TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/10 91/05/0103

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

L70704 Theater Veranstaltung Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauV OÖ 1985 §84 Abs10;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde

1) des Alfons N und 2) der Christine N in A, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. März 1991, Zl. BauR-010029/12-1990 See/Pe, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/05/0143, zu verweisen. Der Gerichtshof hat damals den bei ihm angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit mit der Begründung aufgehoben, daß das Bauansuchen der Beschwerdeführer zu Unrecht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes behob die O.ö. Landesregierung mit Bescheid vom 2. März 1989 den Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde. Der Gemeinderat behob daraufhin den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters und verwies die Angelegenheit nach § 66 Abs. 2 AVG an die Baubehörde erster Instanz.

Der Bürgermeister beraumte für 30. August 1989 eine Bauverhandlung an, zu der die Beschwerdeführer jedoch nicht erschienen. Da ihr Bauplatz nicht zugänglich war, wurde die Verhandlung vertagt.

Nach weiteren, hier nicht wesentlichen Verfahrensschritten fand am 20. März 1990 eine neuerliche Augenscheinsverhandlung statt, bei welcher das Bauvorhaben näher beschrieben wurde. Obwohl im vorgelegten Bauplan das gesamte Schlafzimmer als Zubau dargestellt ist, ging die Baubehörde im Hinblick auf die rechtskräftig erteilte Baubewilligung vom 25. März 1985 davon aus, daß nur zwei zusätzliche Fenster im Schlafzimmer Gegenstand des Bauvorhabens sind. Hinsichtlich dieser Fenster wurden im Gutachten des Amtssachverständigen die Entfernungen zu den nächstgelegenen Stallfenstern auf der Nachbarliegenschaft mit 8,48 m bzw. 9,57 m festgestellt, ohne daß die Beschwerdeführer diesen Feststellungen entgegengetreten wären. Der Amtssachverständige erachtete sodann das Bauvorhaben als nicht bewilligungsfähig, weil es der Vorschrift des § 84 Abs. 10 der O.ö. Bauverordnung widerspreche, wonach Stalltüren, Stallfenster und Abluftöffnungen von Fenstern von Aufenthaltsräumen in Nachbargebäuden mindestens 10 m entfernt sein müssen. Der Vertreter der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, daß die genannte gesetzliche Regelung sich lediglich an den Errichter einer Stallung wende. Aus der angeführten Regelung könne daher für die Planänderung kein Versagungsgrund abgeleitet werden.

Mit Bescheid vom 28. Juni 1990 versagte der Bürgermeister die beantragte Baubewilligung für den Einbau von zwei zusätzlichen Fenstern im Schlafzimmer des Hauses der Beschwerdeführer. Zur Begründung wurde auf den Widerspruch zu § 84 Abs. 10 der O.ö. Bauverordnung verwiesen.

Die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Berufung wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 28. September 1990 als unbegründet ab. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die O.ö. Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen diese Berufungserledigung keine Folge. Auch die Gemeindeaufsichtsbehörde vertrat die Ansicht, § 84 Abs. 10 der O.ö. Bauverordnung lasse nur eine Auslegung dahin zu, daß auch neu vorgesehene Fenster von Aufenthaltsräumen nicht näher als 10 m an Stallfenster herangebaut werden dürfen.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Sie erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung einer Baubewilligung verletzt.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Strittig zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage der Auslegung des § 84 Abs. 10 der O.ö. Bauverordnung. Nach Satz 1 dieser Gesetzesstelle - durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 37/1989 wurde die

O.ö. Bauverordnung 1985 mit Wirkung ab 1. Oktober 1989 als Landesgesetz in Kraft gesetzt - müssen Stalltüren, Stallfenster und Abluftöffnungen von Lüftungsanlagen von Fenstern von Aufenthaltsräumen in Nachbargebäuden mindestens 10 m entfernt sein. (Die weiteren Sätze dieses Absatzes enthalten nähere Bestimmungen über Stallfenster und Abluftöffnungen.)

Zu Recht verweisen die Beschwerdeführer zunächst schon darauf, daß § 84 Abs. 10 Satz 1 der O.ö. Bauverordnung nur Bestimmungen für Stallungen enthalte, sodaß daraus nicht geschlossen werden könne, daß Fenster von Aufenthaltsräumen in Nachbargebäuden gleichfalls einen Abstand von mindestens 10 m von Stalltüren, Stallfenstern und Abluftöffnungen von Lüftungsanlagen einhalten müssen. Zu Recht zeigen sie weiters auf, daß diese gesetzliche Bestimmung im 5. Abschnitt der O.ö. Bauverordnung (§§ 83 bis 82) betreffend landwirtschaftliche Bauten geregelt ist. Für die Richtigkeit dieser systematischen Auslegung spricht insbesondere auch die Überschrift des § 84 "Stallungen", was ein besonderes Argument im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführer ist, daß diese gesetzliche Bestimmung nicht für Wohnbauten in benachbarten Häusern gelten soll, sondern eben nur für Stallungen, die im Falle ihrer Neuerrichtung den gesetzlichen Mindestabstand einhalten müssen. Es trifft zwar zu, wie die belangte Behörde insbesondere in ihrer Gegenschrift ausführt, daß die gesetzliche Bestimmung die Bewohner von Aufenthaltsräumen schützen soll, jedoch nur in dem Sinne, daß Ställe nicht näher herangebaut werden dürfen als der Gesetzgeber festgesetzt hat. Eine solche Auslegung gebietet auch schon der Rechtsgrundsatz "volenti non fit iniuria", richtet sich doch die gesetzliche Bestimmung an den Errichter von Stallungen, nicht aber an den Errichter eines Wohnhauses, der ja nur gegenüber einem Näherrücken eines Stalles geschützt werden soll. Die Beschwerdeführer verweisen zu Recht auch darauf, daß sich die hier maßgeblichen Bestimmungen der O.ö. Bauverordnung zunächst, nämlich bei ihrer Erlassung als Durchführungsverordnung zur Bauordnung, auf gesetzliche Bestimmungen der Bauordnung stützten, die nur eine nähere Regelung für landwirtschaftliche Bauten vorsahen, was die Bedeutung der systematischen Auslegung für den Beschwerdefall unterstreicht. Die Auffassung der belangten Behörde, daß das Bauvorhaben der Beschwerdeführer jedenfalls auch im Zusammenhang mit den benachbarten landwirtschaftlichen Gebäuden beurteilt werden müsse, trifft auf Grund der dargelegten Erwägungen ebensowenig zu wie die Behauptung, eine teleologische Auslegung dieser Abstandsbestimmung führe zwingend zur Versagung einer Baubewilligung für das Bauvorhaben der Beschwerdeführer. Auf Grund der systematischen Einordnung dieser Gesetzesstelle ist vielmehr, wie schon erwähnt, anzunehmen, daß lediglich Beschränkungen hinsichtlich der Errichtung von Stallungen festgesetzt werden sollten, nicht aber Beschränkungen für Bauvorhaben der vorliegenden Art. Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Damit erübrigte sich ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde betreffend die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Bemerkt wird noch, daß durch diese Entscheidung keine Verschlechterung der Rechtslage der benachbarten Stallinhaber hinsichtlich ihres bewilligten Bestandes eintritt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. April 1991, Zl. 90/5/0179).

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050103.X00

Im RIS seit

10.12.1991

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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