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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §69 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über den Antrag 1) des Ernst G und 2) der Hedwig G in Sch, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1991, Zl. 86/05/0162, abgeschlossenen Verfahrens, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 45 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 69 AVG zurückgewiesen.
Begründung
In dem Antrag auf Wiederaufnahme wird ausgeführt, daß nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1991, Zl. 86/05/0162, die Antragsteller verpflichtet worden seien, das mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Sch vom 13. April 1976 bewilligte viergeschoßige Gebäude im Bereich des vierten Geschoßes entsprechend der Schnittdarstellung im bewilligten Bauplan so auszuführen, daß auch das dritte (mittlere) Konstruktionsfeld zurückzuversetzen sei. Auf Grund dieses Erkenntnisses, das die Beschwerdeführer zur Abtragung und Neugestaltung des dritten Konstruktionsfeldes auf Grund einer angeblich im Akt erliegenden Schnittdarstellung verpflichtet, hätten sie im Beisein des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Sch sowie des Leiters des Bauamtes am 2. August 1991 in den Bauakt der Stadtgemeinde Einsicht genommen, da ihnen das "entsprechende Erkenntnis" nicht verständlich gewesen sei. Sie hätten nämlich "niemals eine Schnittdarstellung mit einem zur Gänze zurückversetzten vierten Geschoß beantragt und auch bewilligt erhalten", wie dies in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt werde. Aus Anlaß dieser Einsichtnahme am 2. August 1991 hätten sie erstmals festgestellt, daß der im Akt erliegende Einreichplan 1:100 vom 10. Juli 1975 objektiv verfälscht worden sei. Im Beisein des Bürgermeisters und des Bearbeiters des Bauamtes sei festgestellt worden, daß nach dem Lageplan (Lage 1:250) eine Einklebung stattgefunden habe, "und zwar nämlich der Schnitt a-a", auf den sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung beziehe, wobei der ursprüngliche Schnitt a-a, der keine Abschrägung enthalten habe, entfernt worden sei. Gemäß § 69 Abs. 1 AVG und § 45 VwGG sei dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig sei, und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbaren Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden sei. Gemäß § 69 Abs. 2 AVG sei der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an zu stellen, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erhalten habe, was auf Grund der Einsichtnahme vom 2. August 1991 für den Erstantragsteller der Fall gewesen sei. Die Zweitantragstellerin habe vom Erstantragsteller erst nach dem 2. August 1991 Kenntnis von der Veränderung der Pläne erlangt. Vorangegangene Entscheidungen über den Antrag auf Herstellung des vermeintlich konsensgemäßen Zustandes existierten nicht. Der Verwaltungsgerichtshof habe keine mündliche Bauverhandlung nach der NÖ Bauordnung durchgeführt und erst auf Intervention des Antragstellers beim zuständigen Senatsvorsitzenden die Beschwerdeschrift zugestellt (auf Grund einer Säumnisbeschwerde von Nachbarn war es zu dem erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1991 gekommen). Die formellen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme seien gegeben und auch inhaltlich sei auf Grund dessen, daß der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung auf eine im Akt erliegende verfälschte Plandarstellung des Obergeschoßes gestützt habe, die niemals Inhalt der Baubewilligung und des Bauverfahrens gewesen sei, die Wiederaufnahme antragsgemäß zu bewilligen.
Der Antrag der Beschwerdeführer erweist sich als unzulässig. Nach § 45 Abs. 4 VwGG gilt für die Wiederaufnahme § 69 AVG sinngemäß, wenn der Verwaltungsgerichtshof über eine Säumnisbeschwerde in der Sache selbst entschieden hatte. Nach § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Nach § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen hatte der Verwaltungsgerichtshof zunächst zu prüfen, ob die Frist von zwei Wochen im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG eingehalten worden ist. Die Behauptung der Antragsteller, daß sie erstmals im August 1991 von jenem Plan Kenntnis erhalten haben, den der Verwaltungsgerichtshof seinem Erkenntnis vom 14. Mai 1991 zugrunde legte, trifft nicht zu. Nach der Aktenlage haben die Antragsteller nämlich erstmals jedenfalls schon am 25. Juli 1977 von der hier strittigen Schnittdarstellung Kenntnis erhalten, und zwar anläßlich eines Lokalaugenscheines am 25. Juli 1977 vor dem Bürgermeister der Stadtgemeinde Sch. Damals stellte der Bausachverständige in Anwesenheit der Antragsteller fest, daß im dritten Stockwerk die Schrägführung der Außenfassade bzw. die Rückversetzung nur in den ersten zwei Feldern neben dem Altbau ausgeführt worden sei, obwohl nach dem Schnitt 1:100 in der S-gasse das letzte Geschoß schräg geführt hätte werden sollen. Auch in dem daraufhin ergangenen Bescheid des Bürgermeisters vom 27. Juli 1977, mit dem die Herstellung des konsensmäßigen Zustandes aufgetragen worden war, war in der Begründung festgestellt worden, daß nach dem Schnitt 1:100 in der S-gasse das letzte Geschoß schräg geführt hätte werden sollen. In ihrer dagegen erhobenen Berufung führten die Antragsteller, die damals noch nicht anwaltlich vertreten waren, u.a. aus, daß bei der Bauüberprüfung am 25. Juli 1977 zu ihrem größten Erstaunen der Sachverständige der Gemeindebehörde die Auffassung vertreten habe, ein Abschrägen von drei Feldern wäre erforderlich, obwohl er vorher bezüglich eines vorgelegten Planes vom 2. Juni 1977, welcher eine Abschrägung zweier Elemente vorgesehen habe, den Vermerk "kein Einwand" angebracht habe. Ausdrücklich hielten die Antragsteller in dieser Berufung fest, daß der Sachverständige am 13. Juli 1977 die Abschrägung von zwei Feldern als ausreichend betrachtet habe, am 25. Juli 1977 anläßlich der Bauüberwachung aber plötzlich die Abschrägung von drei Feldern für notwendig gehalten habe. Auch im Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 13. September 1977, mit dem der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt worden ist, wurde ausdrücklich auf diese Schnittdarstellung Bezug genommen. Dieses Verfahren führte letztlich zu dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1981, Zl. 05/2718/78, dem eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof vorangegangen war. In diesem Erkenntnis wurde auf Seite 4 folgendes festgehalten: Der im Akt erliegende Einreichplan 1:100 vom 10. Juli 1975, Nr. 100.080, weist einerseits in einer "Straßenansicht" eine bis zum Dach senkrecht verlaufende Fassade des viergeschoßigen Neubaues aus, enthält aber andererseits einen "Schnitt" durch das vierte Feld (vom Standpunkt des Hauses der Beschwerdeführer aus gesehen), nach dem die Fassade nur bis zu einer Höhe von 9,45 m senkrecht, sodann jedoch in einem Winkel von 45 Grad schräg nach oben bis zum Dach verlaufen sollte. (Bemerkenswert ist, daß dieser "Schnitt" mit dem übrigen Teil des Planes mit einer Klebefolie verbunden ist und auch gegenüber den anderen Teilen des Planes eine wesentlich andere, nämlich hellere Graufärbung aufweist.) Auf dem Plan befindet sich folgende Vidierung: "Der kommissionellen Verhandlung vom 5. August 1975 vorgelegen und im Sinne der Niederschrift vom 18. März 1976 genehmigt. Der Bürgermeister:".
Auf Seite 12 dieses Erkenntnisses wurde festgehalten, daß bei der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof anhand der vorgelegten Aktenunterlagen und der Angaben der anwesenden Parteien nicht geklärt hätte werden können, welche Planfassung (betreffend den "Schnitt a-a") tatsächlich dem Bewilligungsbescheid vom 13. April 1976 zugrunde gelegen sei bzw. wann dem im Akt erliegenden, mit dem Vidierungsvermerk versehenen Einreichplan vom 10. Juli 1975 Plan Nr. 100.080 E der Schnitt a-a eingefügt worden sei, der ein abgeschrägtes oberstes Geschoß des Bauvorhabens ausgewiesen habe.
Für das nunmehrige Wiederaufnahmeverfahren kann dahingestellt bleiben, ob die damalige Beurteilung der Unterlagen richtig war oder nicht, weil es hier zunächst nur darum geht, ob die Wiederaufnahmewerber davon Kenntnis hatten, daß der Schnitt als Teil des bewilligten Bauplanes im Akt lag.
Hingewiesen sei insbesondere noch auf die Augenscheinsverhandlung vom 5. Mai 1983, bei der Hofrat Dipl.-Ing. P als Amtssachverständiger in Anwesenheit der Antragsteller und ihres Rechtsvertreters gleichfalls von dem genannten Plan ausging, von dem die Antragsteller nunmehr behaupten, sie hätten erst im August 1991 von ihm Kenntnis erhalten. Damals wurde festgestellt, daß der Plan in der vorliegenden Form mit der Baubewilligung zugestellt und nicht nach Erlassung der Baubewilligung geändert worden sei. Es wurde damals als bemerkenswert festgestellt, daß die Darstellung des Schnittes a-a in der Straßenansicht nicht dargestellt sei. Die Lage des Schnittes a-a sei in sämtlichen Grundrissen übereinstimmend im zweiten Konstruktionsfeld von Westen eingetragen. Auf Grund dieser Darstellung des Schnittes a-a müsse nach den bei der Behörde aufliegenden Unterlagen geschlossen werden, daß sich die Abschrägung des Obergeschoßes auf die gesamte Länge des dreigeschoßigen Teiles des Bauvorhabens beziehe. Schon damals hielt der Vertreter der Antragsteller fest, es ergebe sich urkundlich, daß die ursprüngliche Einreichung den Schnitt a-a nicht enthalten habe und sich die Vidierung des Bürgermeisters nicht auf diesen Schnitt beziehen könnte.
Schon diese Feststellungen aus der Aktenlage führen eindeutig zu dem Ergebnis, daß die Behauptung der Antragsteller nicht zutrifft, sie hätten erst im August 1991 von der mehrfach erwähnten Abänderung des ursprünglichen Einreichplanes bezüglich der Schnittdarstellung Kenntnis erhalten, sodaß der Antrag auf Wiederaufnahme entgegen den Behauptungen der Antragsteller schon die formelle Voraussetzung der Einhaltung der Frist von zwei Wochen nach § 69 Abs. 2 AVG nicht erfüllt. Der Antrag war daher zurückzuweisen.
Zu dem Vorbringen in dem Antrag ist noch festzustellen, daß der Vertreter der Antragsteller am 17. April 1991 in die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten Einsicht genommen hat, und daß im vollen Umfang Parteiengehör gewahrt worden ist. Im übrigen hat der Vertreter der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 30. April 1991 an den Verwaltungsgerichtshof keinen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung gestellt.
Bemerkt wird noch, daß sich der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der am 5. Mai 1983 unter Beiziehung eines Amtssachverständigen durchgeführten Augenscheinsverhandlung zur Durchführung einer neuerlichen Verhandlung nicht veranlaßt sah, zumal eine Ergänzungsbedürftigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen nicht gegeben war. Im übrigen bleibt es den Wiederaufnahmewerbern unbenommen, ein Ansuchen um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung bei der Baubehörde erster Instanz einzubringen.
Zu dem ergänzend mit Schriftsatz vom 18. Oktober 1991 vorgelegten Bauplan ist festzustellen, daß er mangels behördlicher Vermerke (Vidierung u.a.) weder für das gegenständliche Wiederaufnahmeverfahren noch für das mit Erkenntnis vom 14. Mai 1991 abgeschlossene Verfahren rechtlich relevant ist. Daraus ergibt sich nämlich nur, daß das ursprüngliche (nicht bewilligte) Bauansuchen diesen Schnitt nicht enthielt. Dies war aber nie strittig, sonst wären ja die Einwendungen der Nachbarn unverständlich gewesen. Eine solche Schnittdarstellung konnte nur NACH der Bauverhandlung entsprechend deren Ergebnissen und weiteren Parteienbesprechungen (siehe etwa die Niederschrift vom 18. März 1976) verfaßt und der ursprüngliche Bauplan insoweit geändert werden. Gerade der Umstand, daß die Wiederaufnahmewerber den ursprünglichen, nicht vidierten Bauplan vorgelegt haben, kann keine Bedenken erzeugen, daß eine Verfälschung des Bauplanes vorgenommen wurde; es besteht daher kein Anlaß für eine amtswegige Wiederaufnahme.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991050167.X00Im RIS seit
10.12.1991