TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/2 91/19/0114

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Veröffentlicht am 02.12.1991
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 9. April 1991, Zl. St 47-1/91, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) wurde (im Punkt 2.) gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 und § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 1. Dezember 1993 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 9. Oktober 1990 wegen der Übertretungen gemäß § 14b Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz, gemäß § 16 Z. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Meldegesetz 1972 und gemäß § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Paßgesetz 1969 rechtskräftig bestraft worden. Weiters sei er mit rechtskräftigem Straferkenntnis dieser Behörde vom 9. November 1990 wegen einer weiteren Übertretung gemäß § 14b Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz bestraft worden. Auf Grund dieser Bestrafungen sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall Fremdenpolizeigesetz erfüllt und die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Die Interessenabwägung im Sinne des § 3 Abs. 3 leg. cit. falle zum Nachteil des Beschwerdeführers aus, weil den hier maßgebenden öffentlichen Interessen, insbesondere dem Interesse an der Aufrechterhaltung eines "halbwegs geordneten" Fremdenpolizeiwesens, wesentlich größeres Gewicht beizumessen sei als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich. Da der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unrechtmäßig gewesen sei, könne er, abgesehen von seiner kurzen Dauer, nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Familiäre Bindungen an Österreich bestünden nicht. Die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens falle nicht ins Gewicht, weil es sich bei der vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit als Hilfskraft im Gastgewerbe nicht um eine qualifizierte Tätigkeit handle, die nur in Österreich ausgeübt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten wie folgt:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

              2.              Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen von Bestrafungen wegen insgesamt vier Übertretungen nach den im § 3 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz genannten Gesetzen. Er meint jedoch, man hätte berücksichtigen müssen, daß sämtliche Übertretungen sich aus einem "einzigen Sachverhalt" ergäben, nämlich aus dem Versuch des Beschwerdeführers, "vom Status des 'Illegalen' in die Legalität zu kommen".

Dem Beschwerdeführer gelingt es damit nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil sich auf Grund seiner Ausführungen nichts an der rechtlichen Wertung der rechtskräftigen Bestrafung wegen der insgesamt vier oben bezeichneten Übertretungen ändert.

Da somit der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall Fremdenpolizeigesetz verwirklicht ist, ist die belangte Behörde in rechtlich unbedenklicher Weise zu dem Ergebnis gelangt, es sei die Annahme gerechtfertigt, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet den im § 3 Abs. 1 leg. cit. genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1990, Zl. 90/19/0476, und vom 15. April 1991, Zl. 91/19/0011).

              3.              Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der Vornahme der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Interessen seines Arbeitgebers an seinem weiteren Aufenthalt in Österreich haben bei dieser Interessenabwägung außer Betracht zu bleiben, weil nach der genannten Gesetzesstelle die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie zu berücksichtigen sind, nicht aber wirtschaftliche Folgen des Aufenthaltsverbotes für den Arbeitgeber des betreffenden Fremden. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf Grund der für ihn erteilten Beschäftigungsbewilligung geltend macht, es bestünde ein öffentliches Interesse an seinem weiteren Aufenthalt in Österreich, ist ihm entgegenzuhalten, daß - unabhängig von der Frage, ob sich das von ihm behauptete öffentliche Interesse aus der Beschäftigungsbewilligung überhaupt ergeben kann - die Berücksichtigung eines solchen öffentlichen Interesses von vornherein nicht in Betracht kam, weil im § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz allein die Abwägung der im § 3 Abs. 1 leg. cit. angeführten öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des betreffenden Fremden normiert ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 90/19/0569).

Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, daß er sich seit 11. September 1989 in Österreich aufhalte, ist ihm zu erwidern, daß die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich - abgesehen von seiner Kürze - schon deshalb nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen kann, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieses Kriterium nur insoweit von Bedeutung ist, als es sich um einen rechtmäßigen Aufenthalt gehandelt hat (siehe die hg. Erkenntnisse vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0517, und vom 15. April 1991, Zl. 91/19/0011), und der Beschwerdeführer nach der Aktenlage bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Aufenthaltsberechtigung besessen hat.

              4.              Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190114.X00

Im RIS seit

02.12.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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