TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/26 90/08/0194

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Veröffentlicht am 26.11.1991
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Index

60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ArbPlSichG 1956 §16 Abs1;
KollV Friseurgewerbe;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der L in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 21. September 1990, Zl. VII/2-4524/8-1990, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Februar 1990 verpflichtete die Mitbeteiligte die Beschwerdeführerin, für den Dienstnehmer Christian J. nachverrechnete Beiträge von insgesamt S 3.919,51 zu bezahlen. Die Beitragsgrundlagen stellte die Mitbeteiligte unter anderem für die Zeit vom 1. Juni 1988 bis 1. September 1988 mit wöchentlich S 1.820,-- und für die Zeit vom 3. September 1988 bis 30. November 1988 mit wöchentlich S 2.100,-- fest. Dabei ging die Mitbeteiligte, soweit dies im Beschwerdeverfahren noch relevant ist (im Zuge einer Beitragsprüfung hatte sie weitere zu Nachverrechnungen führende Sachverhalte festgestellt, die von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurden), von folgenden Feststellungen aus: Christian J. habe im Betrieb der Beschwerdeführerin den Beruf eines Friseurs erlernt; seine Lehrzeit habe am 2. September 1987 geendet. Im Anschluß daran habe J. bis 30. September 1987 als Gehilfe bei der Beschwerdeführerin gearbeitet. Vom

1. Oktober 1987 bis 31. Mai 1988 habe er den ordentlichen Präsenzdienst abgeleistet. Danach habe er seine Tätigkeit als Friseurgehilfe bei der Beschwerdeführerin wieder aufgenommen. Für den Zeitraum vom 1. Juni 1988 bis 1. September 1988 sei das von der Beschwerdeführerin gemeldete Entgelt "den im Kollektivvertrag für Friseure vorgegebenen Werten anzugleichen". Für den Zeitraum vom 3. September 1988 bis 30. November 1988 sei das dem Dienstnehmer gebührende Entgelt mit dem im Kollektivvertrag für das zweite Gehilfenjahr vorgesehenen Lohn festzusetzen, weil im Sinne des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes die Zeiten des Präsenzdienstes, während deren das Dienstverhältnis bestanden habe, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin insoweit Einspruch, als damit Beitragsgrundlagen für die oben genannten Zeiträume festgesetzt wurden. Sie führte im wesentlichen aus, sie habe den Dienstnehmer J. in der Zeit vom 3. September 1987 bis zum 30. September 1987 als Gehilfen in der Behaltepflicht beschäftigt. Die Zeit der Beschäftigung vom 1. Juni 1988 bis 2. September 1988 falle im Hinblick auf die Fortlaufhemmung der Behaltefrist durch § 14 Abs. 2 Arbeitsplatzsicherungsgesetz (ArbPlSichG) ebenfalls unter die Behaltepflicht. In diesen Zeiträumen sei der Dienstnehmer somit gemäß dem Kollektivvertrag als Gehilfe während der Behaltepflicht zu entlohnen. Nach Ablauf der Behaltefrist sei J. in die Lohngruppe "bis zu einem Jahr nach der Auslehre" einzustufen und zu entlohnen. Die Ansicht der Mitbeteiligten, wonach unter Bedachtnahme auf § 16 Abs. 1 ArbPlSichG die Zeit des Präsenzdienstes bei der Einstufung eines Dienstnehmers in eine der vier Lohngruppen des Kollektivvertrages für das Friseurgewerbe zu berücksichtigen sei, sei verfehlt. Bei der Auslegung dieses Kollektivvertrags sei davon auszugehen, daß die Kollektivvertragsparteien durch die Bezugnahme auf das Ende der Lehrzeit, deren Dauer sich nach der Ausbildungszeit und nicht nach Kalenderjahren bemesse, auch der Einstufung in die vier Lohnstufen Jahre der einschlägigen Berufstätigkeit und nicht eine Berechnung nach Kalenderjahren zugrundegelegt hätten. Im Zuge des Einspruchsverfahrens führte die Beschwerdeführerin weiters aus, eine Einstufung des Dienstnehmers in die Lohngruppe für Gehilfen während der Behaltepflicht für den Zeitraum vom 1. Juni 1988 bis 2. September 1988 widerspräche nicht dem § 16 Abs. 1 ArbPlSichG, da es sich bei der Behaltepflicht nicht um einen dienstzeitabhängigen Anspruch des Dienstnehmers handle, sondern ausschließlich darauf abzustellen sei, ob sich der Dienstnehmer noch in der gesetzlich bzw. kollektivvertraglich vorgeschriebenen Behaltezeit befinde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges verwies sie zunächst auf die Begründung des Bescheides der Mitbeteiligten. Die im vorliegenden Fall gegebene Situation sei im Kollektivvertrag nicht geregelt. Daraus ergebe sich zwingend die Anwendung der Bestimmungen des § 16 Abs. 1 ArbPlSichG, welche eindeutig die Ansprüche des Dienstnehmers, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richteten, fixierten. Die die Behaltepflicht regelnde Norm des § 14 Abs. 2 ArbPlSichG könne keine beeinträchtigende Wirkung auf die Regelung des § 16 Abs. 1 leg. cit. erzielen. Es könne nicht eine für den Präsenzdiener festgelegte Schutzbestimmung gegen eine andere gleichsam aufgerechnet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinn gilt nach § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6. Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG (eine Anwendung der Abs. 3, 4 und 6 scheidet im Beschwerdefall aus) sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst (Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Für die Bemessung der Beiträge ist demnach nicht lediglich das tatsächlich gezahlte Entgelt (Geld- und Sachbezüge) maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich bezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestand. Ob aber ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 88/08/0239, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall ist - da einzelvertragliche Regelungen fehlen - die Einstufung des Dienstnehmers in die Lohngruppen nach der im Kollektivvertrag für das Friseurgewerbe enthaltenen Lohntafel ausschlaggebend.

Die belangte Behörde hat es - ebenso wie die Mitbeteiligte - unterlassen, den Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen dieses Kollektivvertrages ausdrücklich festzustellen (vgl. hiezu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0282, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0050). Die im Verwaltungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen und die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Schriftsätze lassen jedoch erkennen, daß die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend von der aktenkundigen, im Kollektivvertrag für das Friseurgewerbe enthaltenen Lohntafel ausgegangen sind, die in der im strittigen Zeitraum jeweils geltenden Fassung folgende Wochenlöhne für Gehilfinnen und Gehilfen bestimmt:

"1. Während der Behaltepflicht einheitlich S 1.335,-- (ab 19.12.1988 S 1.395,--).

2. Nach der Behaltepflicht bis zu einem Jahr nach der Auslehre

S 1.705,-- (ab 19.12.1988 S 1800,--).

3. Vom zweiten bis einschließlich vierten Jahr nach der Auslehre S 1.935,-- (ab 19.12.1988 S 2.045,--).

4. Ab dem fünften Jahr nach der Auslehre S 2.305,-- (ab 19.12.1988 S 2.415,--)."

Gemäß § 18 Abs. 1 des Berufsausbildungsgesetzes (BAG) ist der Lehrberechtigte verpflichtet, den Lehrling, dessen Lehrverhältnis mit ihm gemäß § 14 Abs. 1 oder § 14 Abs. 2 lit. e endet, im Betrieb vier Monate im erlernten Beruf weiterzuverwenden.

Im Beschwerdefall sind weiters folgende Vorschriften des ArbPlSichG von Bedeutung:

"§ 14 Abs. 2. Der Ablauf der Frist nach § 18 des Berufsausbildungsgesetzes (Behaltepflicht) sowie einer durch kollektivvertragliche Vereinbarung festgelegten längeren Frist für die Behaltepflicht wird durch den Präsenzdienst gehemmt. Die Hemmung beginnt mit dem Tag, für den die Dienstnehmer zur Leistung des Präsenzdienstes einberufen sind, und enden mit dem Tag der Entlassung aus dem Präsenzdienst.

§ 16 Abs. 1. Soweit sich Ansprüche eines Dienstnehmers nach der Dauer der Dienstzeit richten, sind Zeiten des Präsenzdienstes, während deren das Dienstverhältnis bestanden hat, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen."

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Dienstnehmer J. in der Zeit vom 1. Juni 1988 bis 1. September 1988 in die Lohngruppen 1 oder 2 des Kollektivvertrages und in der Zeit vom 3. September 1988 bis 30. November 1988 in die Lohngruppen 2 oder 3 des Kollektivvertrages (und davon ausgehend in die entsprechenden Lohnstufen im Sinne des § 46 ASVG) einzustufen ist.

Die Lösung der - im Beschwerdefall für den Zeitraum 1. Juni 1988 bis 1. September 1988 entscheidenden - Frage, ob ein Gehilfe der Lohngruppe 1 ("Gehilfen während der Behaltepflicht") oder der Lohngruppe 2 ("Gehilfen nach der Behaltepflicht bis zu einem Jahr nach der Auslehre") zuzuordnen ist, hängt (ausschließlich) davon ab, ob das Arbeitsverhältnis des Gehilfen in die Zeit der durch § 18 Abs. 1 Berufsausbildungsgesetz (BAG) angeordneten "Behaltepflicht" von vier Monaten fällt, weil nach der eindeutigen Anordnung des Kollektivvertrages maßgeblich ist, ob es sich um einen "Gehilfen während der Behaltepflicht" (Lohngruppe 1) oder um einen "Gehilfen nach der Behaltepflicht" (Lohngruppe 2) handelt. Im Hinblick auf diese ausschließliche Anknüpfung an die "Behaltepflicht" handelt es sich beim Entgeltanspruch nach Lohngruppe 1 des Kollektivvertrages nicht um einen von der Dienstzeit abhängigen Anspruch im Sinne des § 16 Abs. 1 ArbPlSichG. Die zitierte Vorschrift kommt somit bei der Lösung der Frage, ob ein Dienstnehmer in die Lohngruppe 1 oder 2 des Kollektivvertrages einzustufen ist, nicht zum Tragen.

Die Zeit der "Behaltepflicht" (die"Behaltefrist") erstreckte sich im Beschwerdefall vom Tag nach der "Auslehre" (das ist das Ende der Lehrzeit), die unstrittig auf den 2. September 1987 fällt, bis zum 30. September 1987, und sodann - im Hinblick auf die durch § 14 Abs. 2 ArbPlSichG angeordnete Fortlaufhemmung der Behaltefrist durch den Präsenzdienst (vgl. hiezu z.B. die Urteile des OGH vom 10. Dezember 1985, SZ 58/198, und vom 12. November 1989, EvBl. 1990/84) vom 1. Juni 1988 bis 2. September 1988.

Der angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig, soweit die belangte Behörde für den Zeitraum vom 1. Juni 1988 bis 1. September 1988 (der 2. September 1988 ist im Hinblick darauf, daß die belangte Behörde für diesen Tag keine Beitragsgrundlage feststellte, auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens) Beitragsgrundlagen ausgehend von der Lohngruppe 2 und darauf entfallende Sonderzahlungen 1988 feststellte, sowie eine aus der Differenz zu den von der Beschwerdeführerin gemeldeten Beitragsgrundlagen resultierende Nachzahlungsverpflichtung aussprach. Da der Bescheid im Hinblick auf die beiden zuletzt genannten Aussprüche eine inhaltliche Trennung in mehrere Punkte nicht zuläßt, war er schon wegen der aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der Beschwerdeführerin betreffend die Festsetzung der Beitragsgrundlagen für den Zeitraum vom 3. September 1988 bis 30. November 1988 nicht teilt.

Den genannten Zeitraum betreffend ist strittig, ob der Dienstnehmer in Lohngruppe 2 ("Gehilfen nach der Behaltepflicht bis zu einem Jahr nach der Auslehre") oder Lohngruppe 3 ("Gehilfen vom zweiten bis einschließlich vierten Jahr nach der Auslehre") zuzuordnen ist. Das in Lohngruppe 2 genannte Merkmal "nach der Behaltepflicht" ist lediglich für die Abgrenzung dieser Lohngruppe von der Lohngruppe 1 von Bedeutung; für die Grenzziehung zwischen den Lohngruppen 2 und 3 ist hingegen maßgeblich, ob bereits mehr als ein Jahr seit der "Auslehre" verstrichen ist. Dies war zeitlich am 3. September 1988 der Fall; strittig ist jedoch, ob der im ersten Jahr nach der "Auslehre" gelegene Zeitraum, in dem der Dienstnehmer Präsenzdienst leistete, bei der Einstufung in die Lohngruppen anzurechnen ist.

Nach § 16 Abs. 1 ArbPlSichG sind, soweit sich Ansprüche des Dienstnehmers nach der Dauer der Dienstzeit richten, Zeiten des Präsenzdienstes, während deren das Dienstverhältnis bestanden hat, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen.

Diese Tatbestandsmerkmale sind - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - im Beschwerdefall erfüllt. Lohngruppe 2 knüpft (soweit es die Abgrenzung zu Lohngruppe 3 betrifft) an den Ablauf von "bis zu einem Jahr nach der Auslehre", Lohngruppe 3 (insoweit) an das "zweite bis einschließlich vierte Jahr nach der Auslehre" an. Es liegt keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, daß Zeiten, die der Dienstnehmer in einem Dienstverhältnis im Friseurgewerbe verbracht hat, nicht zu den für die Abgrenzung der Lohngruppen ausschlaggebenden Jahreszeiträumen zu zählen wären. Davon ausgehend richten sich die Entgeltansprüche nach Lohngruppen 2 bzw. 3 des Kollektivvertrages nach der zurückgelegten Dienstzeit; ein Gehilfe, der seit der Auslehre mehr als ein Jahr in einem Dienstverhältnis im Friseurgewerbe zurückgelegt hat, ist daher in Lohngruppe 3 einzustufen. Daß während der Dauer des Präsenzdienstes des Dienstnehmers J. dessen Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin bestanden hat, ist nicht strittig; die Zeit des Präsenzdienstes ist daher bei der Einstufung in die Lohngruppen des Kollektivvertrages anzurechnen. Dieses Ergebnis steht auch mit der ratio legis des § 16 Abs. 1 ArbPlSichG, die Entstehung von Nachteilen bei den arbeitsrechtlichen Ansprüchen durch die Ableistung des Präsenzdienstes hintanzuhalten, im Einklang. Die von der belangten Behörde für den Zeitraum vom 3. September 1988 bis 30. November 1988 vorgenommene, von Lohngruppe 3 des Kollektivvertrages ausgehende Feststellung der Beitragsgrundlagen erweist sich daher als dem Gesetz entsprechend.

Diese Auffassung steht auch keinesweges im Widerspruch zum Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 20. Mai 1987, 9 Ob A 10/87, auf das sich die Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Standpunktes beruft. Der OGH führte aus, schon der Text des (auch im Beschwerdefall strittigen) Kollektivvertrages - die Bezugnahme auf das Ende der auf die Ausbildungszeit und nicht auf Lebensjahre abgestellten Lehrzeit als Ausgangspunkt für die Berechnung der für die Einstufung maßgeblichen Jahreszeiträume- spreche eher dafür, daß nicht Lebensjahre, sondern Jahre der einschlägigen Berufstätigkeit gemeint seien. Dies sei auch allein sachgerecht und im wohlverstandenen Interesse beider Seiten. Motiv des Arbeitgebers für die Zahlung eines höheren Entgeltes sei nicht das höhere Lebensalter, sondern die Vervollkommnung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch längere Berufserfahrung. Aus der Sicht der Arbeitnehmer sei ausschlaggebend, daß eine Einstufung nach Lebensjahren zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung gegenüber den durch längere Berufserfahrung besser qualifizierten Arbeitnehmern führe.

Die Auffassung, daß es bei der Einstufung in die Lohngruppen des Kollektivvertrages nicht auf Lebensjahre, sondern auf Berufsjahre ("Jahre der einschlägigen Berufstätigkeit") ankommt, teilt - aus den im genannten Urteil des OGH dargelegten Gründen - auch der Verwaltungsgerichtshof. Unter "Berufsjahren" im dargelegten Sinn sind jedoch alle Zeiten zu verstehen, die in einem Dienstverhältnis im Friseurgewerbe zurückgelegt wurden. Diese Zeiten werden sich im allgemeinen - von den im folgenden erwähnten Ausnahmen abgesehen - mit den Zeiten der "einschlägigen Berufstätigkeit" decken. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß nicht an "Dienstzeiten" und somit nicht an das Dienstverhältnis, sondern ausschließlich an die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit anzuknüpfen und daher die im Präsenzdienst während des Bestandes des Dienstverhältnisses zurückgelegte Zeit ungeachtet der ausdrücklichen Gleichstellungsanordnung in § 16 Abs. 1 ArbPlSichG nicht anzurechnen sei, führte zum Ergebnis, daß nicht nur Zeiten des Präsenzdienstes, sondern beispielsweise auch Zeiten von Krankenstand und Urlaub bei der "Vorrückung" in die höheren Lohngruppen des Kollektivvertrages nicht anzurechnen wären. Ein solches Ergebnis könnte unter dem Gesichtspunkt, daß den Parteien eines Kollektivvertrages das Streben nach einer vernünftigen, zweckentsprechenden, praktisch durchführbaren und einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführenden Regelung zu unterstellen ist, keinesfalls gebilligt werden. Auch die objektiv-teleologische Auslegung führt daher nicht zu dem von der Beschwerdeführerin angestrebten Ergebnis.

Bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt (strittig war, ob die Zeit des Präsenzdienstes auf das in § 11 Abs. 1 Z. 2 BDG genannte Definitivstellungserfordernis einer Dienstzeit von vier Jahren im provisorischen Dienstverhältnis anzurechnen ist) hat der Verwaltungsgerichtshof (im Erkenntnis vom 27. April 1982, Zl. 81/12/0063, Slg. Nr. 10717/A) es nicht als ausschlaggebend angesehen, daß während des Präsenzdienstes keine Erprobung und Beobachtung der Eignung für den Beruf möglich war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren waren im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG nicht zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990080194.X00

Im RIS seit

06.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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