TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/10 91/14/0146

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1346;
EStG 1972 §34 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs3;
EStG 1972 §34;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des Dipl. Ing. A in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 31. Mai 1991, Zl. 5/1/4-BK/Hd-1990, betreffend Einkommensteuer 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Anerkennung eines Betrages von S 2,831.294,-- als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1972 auf Grund zugunsten seines Sohnes eingelöster Bürgschaftsverpflichtungen. Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittige Frage, ob sittliche Gründe vorliegen, die die Zwangsläufigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung bewirkten, verneinte die belangte Behörde im wesentlichen mit folgender Begründung:

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, daß ein Betrag von S 2 Mio bei der Sparkasse K für Betriebsmittel aufgenommen worden sei (Oktober 1986) sowie ein Betrag von S 750.000,-- zum Kauf eines Lkws (Juli 1986). Es sei offenkundig, daß der Kauf von Betriebsmitteln und eines Lkws dazu diene, einem Holzhandelsunternehmen bessere Ertragschancen (wenn schon nicht eine Betriebserweiterung) zu vermitteln; dies werde auch durch den engen zeitlichen Zusammenhang der Aufnahme dieser Hypotheken zur Gründung des Einzelunternehmens des Sohnes des Beschwerdeführers (Februar 1985) bestätigt. Denn gerade im Gründungsstadium von Betrieben sei es aus betriebswirtschaftlichen und praktischen Gründen erforderlich und durchaus üblich, Betriebsmittel mittels Hypotheken anzuschaffen. Dieses Gründungsstadium sei nicht auf die ersten Monate des Betriebsbestandes beschränkt, sondern auf den Einzelfall abzustellen. Im gegenständlichen Fall erschienen bei einem Holzhandelsunternehmen Betriebsmitteleinkäufe und ein Lkw-Ankauf ca. eineinhalb Jahre nach Gründung des Einzelunternehmens bzw. hinsichtlich der Hypotheken und Bürgschaften betreffend die H-GmbH ein Zeitraum von drei bis vier Jahren nach deren Gründung - wobei es sich beim Kredit in Höhe von S 240.000,-- ohnehin um eine Umschuldung handle - als durchaus angemessen. Gleiches gelte auf Grund des zeitlichen Zusammenhanges auch für die Hypotheken, die bei den Nachbarn X, Y und Z 1986 und 1987 (genaue Monatsangaben habe der Beschwerdeführer trotz Vorhalts nicht erklärt) aufgenommen und vom Beschwerdeführer besichert worden seien. Daß der Beschwerdeführer mit der Übernahme der angeführten Bürgschaften geglaubt habe, eine existenzbedrohende Notlage des Sohnes mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können, sei zum einen schon deswegen nicht glaubhaft, weil die Hypotheken zum Großteil dem Ankauf von Betriebsmitteln und eines Lkws gedient hätten, zum anderen, weil der Beschwerdeführer selbst vorbringe, daß er den Verkauf der Liegenschaft S (an der er Hälfteeigentümer gewesen sei) bzw. damit im Zusammenhang stehende wirtschaftliche Nachteile für seine Person befürchtet habe und daß er die Bürgschaften hinsichtlich der bei den drei Nachbarn aufgenommenen Hypotheken übernommen habe, um seine Rufschädigung zu vermeiden. Das Vorbringen, wonach die Konkurse zweier Geschäftspartner neue wirtschaftliche Belastungen gebracht hätten, weshalb er sich entschlossen habe, als Bürge und Zahler für die gegenständlichen Beträge zu fungieren, sei jedenfalls hinsichtlich des Konkurses der Firma N unglaubwürdig, da dieses Konkursverfahren erst im Juli 1987 eröffnet und der größte Teil der gegenständlichen Hypotheken 1986 aufgenommen worden sei. Hinsichtlich des im Mai 1986 über die Firma P eröffneten Konkursverfahrens erscheine der belangten Behörde die Bürgschaftsübernahme ebenfalls nicht mit dem Motiv und in dem Glauben erfolgt, eine existenzbedrohende Notlage des Sohnes mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können, da der Beschwerdeführer vorbringe, daß bei Übernahme der Bürgschaften "bei bankmäßiger Prüfung der Verhältnisse eine positive Bewertung der wirtschaftlichen Lage und Möglichkeiten der Firmen herausgekommen" sei. Daraus ergebe sich eindeutig, daß der Beschwerdeführer geglaubt habe, Bürgschaften für Hypotheken zu übernehmen, die Firmen in momentanen finanziellen Engpässen, aber in einer ingesamt gesehen positiven wirtschaftlichen Situation aufnähmen; also daß diese Firmen keineswegs solche gewesen seien, deren letzte finanzielle Rettung die Bürgschaftsübernahme durch den Beschwerdeführer wäre.

Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer erkennbar in seinem Recht auf steuerliche Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung durch die Inanspruchnahme aus den erwähnten Bürgschaften verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, für die Bürgschaftsübernahmen zugunsten seines Sohnes hätten sittliche Gründe bestanden, aus denen er sich der Belastung nicht habe entziehen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, daß von einer sittlichen Pflicht nicht schon dann gesprochen werden kann, wenn eine Handlung von der Sittenordnung gutgeheißen wird, sondern nur dann, wenn entsprechendes Handeln von ihr gefordert ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen, in dem das Rechtsgefühl der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1991, 91/14/0052).

Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung zu § 34 EStG 1972, daß die Zwangsläufigkeit schon für das Eingehen der Bürgschaftsverpflichtungen gegeben gewesen sein muß. Der Gerichtshof hat weiters schon mehrmals ausgesprochen, daß die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung unter anderem nur dann möglich ist, wenn der Steuerpflichtige glaubt (glauben durfte), durch die Übernahme der Bürgschaft eine existenzbedrohende Notlage eines nahen Angehörigen mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, 90/13/0006).

Wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer daher entgegengehalten hat, er habe bei Übernahme der Bürgschaften auf eine bei bankmäßiger Prüfung insgesamt positive wirtschaftliche Situation vertraut, so spräche dies nicht gegen die Gewährung der begehrten Begünstigung. Hätte der Beschwerdeführer nämlich an einen Erfolg von Hilfsmaßnahmen nicht glauben dürfen, so wäre das Bestehen einer sittlichen Pflicht vielmehr schon deshalb zu verneinen gewesen, weil keine Verpflichtung zu sinnlosen Opfern besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, 90/14/0202).

Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß die besicherten Kredite nicht dazu dienen dürfen, den Betrieb des Schuldners zu erweitern oder ihm sonst bessere Ertragschancen zu vermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1989, 86/14/0085). Dies trifft auf die nach den vorliegenden Kreditunterlagen zur Finanzierung des Kaufes von Betriebsmitteln und eines Lkws aufgenommenen Kredite zu, nicht aber auf die Umschuldungskredite (Nr. 0107-211104 über S 2 Mio und Nr. 0107-211112 über S 240.000,--), die ebenfalls nur bei Besicherung durch den Beschwerdeführer zu erlangen waren.

Allerdings hängt die sittliche Pflicht der Eltern zur Unterstützung von Kindern, die durch Schulden in Zahlungsschwierigkeiten und damit in Bedrängnis gekommen sind, auch davon ab, auf Grund welcher Umstände die Schulden, die die Zahlungsschwierigkeiten bewirken, entstanden sind. Liegt die Ursache ihrer Entstehung in schicksalhaften Ereignissen, wird eine sittliche Pflicht zum Beistand auf angemessene Art und in angemessenem Ausmaß bestehen. Hingegen besteht keine sittliche Pflicht, Angehörige aus einer Notlage zu befreien, die leichtfertig herbeigeführt wurde (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1991, 91/14/0052, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall ergibt sich aus dem Spruch des vom Beschwerdeführer vorgelegten strafgerichtlichen Urteiles, daß sein Sohn die Zahlungsunfähigkeit des von ihm betriebenen Unternehmens von Februar bis Ende 1985 dadurch fahrlässig herbeiführte, indem er insbesondere den Betrieb mit Fremdkapital finanzierte und trotz mangelnder kaufmännischer Kenntnisse führte, zu niedrig kalkulierte, Transportkosten praktisch unberücksichtigt ließ und Vorräte überhöht bewertete. Die Verschuldung ist daher nicht auf einen schicksalhaften Verlauf, sondern auf leichtfertiges Verhalten zurückzuführen. Auch der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auf die Probleme aus dem hohen Fremdmitteleinsatz, der eine Neuordnung der (sodann vom Beschwerdeführer besicherten) Bankverbindlichkeiten notwendig machte, hingewiesen. Zwar hat der Beschwerdeführer auch die Belastung durch den am 20. Mai 1986 eröffneten Konkurs eines Geschäftspartners seines Sohnes betont. Er hat aber nicht glaubhaft machen können, daß dieser Ausfall für die Notlage seines Sohnes ausschlaggebend gewesen wäre. Lag der Grund der Verschuldung seines Sohnes aber zumindest überwiegend in dessen kaufmännischer Unfähigkeit, wie sie das Strafgericht festgestellt hat, so bestand für den Beschwerdeführer keine sittliche Pflicht zu ihn selbst wirtschaftlich gefährdenden Bürgschaftsübernahmen in Millionenhöhe, mag die gewährte Unterstützung nach der Sittenordnung auch gutzuheißen sein. Darin, daß die belangte Behörde den Verwendungszweck von Umschuldungskrediten nicht näher erhoben hätte, könnte ein wesentlicher Verfahrensmangel demnach nicht gelegen sein.

Der Konkurs eines zweiten Geschäftspartners hat, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, außer Betracht zu bleiben, da die Bürgschaften für Bankkredite schon vorher im Jahr 1986 übernommen worden waren. Die Feststellung einer Konkurseröffnung im Juli 1987 gründete sich auf das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren. Beim Beschwerdevorbringen über eine Konkurseröffnung im April 1987 handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung, aus der im übrigen für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen wäre.

Wenn Bürgschaften vom Beschwerdeführer gegenüber benachbarten Landwirten zur Vermeidung einer Schädigung seines Rufes als Kammerfunktionär übernommen wurden, wie dies im Verwaltungsverfahren geltend gemacht wurde, so ist dies ohne Bedeutung, weil das bloße Bestreben, eine wirkliche oder vermeintliche Nachrede in der Öffentlichkeit zu vermeiden, nicht ausreichend ist, um die für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung geforderte Zwangsläufigkeit zu begründen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, 86/14/0015, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Ob der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Bürgschaften ausreichende Daten zur Verfügung gestellt hat, kann auf sich beruhen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991140146.X00

Im RIS seit

10.12.1991

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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