Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art130 Abs1 litbLeitsatz
Amtshandlungen im Verlauf einer Paß- und Zollkontrolle; kein Nachweis für ein Untersagen des Verlassens der Wartehalle des Bahnhofs; kein striktes Verbot zu telephonieren; keine gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt durch das an ihre Begleiterin gerichtete Verbot der Anwesenheit während der Amtshandlung; Zurückweisung der Beschwerde wegen Fehlens eines tauglichen Beschwerdegegenstandes; berechtigte Annahme einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen §35 FinStrG; Abweisung der Beschwerde gegen die Hinderung des Verlassens des Zollamtes während der Gepäckskontrolle durch Zollorgane; zum Begriff der Verhaftung; Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit der Beschwerdeführerin im mit solchen Amtshandlungen üblicherweise verbundenen Ausmaß; keine Verletzung im Recht auf persönliche FreiheitSpruch
Die Beschwerdeführerin ist dadurch, daß sie am Nachmittag des 22. Juni 1987 infolge einer Amtshandlung eines Organes des Zollamtes Arnoldstein daran gehindert war, jenen Raum des Zollamtes Arnoldstein, in dem die Durchsuchung ihres Gepäcks stattfand, während der Dauer dieser Amtshandlung zu verlassen, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch diese Amtshandlung in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
In diesem Umfang wird der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Bund (Bundesminister für Finanzen) die mit S 2.478,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) E R beantragt mit ihrer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof die kostenpflichtige Feststellung, sie sei dadurch, daß ihr am 22. Juni 1987 durch ein Organ des Zollamtes Arnoldstein verboten wurde, den Wartesaal des Bahnhofes Villach sowie jenen Raum des Zollamtes Arnoldstein, in dem die Durchsuchung ihres Gepäcks stattfand, zu verlassen, weiters durch die Verbote, zu telephonieren und während der sie betreffenden Amtshandlung im Zollamt Arnoldstein mit ihrer Begleiterin zu sprechen, demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Art8 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, im folgenden: StGG) verletzt worden. Hilfsweise wird die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.
b) In der Beschwerde wird der Sache nach im wesentlichen vorgebracht:
Die Beschwerdeführerin sei am 22. Juni 1987 bei ihrer Einreise nach Österreich von einem beim Zollamt Arnoldstein Dienst versehenden Zollwachebeamten im Zusammenhang mit einer im Zug vorgenommenen Kontrolle ihres Gepäcks beim Eintreffen in Villach gegen 15 Uhr 30 zum Verlassen des Zuges aufgefordert, in den Wartesaal des Bahnhofes geleitet, am Verlassen dieses Wartesaales gehindert und nach etwa 3/4 Stunden samt ihrem Gepäck mit einem inzwischen herbeigerufenen Dienstkraftwagen zum Zollamt Arnoldstein gebracht worden. Der Beamte habe der Beschwerdeführerin verboten, zu telephonieren. Am Zollamt Arnoldstein sei es der Beschwerdeführerin während der eingehenden Durchsuchung ihres Gepäcks nicht gestattet worden, den Raum, in dem diese Durchsuchung stattfand, zu verlassen; sie sei auch hier daran gehindert worden, vor Abschluß der Amtshandlung zu telephonieren und mit ihrer Begleiterin - der man verboten habe, bei der Durchsuchung des Gepäcks der Beschwerdeführerin anwesend zu sein - zu sprechen.
2. Das Zollamt Arnoldstein als belangte Behörde erstattete unter Vorlage des Verwaltungsaktes eine Gegenschrift und beantragte darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Für die Teilnahme eines rechtskundigen Vertreters der belangten Behörde an der im Zuge des Vorverfahrens durchgeführten Tagsatzung zur Beweisaufnahme vor dem Bezirksgericht Zwettl am 15. Februar 1988 wurde ein Kostenersatz von S 2.478,-- begehrt.
In der Gegenschrift wird im wesentlichen ausgeführt, eine im Zugabteil durchgeführte erste Kontrolle des Reisegepäcks der Beschwerdefüherin habe beim einschreitenden Organ des Zollamtes Arnoldstein den Verdacht erhärtet, die Beschwerdeführerin habe verschiedene in Italien erworbene Waren in das Zollgebiet einzuschmuggeln versucht. Die Beschwerdeführerin sei daher aufgefordert worden, den Zug im Hauptbahnhof in Villach zu verlassen, um sie einzuvernehmen und gegen sie als Beschuldigte ein Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes des versuchten Schmuggels einzuleiten. Die von der Beschwerdeführerin nicht erklärten Waren seien zunächst beschlagnahmt, nach dem Erlag eines Geldbetrages durch die Beschwerdeführerin aber freigegeben worden.
Den Beschwerdebehauptungen wird entgegengehalten, die Beschwerdeführerin sei am Verlassen des Bahnhofwartesaales nicht gehindert worden. Dem von ihr erstmals um 19 Uhr 30 vorgebrachten Wunsch, zu telephonieren, habe das amtshandelnde Zollorgan nicht widersprochen, die Beschwerdeführerin habe sich jedoch aus eigenem erst nach Beendigung der Amtshandlung zu der im Bahnhof Arnoldstein befindlichen öffentlichen Fernsprechzelle begeben. Während der Aufnahme der Niederschrift sei der Beschwerdeführerin nicht gestattet worden, mit ihrer Reisebegleiterin zu sprechen, weil das in dieser Phase der Amtshandlung der Wahrheitsfindung abträglich gewesen wäre.
II. Auf Grund des Beschwerdevorbringens, der Ausführungen in der Gegenschrift, des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie der im Rechtshilfeweg durchgeführten Einvernahme der Zeugin S S und der Beschwerdeführerin als Partei erachtet der Verfassungsgerichtshof folgenden für die Beurteilung der Beschwerde wesentlichen Sachverhalt als erwiesen:
Am 22. Juni 1987 wurde die mit dem Zug von Italien nach Österreich einreisende Beschwerdeführerin von dem im Zug die Paßkontrolle durchführenden Zollorgan nach mitgeführten Waren befragt. Ihre Angabe, im Ausland nur Reiseandenken und kleinere Geschenke erworben zu haben, präzisierte sie nach näherer Befragung auf Waren im Wert von S 700,-- bis S 800,--. Nachdem das Zollorgan bei einer noch im Zugabteil durchgeführten ersten Kontrolle des Reisegepäcks der Beschwerdeführerin einige von der Beschwerdeführerin nicht angegebene, neuwertige, zum Teil noch in aus Italien stammenden Einkaufstaschen befindliche Kleidungsstücke und in der von der Beschwerdeführerin vorgewiesenen Brieftasche auf italienische Währung lautende Kreditkartenabschriften gefunden hatte, forderte es die Beschwerdeführerin (und die mit ihr reisende S S) um etwa 15 Uhr 30 auf, den inzwischen in Villach eingetroffenen Zug zu verlassen. Dies in der Absicht, die Amtshandlung in den Räumen des Zollamtes Arnoldstein fortzusetzen, da das Zollamt Villach bereits geschlossen war. Die Beschwerdeführerin leistete der Aufforderung ohne weiteres Folge. Sie wurde in den Bahnhofswartesaal geleitet, um dort das Eintreffen des inzwischen herbeigerufenen Dienstkraftwagens abzuwarten, mit dem sie sodann samt Gepäck zum Zollamt Arnoldstein gebracht wurde. Während des etwa 20 Minuten dauernden Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Wartesaal hielt sich das Zollorgan außerhalb dieses Raumes auf, jedoch so, daß es die Beschwerdeführerin durch eine Glastüre beobachten konnte.
In einem Nebenraum der Abfertigungshalle des Zollamtes Arnoldstein, Zweigstelle Bahnhof, führte das einschreitende Zollorgan in der Folge, von einem zweiten Beamten unterstützt, in Anwesenheit der Beschwerdeführerin eine eingehende Revision ihres Gepäcks durch und nahm mit der Beschwerdeführerin anschließend eine Niederschrift ("Tatbeschreibung") auf. Diese Amtshandlung wurde um etwa 20 Uhr abgeschlossen.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.a) Art8 StGG, auf den sich die Beschwerdeführerin beruft, gewährt - ebenso wie Art5 MRK (vgl. zB VfSlg. 7608/1975, 8815/1980) - Schutz gegen gesetzwidrige Verhaftung (VfSlg. 3315/1958 ua.). Unter Verhaftung ist in diesem Zusammenhang die unmittelbare Herbeiführung einer Freiheitsbeschränkung durch eine Amtshandlung der staatlichen Vollzugsgewalt zu verstehen (vgl. etwa VfSlg. 8879/1980). Der Begriff der Verhaftung ist im materiellen Sinn aufzufassen, sodaß darunter jede Maßnahme zu verstehen ist, durch die in die persönliche Freiheit des einzelnen mit physischen Mitteln eingegriffen wird (zB VfSlg. 5963/1969, 6102/1969, 8879/1980). Eine Beschränkung der physischen Bewegungsfreiheit ist jedoch dann nicht als Verhaftung zu werten, wenn sie nur ein Begleitumstand einer auf andere Zwecke gerichteten Amtshandlung ist. Von einer Verhaftung kann demnach nur dann die Rede sein, wenn der Wille der Behörde primär auf eine solche Freiheitsbeschränkung gerichtet ist (vgl. zB VfSlg. 8879/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur, ferner etwa VfSlg. 10.317/1985, B794/86 vom 26. 6. 1987), nicht aber auch dann, wenn eine andere Maßnahme den Betroffenen nötigt, längere Zeit bei der Behörde (oder ihren Hilfsorganen) zu verweilen, die Beschränkung der Freiheit also (nur) die sekundäre Folge einer Anwesenheitspflicht ist (vgl. etwa VfSlg. 5280/1966, 5963/1969, 7298/1974, 8296/1978, 8327/1978, S 403, 8879/1980). Insbesondere kann die mit einer Vernehmung einhergehende Ortsanwesenheit des Vernommenen einer Verhaftung nicht gleichgehalten werden (siehe zB VfSlg. 1808/1949, 3022/1956, 9917/1984, S 49).
b) Die Beschwerdeführerin erblickt eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit zunächst darin, daß sie von dem einschreitenden Organ des Zollamtes Arnoldstein daran gehindert worden sei, den Wartesaal des Bahnhofes in Villach zu verlassen.
Dieser Beschwerdebehauptung steht die Aussage der Beschwerdeführerin vor dem Rechtshilfegericht entgegen, sie und ihre Begleiterin hätten den einschreitenden Zollwachebeamten (abgesehen von dem auf dem Weg zum Wartesaal geäußerten Wunsch, zu telephonieren) nicht gefragt, ob sie den Wartesaal verlassen dürfen. Dies deckt sich mit der Zeugenaussage der Begleiterin, die angab, weder sie noch die Beschwerdeführerin hätten einen (ernstlichen) Versuch unternommen, wegzugehen. Damit steht die Angabe des einschreitenden Zollwachebeamten im Einklang, der sowohl in seiner Stellungnahme an das Zollamt Arnoldstein vom 9. 10. 1987 als auch bei seiner Einvernahme durch den Leiter der Zweigstelle Bahnhof des Zollamtes Arnoldstein am selben Tag angab, er habe der Beschwerdeführerin das Verlassen des Wartesaales nicht untersagt. Es ist somit davon auszugehen, daß die Erlassung des in Rede stehenden Verbotes an die Beschwerdeführerin nicht erwiesen werden konnte, weshalb es in diesem Punkt an einem tauglichen Beschwerdegegenstand mangelt. Die Beschwerde war daher in diesem Umfang zurückzuweisen.
c) Als eine weitere Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit rügt die Beschwerdeführerin, sie sei von dem einschreitenden Organ des Zollamtes Arnoldstein daran gehindert worden, jenen Nebenraum der Abfertigungshalle dieses Zollamtes, in dem die Durchsuchung ihres Gepäcks stattfand, zu verlassen.
Das die Paß- und Zollkontrolle im Zug vornehmende Zollorgan konnte unter den in der Beschwerde und in der Gegenschrift im wesentlichen übereinstimmend dargestellten, durch die Zeugin und die Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme durch das Rechtshilfegericht bestätigten Umständen berechtigterweise davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin vorsätzlich eine Zuwiderhandlung gegen §35 Finanzstrafgesetz, BGBl. 129/1958 idgF, begangen habe. Die von ihm in der Folge durchgeführten Amtshandlungen (insbesondere die Fortsetzung der im Zug begonnenen Kontrolle des Gepäcks, die Einvernahme der Beschwerdeführerin und die Beschlagnahme der verfallsbedrohten Waren) standen im Zusammenhang mit der den Zollorganen nach §25 Abs1 Zollgesetz 1955, BGBl. 129 (in der hier maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. 188/1985; in der Folge ZG 1955) unter anderem obliegenden Aufgabe, Zollzuwiderhandlungen aufzudecken und deren nähere Umstände zu erforschen. Der Ablauf des hier zu beurteilenden Geschehens insgesamt läßt erkennen, daß die Absicht des einschreitenden Zollorganes nicht primär auf eine Beschränkung der Freiheit der Beschwerdeführerin, sondern darauf gerichtet war, die im Zug begonnene Amtshandlung fortzusetzen und die ihm unter den gegebenen Umständen sonst noch erforderlich erscheinenden Maßnahmen durchzuführen. Der Umstand, daß sich die Beschwerdeführerin bis zum Abschluß dieser Amtshandlungen in einem Nebenraum der Abfertigungshalle des Zollamtes Arnoldstein aufhalten mußte - nach §24 Abs4 ZG 1955 ist jedermann verpflichtet, den von den Zollorganen in Ausübung ihres Dienstes ergangenen (als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehenden) Aufforderungen Folge zu leisten -, war demnach nur die Folge der dort durchgeführten, insbesondere die Einvernahme der Beschwerdeführerin einschließenden Amtshandlungen. Daß die Wartezeit länger als unvermeidbar gedauert hätte, wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet und ist auch sonst nicht erkennbar. Es ergibt sich somit insgesamt kein Anhaltspunkt dafür, daß die durch das erforderliche Warten bedingte Beschränkung der Freiheit der Beschwerdeführerin das Ausmaß der mit solchen Amtshandlungen üblicherweise verbundenen Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit überschritten hätte.
In der für die Beschwerdeführerin bewirkten Notwendigkeit, bis zum Schluß der Amtshandlung zuzuwarten, liegt somit keine Verhaftung. Demnach ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch das hier in Rede stehende Verwaltungshandeln entgegen ihrer in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Art8 StGG iVm Art5 MRK) nicht verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher insoweit, da die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes in diesem Punkt weder behauptet wurde noch im Verfahren hervorkam und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem hier in Rede stehenden Verwaltungshandeln zugrundeliegenden Rechtsvorschriften nicht entstanden sind, als unbegründet abzuweisen.
Hinzuzufügen bleibt, daß die Prüfung der einfach-gesetzlichen Rechtmäßigkeit des hier in Rede stehenden Verwaltungshandelns nicht in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fällt, sondern dem Verwaltungsgerichtshof obliegt (Art129 und 130 Abs1 litb B-VG) und darum in diesem Beschwerdeverfahren unerörtert bleiben muß (vgl. etwa VfSlg 10378/1985).
2.a) Eine weitere Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit macht die Beschwerdeführerin mit der Behauptung geltend, das einschreitende Zollorgan habe ihr verboten, während des Aufenthaltes im Wartesaal des Bahnhofes Villach und während der sie betreffenden Amtshandlung im Zollamt Arnoldstein zu telephonieren, obwohl sie dies wiederholt mit dem Hinweis verlangt habe, ihren (sie am Bahnhof in Wien erwartenden) Ehegatten von ihrer verspäteten Ankunft zu verständigen.
b) Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 4054/1961 (vgl. auch VfSlg. 7377/1974) ausgesprochen hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen bereits die Unterbrechung einer Telephonverbindung durch die einschreitenden Organe als Beschränkung der persönlichen Freiheit und damit als "Verhaftung" des Betroffenen im Sinne des Art8 StGG gewertet werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn durch die Unterbrechung des Ferngespräches zum Ausdruck kommt, daß der Betroffene sich nicht frei bewegen darf, er also aus dem Handeln der einschreitenden Organe vernünftigerweise nur folgern kann, daß er nicht in der Lage ist, beliebige Ortsveränderungen durchzuführen; es muß sich aus dem Verhalten des Organes schlüssig ergeben, daß der hievon Betroffene nicht mehr persönlich frei ist.
c) In der Beschwerde wird vorgebracht, das einschreitende Zollorgan habe der Beschwerdeführerin erstmals im Wartesaal des Bahnhofes Villach verboten zu telephonieren und, als sie während der sie betreffenden Amtshandlung im Zollamt Arnoldstein immer heftiger darauf drängte, telephonieren zu dürfen, ihr lediglich freigestellt, einen Anwalt anzurufen. Bei ihrer im Rechtshilfeweg durchgeführten Einvernahme gab die Beschwerdeführerin an, sie habe schon in Villach auf dem Weg in den Bahnhofswartesaal an das Zollorgan die Frage gerichtet, ob sie "hier irgendwo telephonieren" könne, was der Beamte mit der Bemerkung verneint habe, das könne sie später auch noch tun. Nach dem Eintreffen in Arnoldstein und während der dort durchgeführten, die Beschwerdeführerin betreffenden Amtshandlung sei der wiederholte und mit entsprechender Begründung (Verständigung des die Beschwerdeführerin in Wien erwartenden Ehegatten) vorgebrachte Wunsch, zu telephonieren, jeweils mit der Begründung abgelehnt worden, daß dazu nach Beendigung der Amtshandlung noch genügend Zeit sei.
d) In der Gegenschrift wird vorgebracht, das einschreitende Zollorgan habe die Beschwerdeführerin in Villach nicht daran gehindert - mit welcher Person auch immer - zu telephonieren. Sie sei sogar auf die Möglichkeit hingewiesen worden, Ferngespräche von der öffentlichen Fernsprechzelle am Bahnhof Arnoldstein aus zu führen. Den Wunsch, mit ihrem Ehegatten zu telephonieren, habe die Beschwerdeführerin jedoch erstmals um 19 Uhr 30 geäußert. Diesem Begehren habe das Zollorgan "nicht widersprochen", doch habe die Beschwerdeführerin erst nach Beendigung der Amtshandlung die öffentliche Fernsprechzelle am Bahnhof Arnoldstein aufgesucht. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 9. 10. 1987 und in seinen niederschriftlich gemachten Angaben vom gleichen Tag bestätigt das Zollorgan diese Ausführungen und ergänzt sie dahin, daß die Beschwerdeführerin den Wunsch, zu telephonieren, in Villach überhaupt nicht und in Arnoldstein erst um 19 Uhr 30 geäußert habe, woraufhin ihr die Benützung der öffentlichen Fernsprechzelle am Bahnhof Arnoldstein angeboten worden sei, von welcher Möglichkeit sie aber vorerst keinen Gebrauch gemacht habe. Die im Rechtshilfeverfahren als Zeugin vernommene Begleiterin der Beschwerdeführerin, S S, gab an, daß die Bitte, telephonieren zu dürfen, bereits in Villach - möglicherweise auf dem Weg vom Bahnhof zum Dienstkraftwagen - geäußert worden sei und daß die Beschwerdeführerin und die Zeugin sich in Arnoldstein, nachdem sie neuerlich die Auskunft erhalten hätten, nicht telephonieren zu dürfen, damit abgefunden und nicht weiter insistiert hätten.
e) Der Verfassungsgerichtshof folgt in diesem Punkt den Angaben der Beschwerdeführerin und der Zeugin, daß die Beschuldigte den Wunsch, zu telephonieren, nicht erst um 19 Uhr 30 (also zu der Zeit, als sie in Wien hätten eintreffen sollen), sondern bereits früher, und zwar nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin und der Zeugin in Villach, geäußert haben. Dies anzunehmen ist insofern naheliegend, als die Beschwerdeführerin von ihrem Ehegatten am Bahnhof in Wien erwartet wurde und daher bestrebt sein mußte, ihn von ihrem Nichteintreffen zu der vorgesehenen Ankunftszeit zu verständigen. Der Verfassungsgerichtshof vermag jedoch darin, daß das Zollorgan die Beschwerdeführerin - wie sie selbst angibt - (lediglich) darauf verwies, daß später noch Gelegenheit zum Telephonieren sei, nicht ein striktes Telephonierverbot zu erkennen. Dies umsoweniger, als die Beschwerdeführerin, wie sie selbst einräumt, über ihr Recht, einen Rechtsanwalt zu verständigen, aufgeklärt wurde, eine solche Verständigung aber praktisch nur auf telephonischem Wege hätte erfolgen können. Alles in allem genommen ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, daß die Beschwerdeführerin an der Verwirklichung ihrer Absicht, zu telephonieren, nicht gehindert wurde.
Es liegt somit in dem von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang bekämpften Verhalten des Zollorganes - anders als im Fall des Erkenntnisses VfSlg. 4054/1964 - keine Freiheitsbeschränkung, die über die mit der gegenständlichen Amtshandlung verbundene Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfreiheit hinausging. Demnach liegt insoweit keine Verhaftung vor. Es fehlt daher auch in dieser Hinsicht an einem tauglichen Beschwerdegegenstand, weshalb dieser Teil der Beschwerde zurückgewiesen werden mußte.
3. Die Beschwerdeführerin erblickt schließlich eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit darin, daß ihre Begleiterin gehindert wurde, bei der "Durchsuchung" des Gepäcks der Beschwerdeführerin anwesend zu sein und daß der Beschwerdeführerin nicht gestattet wurde, währenddessen mit ihrer Begleiterin zu sprechen.
In der Gegenschrift wird diesem Vorbringen entgegengehalten, der Beschwerdeführerin sei lediglich während der Aufnahme der Niederschrift (in einem Nebenraum der Abfertigungshalle des Zollamtes Arnoldstein) nicht gestattet worden, mit ihrer Begleiterin zu sprechen.
Bei ihrer im Rechtshilfeweg durchgeführten Einvernahme gab die Beschwerdeführerin sinngemäß an, das Zollorgan habe den Wunsch ihrer Begleiterin, sich in den Raum zu begeben, in dem die die Beschwerdeführerin betreffende Amtshandlung stattfand, um bei dieser Amtshandlung anwesend zu sein, abgelehnt. Mit dieser Angabe deckt sich die zeugenschaftliche Aussage ihrer Begleiterin, sie habe sich bei der Untersuchung des Gepäcks der Beschwerdeführerin "einmischen" wollen, worauf ihr bedeutet worden sei, daß dies nicht erlaubt sei und sie hinausgehen müsse.
Selbst wenn man den Angaben der Beschwerdeführerin und der Zeugin folgt, ist für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen: Es ergibt sich nämlich auch daraus, daß das Verbot, bei der Kontrolle des Reisegepäcks der Beschwerdeführerin anwesend zu sein, nicht an die Beschwerdeführerin, sondern an deren Begleiterin gerichtet war. Daß die Beschwerdeführerin während der Nichtanwesenheit ihrer Begleiterin daran gehindert war, mit dieser zu sprechen, war demnach bloß die Folge des gegenüber der Begleiterin ausgesprochenen Verbotes.
Somit liegt auch in diesem Punkt kein gegen die Beschwerdeführerin gerichteter Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und damit kein tauglicher Beschwerdegegenstand vor. Es mußte daher die Beschwerde auch insoweit zurückgewiesen werden.
4. Die Beschwerde war im Umfang ihrer Abweisung gemäß Art144 Abs3 erster Satz B-VG idF des BVG BGBl. 296/1984 dem gestellten Eventualantrag gemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
Im übrigen war der Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzuweisen, weil eine solche Abtretung gemäß Art144 Abs3 erster Satz B-VG nur im Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder einer Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof vorgesehen ist, nicht hingegen auch bei Zurückweisung einer unzulässigen Beschwerde (vgl. zB VfSlg. 10318/1985; VfGH B376/87, B512/87 v. 5. 10. 1987).
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
Finanzstrafrecht, Festnehmung, Verhaftung, VfGH / Abtretung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Zollkontrolle, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B782.1987Dokumentnummer
JFT_10109686_87B00782_00