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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der P-Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. November 1990, Zl. BauR-010527/1-1990 Ki/Wa, betreffend Auflage einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 25. Jänner 1990 die Baubewilligung zur Errichtung einer Wohn-, Büro- und Geschäftshausanlage samt Tiefgarage auf den Grundstücken Nr. n und m der KG Waldegg. An diese Bewilligung wurden zahlreiche Auflagen geknüpft. Unter Punkt 52) wurde vorgeschrieben, daß der Vorgarten im Bereich der Brucknerstraße sowie der Pillweinstraße als bepflanzte Grünfläche auszuführen und die Errichtung von Einstellplätzen in diesem Bereich unzulässig sei. Gleichzeitig wurde bei dem bewilligten Bauvorhaben die Verpflichtung zur Errichtung von sechs Stellplätzen nachgesehen.
Ausschließlich gegen die Auflage zu Punkt 52) richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin. Sie brachte vor, bereits im Jahre 1986 sei eine Baubewilligung und darin auch die Bewilligung zur Errichtung von vier Pkw-Abstellplätzen im Vorgartenbereich rechtskräftig erteilt worden. Der rechtswirksame Bebauungsplan SW 113/II enthalte keinen Hinweis auf das Verbot der Errichtung von Abstellplätzen im Vorgartenbereich.
Mit Bescheid vom 22. August 1990 gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, seit 17. Juli 1990 sei im gegenständlichen Bereich der Bebauungsplan SW 113/9 rechtswirksam. Dieser Bebauungsplan bestimme für die Vorgärten im Bereich der Brucknerstraße, der Pillweinstraße sowie der Dürnbergerstraße durch das Symbol "EU", daß Einstellplätze in diesem Bereich unzulässig seien. Diese Festlegung habe ihre Rechtsgrundlage im § 20 Abs. 2 Z. 11 des O.ö. Raumordnungsgesetzes (ROG). Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Berufungsbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides geltende Recht anzuwenden und somit auch von den im Zeitpunkt ihrer Entscheidung rechtswirksamen, im Verordnungswege erlassenen Bebauungsgrundlagen (z.B. Bebauungsplan) auszugehen habe, sei das Inkrafttreten des Bebauungsplanes SW 113/9 bei der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen gewesen. Die Beschwerdeführerin habe die Möglichkeit, entweder die Baubewilligung vom 29. Oktober 1986 mit den genehmigten vier Pkw-Stellplätzen im Vorgartenbereich zu konsumieren oder die angefochtene Baubewilligung vom 25. Jänner 1990 ohne die gegenständlichen Stellplätze heranzuziehen.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführerin gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. November 1990 keine Folge. In ihrer Begründung schloß sich die Gemeindeaufsichtsbehörde im wesentlichen der Rechtsansicht der Berufungsbehörde an.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. N.F. Nr. 9315/A, die Rechtsansicht, daß im allgemeinen die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise wäre etwa dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung anderes angeordnet hat, oder darüber abzusprechen ist, was zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Zur geltenden Rechtslage gehören auch die zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung rechtswirksamen Flächenwidmungs- oder Bebauungspläne. Weder die O.ö. Bauordnung (BO) noch das O.ö. Raumordnungsgesetz (ROG) kennen Regelungen, aus denen die Berücksichtigung einer anderen Rechtslage, als der zum Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung geltenden, abzuleiten wäre. Zu Recht hat daher die Berufungsbehörde den Bebauungsplan SW 113/9 der Berufungsentscheidung zugrundegelegt.
Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bereits im Jahre 1986 eine Baubewilligung erteilt wurde, in der vier Abstellplätze im Vorgartenbereich bewilligt wurden, vermag nichts daran zu ändern, daß nunmehr für das neu eingereichte Projekt aufgrund des Bebauungsplanes SW 113/9 Abstellplätze im Vorgartenbereich unzulässig sind. Ein Vergleich der Baupläne, die der Baubewilligung für F vom 30. Oktober 1986, Zl. 501/SW-918/84, zugrunde lagen, und jener, die Gegenstand der Baubewilligung vom 25. Jänner 1990 waren, zeigt, daß es sich hier um zwei völlig verschiedene Bauvorhaben handelt. Die Straßenansicht ist anders gestaltet, die innere Raumeinteilung, Anordnung der Stiegenhäuser, des Kellers, der KFZ-Abstellplätze usw. sind anders. Es steht der Beschwerdeführerin frei, sich für eine Liegenschaft mehrere Projekte genehmigen zu lassen und sodann eines dieser Projekte auszuführen (sofern nicht allenfalls durch Zeitablauf die ältere Bewilligung erloschen sein sollte), die Möglichkeit jedoch, aus einem bewilligten Projekt nur vier Abstellplätze, ansonsten jedoch ein völlig anderes, zu einem späteren Zeitpunkt eingereichtes und bewilligtes Projekt zu verwirklichen, ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Die angefochtene Auflage war auf § 49 Abs. 4 BO gestützt. Nach dieser Bestimmung sind bei der Erteilung der Baubewilligung die gemäß § 23 und der Durchführungsvorschriften hiezu sowie sonstiger baurechtlicher Bestimmungen im Interesse der Sicherheit, der Festigkeit, des Brand-, Wärme- und Schallschutzes, der Gesundheit und Hygiene, des Umweltschutzes und der Zivilisation sowie des Orts- und Landschaftsbildes in jedem einzelnen Fall erforderlichen Bestimmungen und Auflagen
a)
für das Bauvorhaben selbst,
b)
für die Ausführung des Bauvorhabens und
d)
für die Erhaltung und die Benützung des auf Grund der Baubewilligung ausgeführten Bauvorhabens vorzuschreiben.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Ansicht der Beschwerdeführerin, § 49 Abs. 4 BO sei keine taugliche Rechtsgrundlage für die gegenständliche Auflage, nicht zu teilen, kann doch die Freihaltung der Vorgärten von Einstellplätzen und die Herstellung einer bepflanzten Grünfläche in diesem Bereich sowohl der Gesundheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes als auch der positiven Gestaltung des Ortsbildes dienen.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, es sei ausgeschlossen, das Objekt mit Vorschreibungen so zu ändern, daß es nicht mehr mit dem vorherigen ident sei. Gerade dies tue aber der angefochtene Bescheid, indem er die planmäßig ausgewiesenen Stellplätze verbiete. In seinem Erkenntnis vom 21. Oktober 1974, Slg. N.F. Nr. 8685/A, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, unter "Bedingungen und Auflagen" könnten nur solche verstanden werden, welche am Bauvorhaben nichts wesentliches ändern, also seine Identität bestehen ließen. An dieser Ansicht, die auch in der Literatur vertreten wird (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht2, S. 85, sowie Mell/Schwimann, Grundriß des Baurechts, S. 255), hält der Verwaltungsgerichtshof weiterhin fest. In Verfolgung dieser Rechtsansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof aber nicht festzustellen, daß an einer Wohn-, Büro- und Geschäftshausanlage, bestehend aus je einer fünfgeschoßigen Hauptverbauung und einer dazwischen situierten Tiefgarage mit insgesamt 41 Stellplätzen, durch den Entfall von vier Pkw-Stellplätzen im Vorgartenbereich der Charakter oder die Identität des Bauvorhabens geändert würde. Schließlich würde auch die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin - freilich unter Berücksichtigung des Umstandes, daß zum Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung der Bebauungsplan SW 113/9 bereits rechtswirksam war - nur dazu führen, daß die Berufungsbehörde, für den Fall, daß sich die Bauwerberin nicht von sich aus bereit erklärt hätte, das Bauvorhaben einzuschränken, die Baubewilligung hätte versagen müssen.
Nach ihrem weiteren Vorbringen erachtet die Beschwerdeführerin die Änderung des maßgeblichen Bebauungsplanes nicht durch die Bestimmung des § 23 ROG gedeckt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Verordnungsakt Einsicht genommen und festgestellt, daß im Amtsbericht des Planungsamtes vom 11. April 1990 das Verbot der Errichtung von Stellplätzen im Vorgartenbereich konkret damit begründet wurde, daß damit die Grünflächenanteile im Vorgarten gesichert, eine entsprechende Bepflanzungsqualität erzielt und ein Beitrag zur Erhaltung bzw. Erzielung eines ansprechenden Siedlungsbildes (Straßenraumbegrünung) geleistet wird. Da der Bebauungsplan SW 113/II am 17. Februar 1969 kundgemacht und daher im Zeitpunkt der nunmehrigen Bebauungsplanänderung mehr als 20 Jahre in Geltung stand, scheint es dem Verwaltungsgerichtshof sachlich nicht ungerechtfertigt, neuere, städtebauliche Zielsetzungen einfließen zu lassen. Der Zweck der Änderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne liegt ja gerade darin, neuen Vorstellungen über die optimale Gestaltung des Raumes Rechnung zu tragen (vgl. Hauer, Raumordnungsgesetze der österreichischen Bundesländer, S. 21).
In der Änderung des Bebauungsplanes liegt auch kein Verstoß gegen § 23 Abs. 4 ROG, wonach auf Nutzungen, die der bisherigen Widmung entsprechen, bei Änderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne tunlichst Rücksicht zu nehmen ist. Es geht bereits aus dem Wort "tunlichst" hervor, daß aus dieser Bestimmung kein generelles Gebot ableitbar ist, bestehende Nutzungen im Zuge einer Änderung des Bebauungsplanes auf jeden Fall zu übernehmen, was eine zukunftsorientierte Stadtplanung verhindern würde.
Die Beschwerdeführerin vertritt weiters die Ansicht, § 20 ROG biete keine Rechtsgrundlage für das Verbot der Anordnung von Kfz-Stellplätzen im Vorgartenbereich durch den Bebauungsplan. Dieser Ansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Nach § 19 Abs. 3 ROG ist bei der Aufstellung der Bebauungspläne die im Interesse der baulichen Ordnung erforderliche räumliche Verteilung der Gebäude und sonstigen Anlagen sowie gegebenenfalls das Maß der baulichen Nutzung nach Möglichkeit so festzulegen, daß eine gegenseitige Beeinträchtigung vermieden wird. Insbesondere ist auf ein ausreichendes Maß an Licht, Luft und Sonne sowie auf die Erfordernisse des Umweltschutzes, der Hygiene und der Feuersicherheit Rücksicht zu nehmen. Nach § 20 Abs. 2 ROG können in den Bebauungsplänen nach Maßgabe des § 19 darüber hinaus insbesondere festgelegt oder ausgewiesen werden: ".... Z. 11: Abstellplätze für Kraftfahrzeuge; ...." Aus der Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen ergibt sich, daß nicht nur Abstellplätze für Kraftfahrzeuge nach § 20 Abs. 2 Z. 11 festgelegt werden können, sondern auch die Freihaltung bestimmter Bereiche von Abstellplätzen, und zwar im Hinblick auf die Möglichkeit der Festsetzung der räumlichen Verteilung sonstiger Anlagen.
Schließlich teilt der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die Ansicht der Beschwerdeführerin, § 20 Abs. 2 ROG sei zu wenig determiniert. Der Verfassungsgerichtshof hat in langjähriger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß der Inhalt der beabsichtigten Regelung der Verordnung im Gesetz vorher bestimmt sein muß, sich aus dem Gesetz also die wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung durch den Verordnungsgeber ersehen lassen müssen (Slg. Nr. 176/23, 1765/29, 2223/51, vgl. auch Hauer, Raumordnungsgesetze der österreichischen Bundesländer, S. 13). Auf Grund der Zitierung des § 19 ROG im § 20 Abs. 2 leg. cit. sowie der dort enthaltenen demonstrativen Aufzählung scheint eine hinreichende materielle Determinierung der darauf zu gründenden Verordnung gegeben. Aus den dargelegten Erwägungen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof somit weder zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 B-VG hinsichtlich des Bebauungsplanes noch gemäß Art. 140 B-VG hinsichtlich des § 20 Abs. 2 ROG veranlaßt.
Da sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, hinsichtlich der mitbeteiligten Partei im Rahmen des Kostenbegehrens.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991050007.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
03.03.2014