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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art137 / sonstige KlagenLeitsatz
Abweisung einer Klage gegen den Bund auf Bezahlung der gesetzlichen Zinsen für ein Steuerguthaben; keine Anspruchsgrundlage - Absehen des Gesetzgebers von einer Regelung für Verzugszinsen in der BAO steht der analogen Anwendung bürgerlich-rechtlicher Grundsätze entgegenSpruch
Das Klagebegehren wird abgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, dem Bund zuhanden der Finanzprokuratur die mit S 2.195,20 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die auf Art137 B-VG gestützte Klage begehrt die Verurteilung der Republik Österreich (Bund) zur Zahlung von
S 11.809,65 an Zinsen, "weil die beklagte Partei dadurch, daß sie zu Unrecht eine Abgabenforderung erhoben hat, dem Kläger einen Rechtsnachteil in der Höhe der gesetzlichen Zinsen zugefügt hat (§1333 ABGB)", samt 4 % Zinsen ab dem Klagstag zuzüglich der Verfahrenskosten. Der Kläger habe vorgeschriebene Grunderwerbsteuer in der Höhe von insgesamt S 152.000,-- zuzüglich Stundungszinsen bezahlt. Nach Aufhebung des Steuerbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof sei ihm die bezahlte Summe durch Überrechnung rückerstattet worden. Sein Zinsenbegehren für den vom Bund zu Unrecht vereinnahmten Abgabenbetrag sei jedoch im ersten Rechtsgang ab- und im zweiten Rechtsgang zurückgewiesen worden.
Der Zinsenanspruch sei nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, da die Bundesabgabenordnung (BAO) die Vergütung von Habenzinsen nicht vorsehe. Aber auch die gerichtliche Geltendmachung einer Schadenersatzforderung nach dem Amtshaftungsgesetz scheide aus, weil der später aufgehobene Abgabenbescheid nicht auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht habe. Die Aufhebung sei wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich der vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Dezember 1986 G167/86 ua. auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes aus Anlaß einer Beschwerde des Klägers aufgehobenen Z 1 des §1 Abs1 GrunderwerbsteuerG) erfolgt.
Der Bund begehrt die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Klage.
Der Kläger stützt in seiner Replik die Klage ausdrücklich auf §1431 ABGB und alle sonst in Betracht kommenden Gründe; er verlange "die Herausgabe des vom Bund gezogenen Nutzens an dem dem Bund zu Unrecht zugekommenen Geldbetrag". Insoferne er sich in der Klage auf §1333 ABGB berufen habe und dies von der beklagten Partei rechtsirrtümlich dahin verstanden worden sei, daß er eine Verzugsfolge geltend mache, widerrufe er dies.
2. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß das Finanzamt einen Antrag des Klägers auf Zahlung von Zinsen für die zu Unrecht geleisteten und rückerstatteten Zahlungen zunächst mit der Begründung abgewiesen hatte, nach den maßgeblichen Vorschriften käme eine Habenzinsengutschrift nicht in Frage. Diesen Bescheid hob die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland in der Folge gemäß §299 Abs2 BAO auf, weil der Antrag auf ein gesetzlich nicht vorgesehenes Verhalten abziele und daher keine Sachentscheidung zu treffen sei; das Finanzamt wurde eingeladen, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Ein solcher Zurückweisungsbescheid erging am 4. Dezember 1987.
II. Die Klage ist zulässig.
Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche ua. gegen den Bund, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Unter Hinweis auf das bisherige Verwaltungsgeschehen behauptet der Kläger, daß über den von ihm geltend gemachten Anspruch weder Gerichte noch Verwaltungsbehörden zu entscheiden hätten.
Daß die Sache nicht vor die Gerichte gehört, ergibt sich schon daraus, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Ansprüche aus Zahlung einer Nichtschuld im Sinne der §§1431 ff. ABGB dann keine Materie des Privatrechts sind, wenn der Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht (und nicht besondere Vorschriften das Verhältnis als privatrechtlich qualifizieren, vgl. VfSlg. 5386/1966, 8065/1977, 8260/1978, 8542/1979, 8666/1979, 8812/1980 und 8954/1980). Zu prüfen ist daher nur noch, ob eine Verwaltungsbehörde zuständig ist. Dabei sind die Bescheide der Finanzlandesdirektion und des Finanzamtes im vorliegenden Fall, die dies verneinen, beim Verfassungsgerichtshof aber nicht in Prüfung stehen, außer Betracht zu lassen. Da der Kläger ausdrücklich erklärt, keine Verzugsfolgen geltend zu machen, ist auch die Einordnung von Ansprüchen auf Verzugszinsen nicht zu erörtern (zu diesen vgl. VfSlg. 5987/1969, 7571/1975, 8836/1980 und 10470/1985). Die Frage ist nur, ob eine Verwaltungsbehörde berufen ist, schlechthin über die "Herausgabe des vom Bund gezogenen Nutzens" aus einem ihm (auf Grund eines später aufgehobenen Bescheides) zu Unrecht zugekommenen Geldbetrag zu entscheiden. Eine solche besondere, über jene auf Entscheidung über Verzugszinsen hinausgehende Zuständigkeit ist nun im Gesetz weder ausdrücklich vorgesehen noch etwa aus der Überlegung abzuleiten, es handle sich hiebei nur um einen Annex zu dem die Hauptsache bildenden vermögensrechtlichen Anspruch (wie bei den Verzugszinsen; VfSlg. 7571/1975, 8542/1977): Da der Verzug mit der Zahlung einer Hauptforderung gerade nicht Klagegrund sein soll, fehlt es an dem hiezu erforderlichen engen Zusammenhang mit jener Forderung, über die nach §239 BAO das Finanzamt zu entscheiden hat. Die Sache ist daher auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen.
III. Das Klagebegehren ist jedoch nicht begründet.
Wohl ist der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, daß die privatrechtlichen Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung auch im öffentlichen Recht direkt oder analog Anwendung finden, um vorhandene Lücken des öffentlichen Vermögensrechtes zu schließen (VfSlg. 8812/1980). Eine solche Lücke liegt jedoch nur vor, wenn nicht Gründe für die Annahme überwiegen - und auch nicht durch das Gebot verfassungskonformer Auslegung entkräftet werden -, der Gesetzgeber habe den behaupteten Anspruch nicht gewähren wollen (so zB für Ansprüche auf Ersatz des Nutzens einer ungerechtfertigten Verwaltungstätigkeit VfSlg. 3695/1960).
Solche Gründe finden sich hier: Aus dem Schweigen des die Rückzahlung von Guthaben betreffenden §239 BAO über die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen ist nämlich - wie beide Parteien des Verfahrens einräumen - angesichts der Regelung über die Stundungszinsen (§212 BAO) abzuleiten, daß Verzugszinsen nicht gebühren, der Gesetzgeber vielmehr eine insofern abschließende Regelung getroffen hat (vgl. VfSlg. 8467/1978, wo auch die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Regelung dargetan wird). Verzugszinsen erfüllen nun aber, da sie schon durch objektiven Verzug ausgelöst werden und kein Verschulden erfordern, offenkundig auch eine bereicherungsrechtliche Funktion (zu dieser vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I2, 20, 314, und Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 4 zu §1333). Gebühren im vorliegenden Zusammenhang nicht einmal Verzugszinsen, wäre es daher ein Wertungswiderspruch, wenn man zugleich einen - ähnliche Zwecke erfüllenden - Bereicherungsanspruch auf den Nutzen aus dem rückzuerstattenden Kapitalsbetrag bejahen würde. Das Absehen des Gesetzgebers von einer einschlägigen Regelung steht daher hier einer analogen Anwendung bürgerlich-rechtlicher Grundsätze entgegen. Da auch sonst keine Anspruchsgrundlage erkennbar ist, erweist sich das Klagebegehren als unbegründet. Es ist abzuweisen.
IV. Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).
Der Kostenzuspruch stützt sich auf §41 VerfGG, wobei die Kosten nach TP3C des Rechtsanwaltstarifes zu bemessen sind.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Zivilrecht / Schuldrecht / Allg / Bereicherung, Fin / Verfahren / Rückzahlung, Rechtsgrundsätze / Analogie,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:A16.1988Dokumentnummer
JFT_10109684_88A00016_00