben werden.

Mit Erkenntnis vom 22. Jänner 1988, Zlen. 86/17/0134, 0138, hat der Verwaltungsgerichtshof den bei ihm angefochtenen Bescheid vom 15. Juli 1982 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, soweit er die Beitragsfestsetzungen für die Jahre 1968 und 1969 betrifft, die Beschwerde dagegen aber als unbegründet abgewiesen, soweit der Bescheid die Beitragsfestsetzung für das Jahr 1972 betrifft. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 14. April 1982 hat der Verwaltungsgerichtshof als unbegründet abgewiesen, "soweit sie die Beitragsfestsetzung für das Jahr 1980 betrifft".

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß der bei ihm noch anhängigen Beschwerden beantragt, die eine Rechtsgrundlage für die Vorschreibung der Pflichtbeiträge nach dem Tiroler Fremdenverkehrsgesetz bildenden Promillesatzverordnungen des Fremdenverkehrsverbandes Lienz und Umgebung für die Jahre 1970 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 6.2.1970 bis 18.2.1970) und 1973 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 28.7.1972 bis 7.8.1972 und von 25.6.1973 bis 3.7.1973), sowie die Promillesatzverordnungen des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten für die Jahre 1977 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 24.3.1977 bis 1.4.1977), 1978 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 27.4.1978 bis 8.5.1978) und 1979 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 8.2.1979 bis 15.2.1979) als gesetzwidrig aufzuheben bzw. festzustellen, daß diese Verordnungen gesetzwidrig waren.

Zur Präjudizialität der angefochtenen Promillesatzverordnungen in den bei ihm anhängigen Beschwerdefällen führt der Verwaltungsgerichtshof insbesondere aus:

"Nach den insoweit gleichartigen Bestimmungen des 4. Abschnittes des I. Teiles des Tiroler FrVG in allen in den Beschwerdefällen anzuwendenden Fassungen haben die Pflichtmitglieder eines Fremdenverkehrsverbandes an diesen für jedes Kalenderjahr (Vorschreibungszeitraum) Pflichtbeiträge ... zu leisten. Der Beitrag des einzelnen Pflichtmitgliedes ist nach einem Promillesatz der Grundzahl zu berechnen. ...

Vor dem Hintergrund der bezogenen Rechtsvorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof in den vorliegenden, zur gemeinsamen Beschlußfassung verbundenen Beschwerdesachen auch die 'Promillesatzverordnungen' für die einzelnen strittigen Beitragsjahre insoweit anzuwenden, als es um die Pflichtbeiträge des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin und der nach seinem Tod nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in seine Rechtsstellung eingetretenen Beschwerdeführerin selbst zu den Fremdenverkehrsverbänden (und nicht um die Beiträge zum Tiroler Fremdenverkehrsförderungsfonds) geht; die Präjudizialität der im Spruch des Anfechtungsbeschlusses schon näher bezeichneten, offenbar den Charakter von Rechtsverordnungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts aufweisenden Beschlüsse der Vollversammlung der Fremdenverkehrsverbände Lienz und Umgebung bzw. Lienzer Dolomiten ist daher gegeben."

Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit der angeführten Promillesatzverordnungen führt der Verwaltungsgerichtshof aus:

"Gemäß §8 Abs1 Tiroler FrVG in der Fassung vor der mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung am 23. Mai 1979 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 28/1979 wird die Vollversammlung vom Obmann einberufen und geleitet. Die Einberufung hat mindestens eine Woche vor Beginn der Vollversammlung schriftlich zu geschehen; in der Einberufung ist die Tagesordnung bekanntzugeben. Gemäß Abs2 dieser Gesetzesstelle, ebenfalls in der Fassung vor der eben genannten Novelle, ist die Vollversammlung beschlußfähig, wenn alle Mitglieder eingeladen wurden und mindestens ein Drittel aller Mitglieder vertreten ist. Ist zu der für den Beginn festgesetzten Zeit nicht ein Drittel aller Mitglieder vertreten, ist die Vollversammlung nach einer Wartezeit von einer halben Stunde ohne Rücksicht auf die Anzahl der anwesenden oder vertretenen Mitglieder beschlußfähig, wenn in der Einladung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde.

. . .

Der Verwaltungsgerichtshof legt die Bestimmungen der Abs1 und 2 des §8 Tiroler FrVG der jeweiligen Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 28/1979 dahingehend aus, daß eine 'Ausschreibung' der Vollversammlungen des Fremdenverkehrsverbandes im 'Osttiroler Boten' (arg. 'schriftlich') den gesetzlichen Erfordernissen nicht genügt.

Beim Verwaltungsgerichtshof sind nun im Hinblick darauf, daß Ladungsnachweise zu den jeweils maßgebenden Vollversammlungen der Fremdenverkehrsverbände nach der Aktenlage für die Beitragsjahre 1970 und 1977 bis 1979 nicht erbracht worden sind, Bedenken dahingehend entstanden, daß die Vollversammlung als verordnungsgebendes Organ in den hier maßgeblichen Fällen nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt war. Im Sinne des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin genügt es auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht, wenn der Obmann des Fremdenverkehrsverbandes - ohne daß dies in der Aktenlage seinen Niederschlag gefunden hätte, geschweige denn nachprüfbar wäre - dem Amt der Tiroler Landesregierung mitteilt, es seien wirklich alle Mitglieder (des Fremdenverkehrsverbandes) eingeladen worden.

Somit erscheint das Verfahren zur Erlassung der in Rede stehenden Promillesatz-Verordnungen für die genannten Jahre mit Gesetzwidrigkeit belastet.

Der Aktenlage zufolge hat die Tiroler Landesregierung die wegen der Höhe der vom Fremdenverkehrsverband Lienz und Umgebung festgesetzten Promillesätze erforderliche Bewilligung hinsichtlich des Beitragsjahres 1973 nicht erteilt. Auch insoweit besteht das Bedenken, daß diese Promillesatzverordnung mit dem Gesetz in Widerspruch steht."

2. In seiner Äußerung behauptet der Obmann des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten,

"daß jedes einzelne Mitglied mindestens eine Woche vor der Vollversammlung mit einem als Drucksache versandten Brief schriftlich eingeladen worden ist. Dabei wurden immer adressierte Drucksachekuverte verwendet, die von der Einhebestelle für Pflichtbeiträge vom Amt der Tiroler Landesregierung zur Verfügung gestellt wurden. Bis 1976 erhielt der Verband von dieser Stelle mit einer Adrema bedruckte Kuverts, ab 1976 wurden für die Einladungen laut der Stimmgruppenliste Klebeetiketten mit den jeweiligen Adressen aller Mitglieder zur Verfügung gestellt.

Die Mitglieder wurden immer mittels Drucksache eingeladen. Herr F F wurde mit eingeschriebenem Brief zu den Vollversammlungen geladen."

3. Die Tiroler Landesregierung beantragt in ihrer Äußerung, die eingangs näher bezeichneten Promillesatzverordnungen nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

Die Tiroler Landesregierung vertritt die Auffassung, daß "dem Erfordernis der Schriftlichkeit entsprochen wird, wenn die Einladung zur Vollversammlung im Wege einfacher Briefsendungen erfolgt, da die nachweisliche Zustellung vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich angeordnet wurde." Für die Haushaltsjahre 1977, 1978 und 1979 lasse sich die Übergabe von als Drucksendungen deklarierten Einladungen zur Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes an die Post im Portobuch belegen. Die nachweisliche Zustellung der Einladung an den mittlerweile verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bzw. an die Verlassenschaft zu Handen der Beschwerdeführerin sei für die Haushaltsjahre 1973, 1978 und 1979 dokumentierbar.

Für die Einladung der Mitglieder zu den Vollversammlungen des Fremdenverkehrsverbandes seien die vom Amt der Tiroler Landesregierung auf Grund der Stimmgruppenliste erstellten Kuverts bzw. (ab 1976) Klebeetiketten verwendet worden. Wenn und soweit sich auch der Nachweis, daß die Einladung der Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bzw. ihres Rechtsvorgängers erfolgte, nicht erbringen lasse, so sei doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß eine entsprechende Einladung zur Post gegeben wurde.

Hinsichtlich der Promillesatzverordnung für das Jahr 1970 bestreitet die Tiroler Landesregierung die Präjudizialität im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde sei nämlich bezüglich der Beitragsvorschreibung für das Haushaltsjahr 1970 mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen, weil für diesen Beitrag gemäß §156 Abs3 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. 34/1984, die absolute Verjährung eingetreten sei.

Zu der nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes mangels der erforderlichen Bewilligung durch die Tiroler Landesregierung fehlerhaften Promillesatzverordnung für das Haushaltsjahr 1973 verweist die Tiroler Landesregierung darauf, daß die Genehmigung des Beschlusses über die Festsetzung des Promillesatzes mit 12 v.T. (insgesamt 13 v.T. wegen des Beitrages zum Fremdenverkehrsförderungsfonds) durch die Tiroler Landesregierung in ihrer Sitzung vom 23. Juli 1974 erfolgt sei. Das im Regierungsbeschluß zitierte Datum des Beschlusses der Vollversammlung scheine jedoch auf einem Irrtum zu beruhen.

II. Die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes auf Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Promillesatzverordnungen des Fremdenverkehrsverbandes Lienz bzw. Lienzer Dolomiten für die Jahre 1970, 1973 sowie 1977 bis 1979 sind zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof hat die betreffenden Promillesatzverordnungen ganz offenkundig anzuwenden, wenn er die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung der Pflichtbeiträge zum Fremdenverkehrsverband Lienz bzw. Lienzer Dolomiten für die betreffenden Jahre überprüft.

Daß der durch die Vollversammlung eines (Tiroler) Fremdenverkehrsverbandes festgesetzte Promillesatz eine generelle Norm ist, "die, da sie sich nicht nur an Behörden richtet, sondern die Rechtsverhältnisse der Pflichtmitglieder, also einer nach Gattungsmerkmalen bestimmten Personengruppe, gestaltet ..., als Rechtsverordnung zu qualifizieren ist", hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 5813/1968 ausgesprochen.

Da der Verfassungsgerichtshof, seiner ständigen Judikatur zufolge (z.B. VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984), nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Sache vorgreifen würde, vermag er die Bedenken der Tiroler Landesregierung hinsichtlich der Präjudizialität der Promillesatzverordnung für das Jahr 1970 nicht zu teilen. Ungeachtet des möglichen Eintritts der absoluten Verjährung für die Beitragsschuld ist es nämlich nicht denkunmöglich, die Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch den angefochtenen Bescheid auch hinsichtlich der Beitragsvorschreibung für das Jahr 1970 als beschwert anzusehen. Der Verfassungsgerichtshof vermag sohin dem Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten, wenn dieser die Auffassung vertritt, daß er auch die Beitragsvorschreibung für das Jahr 1970 auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und dabei die Promillesatzverordnung für das genannte Jahr anzuwenden hat.

III. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. §8 Abs1 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes (jeweils gleichlautend in dessen Wiederverlautbarungen LGBl. 48/1969 und LGBl. 65/1976, welche den hier zu prüfenden Promillesatzverordnungen zugrundezulegen sind) ordnet ausdrücklich an, daß die Einberufung der Vollversammlung eines Fremdenverkehrsverbandes, (dem gemäß §9 litb Tiroler Fremdenverkehrsgesetz (sowohl 1969 als auch 1976) "die Festsetzung des Haushalts- und eines allfälligen Nachtragsplanes und der Höhe der Promillesätze" obliegt), eine Woche vor Beginn der Vollversammlung "schriftlich" vom Obmann unter Bekanntgabe der Tagesordnung zu geschehen hat. Die Beschlußfähigkeit der Vollversammlung wird vom Abs2 des §8 u.a. ausdrücklich davon abhängig gemacht, daß "alle Mitglieder eingeladen wurden".

Mit dem Verwaltungsgerichtshof vertritt der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, daß der mit diesen Gesetzesworten geschaffenen Rechtslage zufolge die Beschlußfähigkeit der Vollversammlung zur Voraussetzung hat, daß alle Mitglieder schriftlich unter Bekanntgabe der Tagesordnung einzuladen sind und daß daher eine sonstige Kundmachung des Termins und der Tagesordnung der Vollversammlung nicht ausreicht, um die Beschlußfähigkeit der Vollversammlung sicherzustellen.

Der Verfassungsgerichtshof ist ferner der Meinung, daß die Ladung, abgesehen von ihrer Schriftlichkeit, keiner bestimmten Form bedarf. Wird die behauptete schriftliche Ladung jedoch von einem Mitglied der Vollversammlung bestritten, so ist es Sache der Behörde, den Nachweis der Ladung zu erbringen. Wie der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 1611/1948, 8408/1978, 8752/1980) und der Verwaltungsgerichtshof (VwGH v. 24.6.1964, Zl. 2187/63; VwSlg. 7949 A/1971) in Zusammenhang mit der behördlichen Zustellung amtlicher Schriftstücke mehrfach ausgeführt haben, muß im Fall einer Zustellung ohne Zustellnachweis "der Beweis der erfolgten Zustellung gegenüber der Bestreitung eines Empfängers von der Behörde auf eine andere Weise erbracht werden. Gelingt dies nicht, so muß die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden" (VwGH v. 24.6.1964, Zl. 2187/63). Hat die Behörde einen Zustellnachweis für entbehrlich gefunden, so muß sie auch die Folgen auf sich nehmen, wenn sie späterhin der Behauptung der Partei, sie hätte ein amtliches Schriftstück nicht empfangen (und daher von der amtlichen Mitteilung keine Kenntnis erlangt), nicht wirksam entgegenzutreten vermag (so schon VwSlg. 15157 A/1928). Dabei kann nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes der Nachweis einer pauschal abgefertigten Mehrzahl von Ladungen deren Nachweis im Einzelfall, sofern der Empfang der Ladung von einem Adressaten bestritten wird, nicht ersetzen.

2. Für die Ladung zur Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienz vom 4. Februar 1970, bei der die Promillesatzverordnung für das Jahr 1970 festgelegt wurde, fehlt es auf Grund der dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung gestellten Unterlagen an jedwedem Nachweis der erfolgten Ladung der Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bzw. ihres Rechtsvorgängers. Die Aussage des damaligen Obmannes des Fremdenverkehrsverbandes, "daß in jedem Jahr jedes einzelne Mitglied mindestens eine Woche vor dem Zusammentreten der Vollversammlung mit einem als Drucksache versandten Brief eingeladen wurde", ebenso wie die Bedachtnahme auf den Umstand, daß "für die Einladung der Mitglieder zu den Vollversammlungen des Fremdenverkehrsverbandes die vom Amt der Tiroler Landesregierung auf Grund der Stimmgruppenliste erstellten Kuverts verwendet" wurden und daß wegen der Zuhilfenahme einer Adressenmaschine "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen (ist), daß die Namen der Stimmgruppenliste mit den Adressaten der Kuverts übereinstimmen", reicht als Nachweis der gebotenen, persönlichen, schriftlichen Ladung keinesfalls aus. Durch eine derartige Pauschalbehauptung ist nämlich, auch wenn die in ihr ausgedrückte Vorgangsweise bei der Ladung keinen Anlaß zu Zweifeln bietet, keineswegs sichergestellt, daß jeder Adressat die für ihn bestimmte Ladung tatsächlich erhielt.

Da die Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienz bei ihrem Beschluß vom 4. Februar 1970 über die Promillesatzverordnung für das Jahr 1970 mangels (von der Behörde nachzuweisender) Ladung eines Mitgliedes nicht beschlußfähig war, ist die Promillesatzverordnung für das Jahr 1970 als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Auch die persönliche Ladung der Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten vom 23. März 1977, bei der die Promillesatzverordnung für das Jahr 1977 beschlossen wurde, läßt sich, wie schon die Tiroler Landesregierung zugesteht, nicht nachweisen. Daß für die Einberufung der Vollversammlung Klebeetiketten verwendet wurden, die unter Zuhilfenahme einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage auf Grund der zu den Vollversammlungen ausgearbeiteten Stimmgruppenlisten erstellt wurden, vermag dem Nachweis der Ladung der Mitglieder der Vollversammlung ebensowenig zu dienen, wie die Eintragung in das Portobuch, derzufolge insgesamt 890 Einladungen zu dieser Vollversammlung versandt wurden.

Die Promillesatzverordnung für das Jahr 1977 war sohin vom Verfassungsgerichtshof mangels gehöriger Ladung der Beschwerdeführerin und damit wegen fehlender Beschlußfähigkeit der Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten vom 23. März 1977 als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Auch zur Vollversammlung vom 26. April 1978, bei der die Promillesatzverordnung für das Jahr 1978 festgesetzt wurde, ist die Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht nachweislich geladen worden. Zwar findet sich im Portobuch unter dem Datum 17.4. neben dem Beleg für 533 als Drucksachen abgefertigte Einladungen zur Vollversammlung der Hinweis auf eine eingeschriebene Einladung zur Vollversammlung. Abgesehen von der pauschal abgegebenen Aussage des Obmannes und des Geschäftsführers des Fremdenverkehrsverbandes, wonach an die Beschwerdeführerin bzw. ihren Rechtsvorgänger - wohl nur vereinzelt - eingeschriebene Einladungen ergingen, läßt sich nicht belegen, daß die eingeschriebene Einladung an die Beschwerdeführerin gerichtet war. Da vereinzelt auch andere Mitglieder der Vollversammlung mittels eingeschriebener Briefsendung eingeladen wurden, bildet der Hinweis im Portobuch vom 17. April 1978 keinen ausreichenden Beweis für die Ladung der Beschwerdeführerin zur Vollversammlung vom 26. April 1978.

Mangels gehöriger Ladung der Beschwerdeführerin und damit wegen fehlender Beschlußfähigkeit der Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten am 26. April 1978 ist die von der Vollversammlung beschlossene Promillesatzverordnung für das Jahr 1978 als gesetzwidrig aufzuheben.

5. Zur Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienzer Dolomiten am 7. Februar 1979 wurde die "Fa. F", wie sich dem Aufgabeschein und dem Postportobuch, das eine eingeschriebene Drucksache an den Empfänger "F" festhält, entnehmen läßt, nachweislich geladen. Da sohin die Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu dieser Vollversammlung, bei der der Promillesatz für das Haushaltsjahr 1979 festgesetzt wurde, nachweislich geladen wurde, und das Unterbleiben der Ladung eines sonstigen Mitgliedes nicht behauptet wurde, geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Vollversammlung am 7. Februar 1979 beschlußfähig im Sinne des §8 Abs2 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1976 war. Da sich die vom Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten rechtlichen Bedenken lediglich auf die mangelnde oder fehlerhafte Ladung zu dieser Vollversammlung beziehen, diese Bedenken sich aber als unzutreffend erwiesen haben, war der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung der Promillesatzverordnung für das Jahr 1979 abzuweisen.

6. Gegen die Rechtmäßigkeit der Promillesatzverordnung für das Beitragsjahr 1973 macht der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken geltend, daß die Tiroler Landesregierung die gemäß §32 Abs8 Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1969 wegen der Höhe des vom Fremdenverkehrsverband Lienz festgesetzten Promillesatzes erforderliche Bewilligung hinsichtlich des Beitragesjahres 1973 nicht erteilt hat.

Dieses Bedenken besteht nicht zu Recht. Wie die dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten zeigen, wurde zwar bereits bei der außerordentlichen Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienz am 26. Juli 1972 für das Beitragsjahr 1973 eine Erhöhung des Promillesatzes von 9 auf 12 Promille beschlossen. Dieser Beschluß wurde jedoch bei der ordentlichen Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes Lienz am 22. Juni 1973 wiederholt und in dieser Fassung von der Tiroler Landesregierung am 23. Juli 1974 bewilligt.

Da die gegen die Promillesatzverordnung für das Jahr 1973 vom Verwaltungsgerichtshof vorgetragenen rechtlichen Bedenken, die ausschließlich der mangelnden Bewilligung dieser Verordnung galten, nicht zutreffen, war insoweit der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls abzuweisen.

IV. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebungen stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte der Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 absehen, weil dadurch eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Fremdenverkehr, Verwaltungsverfahren / Ladung, Verwaltungsverfahren / Zustellung, Verordnung / Erlassung, Kollegialorgane / Einberufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:V19.1988

Dokumentnummer

JFT_10109691_88V00019_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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