TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/10 91/04/0135

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §59 Abs1;
GewO 1973 §353 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §78 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §78 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. März 1991, Zl. 305.747/2-III-3/90, betreffend Erteilung einer Betriebsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) K in H,

2) S sen. in F, und 3) S jun., ebendort), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. März 1991 erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Berufungen des Beschwerdeführers und die der mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 24. Juli 1989 wie folgt:

"Die Berufung des Betriebsbewilligungswerbers wird abgewiesen.

Der Berufung der K und Genossen wird insofern Folge gegeben, als nachstehende Auflage unter Punkt 5. vorgeschrieben wird:

5.) 'Das Sägegatter darf nur mit einer maximalen Betriebsdrehzahl von 260 Umdrehungen pro Minute im Leerlauf betrieben werden.'"

Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 22. Juni 1987 sei dem Beschwerdeführer die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage in H, M-Gasse 3, durch Ersatz des bisherigen Sägegatters durch ein "Esterer-Vollgatter HDE" erteilt worden. Mit Auflage unter Punkt 1. sei verfügt worden, daß die maximale Betriebsdrehzahl des Sägegatters so festzulegen sei, daß in Nachbarobjekten am Fußboden von Aufenthaltsräumen eine maximale Wahrnehmungsstärke KB von 0,15 im Sinne der Norm DIN 4150 nicht überschritten werde, wobei die Festlegung der maximal zulässigen Betriebsdrehzahl des Sägegatters dem Betriebsbewilligungsverfahren vorbehalten sei. Mit Auflage unter Punkt 4. sei verfügt worden, daß die Anlage erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfe und es sei ein Probebetrieb auf die Dauer von einem Monat zugelassen worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Während des Probebetriebes seien von seiten des Amtes der Vorarlberger Landesregierung Erschütterungsmessungen beim Wohnhaus S vorgenommen worden. Weitere Erschütterungsmessungen seien im Jahre 1988 durchgeführt worden. Unter dem 20. September 1988 habe A, vertreten durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter, den Antrag gestellt, "zunächst eine auf 6 Monate befristete Betriebsbewilligung des Sägegatters auf Basis von 280 U/min. bei Vollast und 285 U/min. bei Leerlauf zu erteilen". Nach Einholung eines gewerbetechnischen und eines ärztlichen Amtssachverständigengutachtens sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 19. Jänner 1989 die Betriebsbewilligung für die Dauer von sechs Monaten unter insgesamt vier Auflagen erteilt worden. Mit Auflage unter Punkt 2. sei die maximal zulässige Umdrehungszahl des Sägegatters im Leerlauf mit 280 U/min. festgelegt worden. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben, wobei beantragt worden sei, die maximal zulässige Umdrehungszahl des Sägegatters im Leerlauf mit 285 U/min. festzulegen und von jeglicher Betriebszeitenvorschreibung Abstand zu nehmen, während die mitbeteiligten Parteien in ihrer Berufung die Vorschreibung von höchstens 260 U/min. sowie die Herabsetzung des KB-Wertes auf die tatsächliche Fühlschwelle beantragt hätten. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 24. Juli 1989 seien die Auflagen unter den Punkten 1. und 3. des Bescheides der Behörde erster Instanz sowie der letzte Satz der Auflage unter Punkt 4. ersatzlos behoben, im übrigen (insbesondere hinsichtlich der maximal zulässigen Umdrehungszahl) sei der angefochtene Bescheid jedoch bestätigt worden. In den gegen diesen Bescheid von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Berufungen seien die Berufungsanträge gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz wiederholt worden. Zur Klärung des Sachverhaltes und des Berufungsvorbringens habe die Gewerbebehörde dritter Instanz eine - in der Folge im Bescheid dargestellte - Äußerung des gewerbetechnischen Sachverständigen eingeholt, der in seinem Gutachten zur Annahme einer zulässigen Betriebsdrehzahl von ca. 260 U/min. für den Lehrlauf der Gattersäge gekommen sei. Ausgehend davon erachtete die belangte Behörde - unter diesbezüglichem Abgehen vom Bescheid der Behörde zweiter Instanz - die Vorschreibung der im Spruchpunkt 5. bezeichneten Auflage als erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, "daß ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren abgeführt werde und die von ihm beantragten Beweise aufgenommen werden, so vor allem die Durchführung von konkreten Messungen unter bestimmten Betriebsbedingungen und bei konkreten Drehzahlen". Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, er habe am 20. September 1988 den Antrag gestellt, zunächst eine auf sechs Monate befristete Betriebsbewilligung des Sägegatters auf der Basis von 280 U/min. bei Vollast und 285 U/min. bei Leerlauf zu erteilen. Die unter Abweichung von seinem Antrag mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Begrenzung der maximalen Betriebsdrehzahl der Gattersäge beruhe auf Annahmen, Mutmaßungen und Sicherheitszuschlägen, die eine "eigentliche" Überprüfung der eingeholten Gutachten nicht zulasse. So sei die rechnerische Bestimmung der zulässigen Betriebsdrehzahl für die Gattersäge zu unbestimmt und ungenau und von Parametern abhängig, die zu keinem befriedigenden Ergebnis führten. Wenn sich auch rechnerisch die Erregungsenergie nach einer bestimmten Formel mit dem Quadrat der Betriebsdrehzahl der Gattersäge ändere, könne es nicht angehen, zusätzlich zu dieser formelhaften Berechnung für unbestimmte und unbekannte extreme Betriebszustände einen Sicherheitszuschlag einzubeziehen und damit eine erhöhte Reduktion der Drehzahl für erforderlich zu erachten. Diese Umstände habe er bereits in seiner Stellungnahme vom 2. November 1990 vorgebracht, und es sei daher unzutreffend und aktenwidrig, daß die Berechnungen des Amtssachverständigen nicht bekämpft worden seien. Vielmehr seien diese Berechnungen zur Gänze dadurch angefochten worden, daß ihnen insoweit ein Beweiswert abgesprochen werde, als Parameter zugrunde gelegt würden, die nicht abgesichert seien und nur auf Annahmen, Schätzungen und Mutmaßungen beruhten. Ergänzend sei noch auszuführen, daß er konkrete Messungen durch die "Firma" E am 13. Mai 1991 habe veranlassen wollen und hievon auch die Behörde (Bezirkshauptmannschaft Dornbirn) verständigt habe. Die erstmitbeteiligte Partei habe jedoch jegliche Messungen in ihrer Wohnung abgelehnt bzw. von vornherein erklärt, solche nicht durchführen zu lassen. Die Messungen hätten aufgegeben werden müssen, weil sich herausgestellt habe, daß das Meßinstrument der "Firma" E defekt gewesen sei. Die Messungen würden nachgeholt, sobald die "Firma" E ein neues geeichtes Meßgerät zur Verfügung habe. Der Verwaltungsgerichtshof werde zu gegebener Zeit von diesen Meßergebnissen verständigt werden. Sie würden auch in Anwesenheit des Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn durchgeführt.

Der Beschwerde kommt aus folgenden Überlegungen im Ergebnis Berechtigung zu.

Gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 kann die Behörde im Genehmigungsbescheid anordnen, daß die Betriebsanlage oder Teile dieser Anlage erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung nicht ausreichend beurteilt werden kann, ob die die Auswirkungen der genehmigten Anlage oder von Teilen dieser Anlage betreffenden Auflagen des Genehmigungsbescheides die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend schützen oder zur Erreichung dieses Schutzes andere oder zusätzliche Auflagen erforderlich sind; sie kann zu diesem Zweck auch einen befristeten Probebetrieb zulassen oder anordnen; der Probebetrieb darf höchstens zwei Jahre und im Falle einer beantragten Fristverlängerung insgesamt höchstens drei Jahre dauern; die Behörde darf eine Fristverlängerung nur einmal und nur um höchstens ein Jahr zulassen oder anordnen, wenn der Zweck des Probebetriebes diese Verlängerung erfordert; der Antrag auf Fristverlängerung ist spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist zu stellen; durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung wird der Ablauf der Frist bis zur rechtskräftigen Entscheidung gehemmt. Für Betriebsanlagen oder Teile von Betriebsanlagen die erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, können bei der Erteilung der Betriebsbewilligung andere oder zusätzliche Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorgeschrieben werden; hinsichtlich einer Berufung des Bewerbers um die Betriebsbewilligung gegen den Betriebsbewilligungsbescheid gilt Abs. 1 sinngemäß. Nach Abs. 3 kann die Behörde auch eine eingeschränkte Betriebsbewilligung erteilen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Betriebsbewilligung nur in diesem eingeschränkten Ausmaß vorliegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ergibt sich aus § 353 GewO 1973 die Qualifikation der Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage als antragsbedürftiger Verwaltungsakt, wobei derartige Verwaltungsakte nur dann mit dem Gesetz in Einklang stehen, wenn ein auf ihre Setzung gerichteter, von einer hiezu legitimierten Partei gestellter Antrag vorliegt (vgl. hiezu u. a. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0011, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung). Daraus folgt aber unter Bedachtnahme auf die dargestellte Gesetzeslage, daß auch die Erteilung der Betriebsbewilligung gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 die einen im systematischen Zusammenhang mit der Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung stehenden

- gesonderten - Verfahrensvorgang darstellt, ein entsprechendes Ansuchen voraussetzt. Dies gilt mangels gesetzlicher Differenzierung auch für die Erteilung einer eingeschränkten Betriebsbewilligung im Sinne des § 78 Abs. 3 GewO 1973.

Im Beschwerdefall hatte nach den diesbezüglich im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen stehenden Bescheidfeststellungen der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Betriebsanlagengenehmigung den Antrag gestellt, "zunächst eine auf sechs Monate befristete Betriebsbewilligung des Sägegatters auf Basis von 280 U/min. bei Vollast und 285 U/min. bei Leerlauf zu erteilen". Ausgehend von diesem Antrag hätte aber die belangte Behörde ihren Abspruch im Sinne des § 78 Abs. 2 GewO 1973 im Sinne der obigen Darlegungen zu treffen gehabt. Wenn daher die belangte Behörde abweichend davon in der Betriebsbewilligung vorsah, daß das Sägegatter nur mit einer maximalen Betriebsdrehzahl von 260 U/min. im Leerlauf betrieben werden dürfe, so stellt dieser Abspruch gegenüber dem von ihr als verfahrenseinleitend angesehenen Antrag des Beschwerdeführers ein - nicht durch die Antragstellung gedecktes - aliud dar. Daran vermag im Hinblick auf den dargestellten Inhalt der verfahrenseinleitenden Antragstellung des Beschwerdeführers auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde diese Beschränkung in Form einer Auflage aussprach, zumal "andere oder zusätzliche Auflagen" im Sinne des § 78 Abs. 2 letzter Satz GewO 1973 nur im Rahmen eines den Bewilligungsantrag positiv erledigenden Bescheidabspruches erfolgen können.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG abzuheben, ohne daß es seiner Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Kostenersatzanspruches auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040135.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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