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10/10 Grundrechte;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der S-GmbH in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens gemäß § 42 Abs. 4 VwGG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die belangte Behörde hat über den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 23. April 1990 in Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes, daß Anträge auf Erteilung einer Berechtigung zur Herstellung von Kennzeichentafeln gemäß § 49 Abs. 5 KFG 1967 bescheidmäßig zu erledigen sind, binnen acht Wochen zu entscheiden.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 5.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In der auf Art. 132 B-VG gestützten Beschwerde macht die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde über ihren Antrag vom 23. April 1990 auf Erteilung einer Berechtigung zur Herstellung von Kennzeichentafeln gemäß § 49 Abs. 5 KFG 1967 geltend und beantragt die Erteilung der genannten Berechtigung.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 49 Abs. 5 KFG 1967 dürfen Kennzeichentafeln nur von Personen hergestellt werden, denen die Berechtigung hiezu vom Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr verliehen wurde, und nur zu den vom genannten Bundesminister festgesetzten Bedingungen. Der Bundesminister hat festzusetzen, aus welchem Stoff und in welcher Ausführung die Tafeln herzustellen und zu welchen Bedingungen und an welche Auftraggeber die Tafeln zu liefern sind. Die Berechtigung darf nur vertrauenswürdigen Personen verliehen werden. Sie ist zu entziehen, wenn die Vertrauenswürdigkeit nicht mehr gegeben ist; sie kann entzogen werden, wenn die festgesetzten Bedingungen nicht eingehalten wurden.
Die belangte Behörde geht zu Unrecht davon aus, daß die vorliegende Säumnisbeschwerde unzulässig sei, weil die beschwerdeführende Partei keinen Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung ihres Antrages habe. Beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben in ihrer bisherigen Rechtsprechung einen gegenteiligen Standpunkt vertreten. So hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. März 1970, Slg. Nr. 6141, ausgesprochen, daß das der Behörde im § 49 Abs. 5 KFG 1967 eingeräumte Ermessen im Gesetz hinreichend determiniert ist. Er hat den Gesetzesprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes nicht etwa mangels Präjudizialität zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen und im Erkenntnis vom 29. Juni 1970, Zl. 1466/68, einen Bescheid der damals zuständigen Kraftfahrbehörde betreffend Abweisung eines Antrages auf Erteilung der Berechtigung nach § 49 Abs. 5 KFG 1967 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Beiden Erkenntnissen liegt zugrunde, daß Anträge auf Erteilung einer Berechtigung nach der genannten Bestimmung jedenfalls bescheidmäßig zu erledigen sind. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zumal damit eine Rechtsprechungsdivergenz zwischen den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts begründet würde.
Die von der belangten Behörde ins Treffen geführte, die Bestellung von Sachverständigen nach den §§ 125 und 126 KFG 1967 betreffende Rechtslage ist insofern anders, als es dort um die Bestellung in ein öffentliches Amt im weitesten Sinn, somit in eine staatliche Funktion, geht, weswegen der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang einen Bescheidanspruch von Bewerbern um die Bestellung zum Sachverständigen verneint hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1990, Zl. 90/11/0094). Nach § 49 Abs. 5 KFG 1967 geht es aber um die Verleihung einer Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Bereits die sprachliche Fassung der in Rede stehenden Bestimmungen des KFG 1967 ist unterschiedlich. Vor dem Hintergrund der in Betracht zu ziehenden Grundrechte ist dieser Unterschied auch entscheidend. In Ansehung der Zugänglichkeit zu öffentlichen Ämtern im Sinne des Art. 3 StGG besteht (abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen aus dem Bereich des Lehrerdienstrechtes) lediglich das Recht auf Entgegennahme der Bewerbung um ein öffentliches Amt, nicht aber auf bescheidmäßigen Abspruch über diese Bewerbung oder gar auf Verleihung (vgl. die bei Klecatsky-Morscher, Bundesverfassungsrecht, 3. Auflage, S 848 zitierte Rechtsprechung). Bei dem Ansuchen um Verleihung der Berechtigung zur Herstellung von Kennzeichentafeln, demnach beim Antrag auf Ermöglichung des Antrittes einer Erwerbstätigkeit, muß im Lichte des Grundrechtes auf Freiheit der Erwerbstätigkeit im Sinne des Art. 6 StGG das Gegenteil angenommen werden.
Die belangte Behörde hätte daher über den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 23. April 1990 ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen zu beurteilen und den Antrag bescheidmäßig zu erledigen gehabt.
Da die belangte Behörde die versäumte Entscheidung nur auf Grund ihrer verfehlten Rechtsansicht unterlassen hat, es treffe sie keine Verpflichtung zur bescheidmäßigen Erledigung des Antrages der beschwerdeführenden Partei vom 23. April 1990, hat der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung gemäß § 42 Abs. 4 VwGG auf diesen Teilaspekt der Rechtssache beschränkt.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 im Rahmen des gestellten Begehrens.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991110090.X00Im RIS seit
19.03.2001