TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/10 91/07/0106

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

L66502 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Kärnten;
L68502 Forst Wald Kärnten;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §20 Abs3;
FlVfLG Krnt 1979 §52 Abs3;
FlVfLG Krnt 1979 §65;
FlVfLG Krnt 1979 §66;
FlVfLG Krnt 1979 §67;
FlVfLG Krnt 1979 §82;
ForstG Krnt 1979 §1 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des J in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 25. Februar 1991, Zl. Agrar 11-480/3/91, betreffend Sonderteilung (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft "D", vertreten durch den Obmann F), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. August 1990 wies die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) den vom Beschwerdeführer als Mitglied der mitbeteiligten Agrargemeinschaft (in der Folge kurz: AG) am 2. Mai 1989 gestellten Sonderteilungsantrag gemäß den §§ 52 und 66 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 64/1979 (FLG), als unbegründet ab. Dabei stützte sich die ABB im wesentlichen auf ein von ihr eingeholtes Gutachten, wonach es - bedingt durch das geringe Ausmaß und den niederen Jahreshiebsatz der AG - schon jetzt schwierig sei, Gemeinschaftsprojekte zu realisieren und durch größere Verkaufsmengen günstiger ausfallende Holzgeschäfte zu tätigen. Jede Verkleinerung der AG würde dieses Problem verschärfen. Die beantragte Teilung sei deshalb im allgemeinen der Volkswirtschaft abträglich.

Im Verfahren über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung ergänzte die belangte Behörde die Ermittlungen durch örtliche Erhebungen sowie durch Einholung eines Gutachtens ihres forsttechnischen Amtssachverständigen. Nach Gewährung des Parteiengehörs und nach Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 AgrVG als unbegründet ab.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde eine ausführliche Darstellung des vorangegangenen Verfahrens, insbesondere auch der Ausführungen des forsttechnischen Amtssachverständigen, denen im wesentlichen folgendes zu entnehmen sei:

Die grundlegende Regulierungsbestimmung der AG aus dem Jahre 1930 besage, daß der B-Wald ausschließlich zur Erhaltung der H Draubrücke diene. Mit der Übernahme der Erhaltung dieser Brücke durch die Landesstraßenverwaltung sei es zum Wegfall des eigentlichen Wirtschaftszweckes der AG gekommen. In der Folge sei ein Antrag der AG auf Einzelteilung auf Grund eines negativen Gutachtens wieder zurückgezogen worden. Im Jahre 1988 sei für die AG ein Waldwirtschaftsplan für das Dezennium 1989 bis 1998 erstellt worden. Diesem sei zu entnehmen, daß an der AG insgesamt 27 Anteilsberechtigte mit insgesamt 28 Anteilen beanteilt seien. Die Waldfläche verteile sich auf 21,67 ha Wirtschaftswald, 5,69 ha Schutzwald im Ertrag und 3,24 ha Schutzwald außer Ertrag. Die Wuchsverhältnisse seien stark unterschiedlich, zeichneten sich aber insgesamt durch ein geringes Niveau aus. So liege der durchschnittliche Zuwachs pro Hektar und Jahr bei 2,23 Vorratsfestmetern, der Gesamtzuwachs auf der ca. 30 ha großen Waldfläche betrage nur

ca. 61 Vorratsfestmeter pro Jahr. Der im Waldwirtschaftsplan festgelegte jährliche Hiebsatz betrage bei einer Umtriebszeit von 120 Jahren 60 Erntefestmeter. Durch die angestrebte Sonderteilung sei die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der auszuscheidenden Waldparzellen durch den Beschwerdeführer sichergestellt. Aus forstlicher Sicht sei kein offensichtlicher Nachteil für die AG aus der Sonderteilung zu erkennen. Als einziger Nachteil sei die Verringerung des ohnehin kleinen jährlichen Hiebsatzes - der bereits jetzt die Realisierung gemeinsamer Maßnahmen erschwere - um ca. 10 % zu nennen. Nach Wiedergabe der Stellungnahmen der Parteien zu diesem Gutachten führte die belangte Behörde ferner aus, daß der forstliche Sachverständige ergänzend darauf hingewiesen habe, daß eine Abfindung in Grund und Boden für alle Mitglieder deshalb ausgeschlossen wäre, weil das auf Grund der Bestimmungen des Kärntner Forstgesetzes für den einzelnen erforderliche Mindestausmaß nicht erreicht werden würde. Das alleinige Ausscheiden des Beschwerdeführers wiederum hätte eine nicht vertretbare Reduktion des Hiebsatzes zur Folge.

Nach einer Darstellung der einschlägigen Bestimmungen des § 52 FLG und der Entscheidungsgründe der ABB legte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid schließlich ihre eigenen rechtlichen Erwägungen wie folgt dar:

Zunächst sei festzuhalten, daß es sich bei der AG um eine regulierte Agrargemeinschaft handle. Dem Regulierungsplan des Gemeinschaftsbesitzes in der derzeit gültigen Form (§ 3 der Regulierungsbestimmungen) sei zu entnehmen, daß der B-Wald ausschließlich zur Erhaltung der Draubrücke zu dienen habe. Aus § 3 Punkt 4 dieser Regulierungsbestimmungen gehe hervor, daß für den Fall, daß die AG über kein Barvermögen verfüge, die Brückenerhaltung in der Weise zu erfolgen habe, daß alle Teilgenossen hiezu nach Anteilen beizutragen hätten. Eine Änderung dieser Bestimmung sei nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses aller Teilgenossen zulässig. Schließlich habe die AG für die Bereithaltung eines Reservekapitals nach Möglichkeit Sorge zu tragen und sei eine Aufteilung von Barvermögen nur mit Genehmigung der ABB zulässig.

In scheinbarem Widerspruch dazu stehe das Verwaltungsstatut der AG, dem zufolge deren Zweck darin zu erblicken sei, die Befriedigung der Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaften durch bestmögliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens zu garantieren.

    Bei einer Gegenüberstellung des § 3 Punkt 1 des

Regelungsplanes mit § 1 Abs. 1 des Verwaltungsstatutes der AG

sei jedoch zweifelsfrei dem geltenden Regelungsplan - als

spezieller Norm - der Vorzug zu geben. Von untergeordneter

Bedeutung erweise sich dabei, daß es mit der Übernahme der

Erhaltung der H Draubrücke durch die Straßenverwaltung des

Landes Kärnten zum Wegfall des eigentlichen Wirtschaftszweckes

der AG gekommen sei. "Insoferne aber als der Antrag des J auf

Ausscheidung aus der ... AG ... dem erklärten Zweck dieser

Agrargemeinschaft widerspricht, würde doch das Ausscheiden des

Genannten die wirtschaftliche Kapazität der Gemeinschaft um die

Anteile des ... Beschwerdeführers ... vermindern, war das

Berufungsbegehren des Genannten als unbegründet abzuweisen."

Abschließend weist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf hin, daß es nun im Lichte des § 95 FLG Aufgabe der ABB sein würde, den Regelungsplan der AG einer Überprüfung zu unterziehen, könnten doch derartige Regelungspläne nur von der Behörde abgeändert werden. Erst ein im Sinne dieser Ausführungen rechtskräftig geänderter Regelungsplan könne als Grundlage für allfällige Ausscheidungsanträge dienen.

Abschließend merkte die belangte Behörde an, daß solche Anträge im Lichte des § 52 Abs. 3 FLG zu überprüfen seien. Dabei bedürfe es keiner besonderen Erwähnung, daß vom Sachverständigen der ABB eingehend die Frage zu beantworten sein werde, welche konkreten Umstände den Schluß rechtfertigten, die angestrebte Teilung sei allgemein volkswirtschaftlichen Interessen oder besonderen Interessen der Landeskultur abträglich oder stelle die pflegliche Behandlung und zweckmäßige Bewirtschaftung der einzelnen Teile in Frage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem ihm als Mitglied der AG zustehenden Rechtsanspruch auf Sonderteilung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die AG hat eine Gegenschrift eingebracht und die

"Zurückweisung" der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Vorschriften über die Sonderteilung finden sich in den §§ 82 ff FLG. Soll die Einzelteilung lediglich durch Ausscheidung einzelner Mitglieder der Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung der Gemeinschaft zwischen den übrigen Mitgliedern erfolgen, so ist gemäß § 82 Abs. 1 FLG bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 66 nach Feststellung der Parteien, des Teilungsgebietes und erforderlichenfalls der Anteilsrechte zunächst der Abschluß eines Vergleiches über die auf die einzelnen ausscheidenden Mitglieder und auf die verbleibende Gemeinschaft entfallenden Teilflächen und über die anderen zwischen den Beteiligten zu regelnden Fragen zu versuchen. Kommt ein solcher Vergleich zustande und besteht gegen diesen, vom allgemeinen volkswirtschaftlichen oder besonderen forstwirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, kein Bedenken, so ist der Vergleich zu genehmigen und zu beurkunden. Kommt - wie im Beschwerdefall - ein genehmigungsfähiger Vergleich nicht zustande, so ist gemäß § 82 Abs. 2 FLG das Verfahren nach den Bestimmungen über das Einzelteilungsverfahren sinngemäß durchzuführen.

Die Einzelteilung erfolgt gemäß § 65 Abs. 1 FLG auf Antrag oder - unter bestimmten Voraussetzungen - von Amts wegen. Liegen die wirtschaftlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für eine Einzelteilung nicht vor, so hat die Agrarbezirksbehörde gemäß dem ersten Satz des § 67 Abs. 1 FLG den Antrag mit Bescheid abzuweisen; anderenfalls hätte sie gemäß § 67 Abs. 2 FLG das Verfahren mit Bescheid einzuleiten.

Wann eine Teilung zulässig ist, regelt allgemein der § 52 Abs. 3 FLG. Eine Teilung ist demnach nur zulässig, wenn durch sie die pflegliche Behandlung und zweckmäßige Bewirtschaftung der einzelnen Teile nicht gefährdet wird und wenn die Aufhebung der Gemeinschaft im allgemeinen der Volkswirtschaft oder im besonderen des Landeskultur nicht abträglich ist.

Zu diesen gesetzlichen Bestimmungen treten im Beschwerdefall als weitere Beurteilungsgrundlage für die Behandlung des Sonderteilungsantrages des Beschwerdeführers nachstehende, nach der Aktenlage unbestrittene Umstände:

Gemäß § 3 Abs. 1 der Regulierungsbestimmungen für den Gemeinschaftsbesitz der AG dient der B-Wald "ausschließlich zur Erhaltung der Draubrücke". Diese Zweckbestimmung ist indes seit längerer Zeit dadurch weggefallen, daß die Erhaltung der Draubrücke nunmehr durch die Landesstraßenverwaltung wahrgenommen wird.

Demgegenüber bezweckt die Gemeinschaft gemäß § 1 Z. 2 der im Akt liegenden Satzungen der AG "die Befriedigung der Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaften durch bestmögliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens".

Die entscheidende rechtliche Überlegung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid geht dahin, daß ausschließlicher Zweck der AG nach wie vor die im geltenden Regelungsplan vorgesehene "Erhaltung der Draubrücke" sei. Diesem erklärten Zweck der AG widerspreche der Antrag des Beschwerdeführers, weil mit seinem Ausscheiden die wirtschaftliche Kapazität der AG (gemeint offenbar: zur Erhaltung der Draubrücke) um seine Anteile vermindert würde. Gleichzeitig hat es die belangte Behörde als "von untergeordneter Bedeutung" angesehen, daß es mit der Übernahme der Erhaltung der Dellacher Draubrücke durch die Straßenverwaltung des Landes Kärnten zum Wegfall des eigentlichen Wirtschaftszweckes der AG gekommen sei.

Dieser in sich widersprüchlichen Argumentation der belangten Behörde vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Ist der eigentliche Wirtschaftszweck der AG weggefallen, dann kann es auf die darauf ausgerichtete wirtschaftliche Kapazität der AG nicht entscheidend ankommen. Es ist nicht nachvollziehbar, daß ein Sonderteilungsantrag ausschließlich unter Bezugnahme auf einen obsolet gewordenen Wirtschaftszweck der Gemeinschaft unzulässig sein sollte. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung läßt insbesondere nicht erkennen, daß durch die vom Beschwerdeführer angestrebte Teilung die pflegliche Behandlung und zweckmäßige Bewirtschaftung der einzelnen Teile gefährdet würde oder daß die damit verbundene Änderung der Gemeinschaft im allgemeinen der Volkswirtschaft oder im besonderen der Landeskultur abträglich wäre (§ 52 Abs. 3 FLG).

Andere Gründe, die dem Sonderteilungsantrag des Beschwerdeführers entgegenstünden, hat die belangte Behörde - im Gegensatz zur ABB - im angefochtenen Bescheid nicht angeführt. Ihr Hinweis am Ende der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Teilung im Sinne des § 52 Abs. 3 FLG erst in einem nach Änderung des Regelungsplanes der AG in erster Instanz durchzuführenden Verfahren sachverständig zu überprüfen und zu klären sein würden, läßt vielmehr den Schluß zu, daß sich die belangte Behörde der Auffassung nicht angeschlossen hat, bereits die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen nicht näher geprüfte Verminderung des jährlichen Hiebsatzes reiche zur Abweisung des Teilungsantrages des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 1 FLG aus.

Unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1991, Zl. 90/07/0133, ist noch darauf hinzuweisen, daß bei der Behandlung des Sonderteilungsantrages des Beschwerdeführers auch darauf Bedacht zu nehmen sein wird, ob und inwieweit diese Teilung mit den Bestimmungen des Kärntner Landes-Forstgesetzes 1979 zu vereinbaren ist.

Da die belangte Behörde somit ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht Ermittlungen und Feststellungen darüber unterlassen hat, ob die vom Beschwerdeführer beantragte Sonderteilung ohne Bezugnahme auf den unbestritten obsolet gewordenen Regulierungszweck der AG gemäß § 52 Abs. 3 FLG zulässig ist und die Einleitung eines Teilungsverfahrens gemäß den §§ 82 Abs. 2 und 67 Abs. 2 FLG rechtfertigt, ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991070106.X00

Im RIS seit

10.12.1991

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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