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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der Gemeinde N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 15. Mai 1991, Zl. IIIa1-11.711/13, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles ist zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das den Verfahrensparteien bekannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1991, Zl. 90/07/0090, hinzuweisen. Mit diesem Erkenntnis war der Bescheid der belangten Behörde vom 25. April 1990 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben worden, mit welchem die von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz der mitbeteiligten Gemeinde (mP) erteilte wasserrechtliche Bewilligung für die Verbauung des A-Baches an der Grenze zum Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin im Instanzenzug bestätigt worden war. Die Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgte im wesentlichen mit der Begründung, daß die mP für die Ausführung ihres Vorhabens eine etwa 140 m2 große Grundfläche der Beschwerdeführerin in Anspruch nehmen müsse, daß für diese Grundinanspruchnahme jedoch kein tauglicher Rechtstitel (Zwangsrecht, Übereinkommen) geschaffen worden sei und § 111 Abs. 4 WRG 1959 wegen Fehlens der dafür nach dem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen nicht zur Anwendung kommen könne.
Im fortgesetzten Verfahren erließ die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte den angefochtenen Bescheid vom 15. Mai 1991, mit welchem nunmehr der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid gestützt auf § 66 Abs. 2 AVG Folge gegeben, dieser Bescheid behoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung der Wasserrechtsbehörde zurückverwiesen wurde. Diese aufhebende Entscheidung begründete die belangte Behörde damit, daß sie den vorliegenden Planunterlagen nicht entnehmen könne, wie der genaue Verlauf der Grenze zwischen den Grundstücken des öffentlichen Wassergutes und jenen der Beschwerdeführerin sei. Damit könne ohne ergänzende Erhebungen und ohne Wiederholung der mündlichen Verhandlung keine Entscheidung getroffen werden, wobei die Frage der Grundinanspruchnahme von entscheidender Bedeutung für die Parteistellung sei.
In der Zwischenzeit wurde das Verfahren auf Grund dieser Aufhebung in erster Instanz fortgesetzt und neuerlich mit einer wasserrechtlichen Bewilligung des (nunmehr allerdings um die strittige Zufahrt zur projektierten Brücke eingeschränkten) Projektes der mP abgeschlossen; eine dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung blieb ohne Erfolg.
Gegen den gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufhebenden Bescheid der belangten Behörde vom 15. Mai 1991 richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf eine den §§ 66 Abs. 4 AVG und 63 Abs. 1 VwGG entsprechende Sachentscheidung verletzt. Erst durch die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides sei eine wasserrechtliche Behandlung "nur des Brückenbaues ohne die damit untrennbar verbundene Zufahrt" und damit eine allfällige Verneinung der Parteistellung der Beschwerdeführerin trotz ihres Grundeigentums an "im Auswirkungsbereich des Wasserbauvorhabens liegenden Grundparzellen in einem diese Grundparzellen betreffenden Wasserrechtsverfahren" ermöglicht worden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 1 AVG hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Behörde erster Instanz durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann nach Abs. 2 dieses Paragraphen die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen. Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde gemäß dem ersten Satz des § 66 Abs. 4 AVG, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.
Durch diese gesetzliche Regelung sollte gesichert werden, daß ein im Stadium der Berufung befindliches Verfahren möglichst auch zu einer Berufungsentscheidung in der Sache führt. Die Verweisung eines Verfahrens zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an die untere Instanz soll nur ausnahmsweise möglich sein. Es soll vermieden werden, daß die mit dem Zurücktritt eines Verfahrens in ein früheres Stadium verbundenen Rechtsfolgen, wie etwa die Wiedereröffnung des Instanzenzuges, zu einer Verlängerung des Verfahrens führen. Die Berufungsbehörde hat daher zu prüfen, ob sich zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens nicht ein einfacherer Weg als eine Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG anbietet; eine solche Aufhebung ist nur dort zulässig, wo sich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unvermeidlich erweist (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 522 ff, angeführte ständige Rechtsprechung, sowie aus jüngster Zeit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1991, Zl. 91/07/0117).
Der im vorliegenden Fall angefochtene aufhebende Bescheid der belangten Behörde entspricht, was die Beschwerdeführerin zutreffend aufzeigt, dieser Rechtslage nicht. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung ausschließlich damit begründet, daß sich den vorliegenden Planunterlagen nicht entnehmen lasse, "wie der genaue Verlauf der Grenze zwischen den Grundstücken des öffentlichen Wassergutes und der Gemeinde N liegt". Völlig unklar bleibt dabei nicht nur, warum ein derartiger Mangel nur im Wege der Durchführung einer (neuerlichen) mündlichen Verhandlung behoben werden könnte, sondern insbesondere auch, welchen Einfluß der genaue Grenzverlauf auf die Sachentscheidung der belangten Behörde gehabt haben sollte. Gegenstand der wasserrechtlichen Bewilligung in dem vor der belangten Behörde bekämpften erstinstanzlichen Bescheid war unbestritten das gesamte Projekt der mP, welches neben der Verbauung des A-Baches auch die Errichtung einer Brücke sowie einer Zufahrt zu dieser Brücke umfaßte. Weder das Vorbringen der Parteien noch die im Akt liegenden Planunterlagen ließen je Zweifel daran aufkommen, daß jedenfalls die Errichtung dieser Zufahrt nur unter Inanspruchnahme von Grundstücken der Beschwerdeführerin möglich war. Damit lag in Wahrheit auch kein Anlaß zu Zweifeln an der Parteistellung der Beschwerdeführerin im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren vor.
Die belangte Behörde, die im angefochtenen Bescheid eine hinreichende Begründung für ihr Vorgehen unterlassen hat, versucht erst in ihrer Gegenschrift, diesem Mangel abzuhelfen. Abgesehen davon jedoch, daß Ausführungen in der Gegenschrift fehlende Erörterungen im angefochtenen Bescheid keinesfalls zu ersetzen vermögen (vgl. dazu etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 607, angeführte Rechtsprechung), sind diese Ausführungen auch nicht stichhaltig für die Notwendigkeit einer Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG.
Da die belangte Behörde somit durch die Erlassung eines im Gesetz nicht gedeckten, gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufhebenden Bescheides die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 2 und 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelAnwendungsbereich des AVG §66 Abs4Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991070086.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
04.05.2012