TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/10 88/05/0199

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L70704 Theater Veranstaltung Oberösterreich;
L81704 Baulärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
BauO OÖ 1976 §41 Abs4 lita;
BauO OÖ 1976 §41 Abs5 lita;
BauO OÖ 1976 §64 Abs1;
BauRallg;
BauV OÖ 1976 §36 Abs7;
B-VG Art109 Abs5;
GdO OÖ 1979 §102;
GdO OÖ 1979 §103 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Alois G jun. und 2. der Waltraud G in S, beide vertreten durch Dr. H. Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. Juli 1988, Zl. BauR-010046/2-1988 See/Ja, betreffend Beseitigung einer Düngersammelanlage (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern anteilsmäßig Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. März 1982 wurde Alois G sen. und Theresia G, welche Eigentümer der Grundparzelle Nr. 1248/3, KG X, sind und zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung auch Eigentümer der auf dieser Parzelle errichteten Düngersammelstätte waren, aufgetragen, die auf der Grundparzelle Nr. 1248/3 errichtete Düngersammelanlage bis zum 30. Mai 1982 umzusituieren oder baulich so zu verändern, daß vom gelagerten Dünger zur Grenze des nachbarlichen Grundstückes Nr. 1248/2, KG X, ein Mindestabstand von 5,0 m und zum Nachbargebäude der Familie B ein Mindestabstand von 10,0 m eingehalten werden könne.

Der dagegen erhobenen Berufung des Alois G sen. und der Theresia G gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 10. November 1982 keine Folge und bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters vom 18. März 1982 mit der Maßgabe, daß die im erstinstanzlichen Bescheid aufgetragenen Maßnahmen bis zum 30. April 1983 durchzuführen seien.

Der von Alois G sen. und Theresia G erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 3. Februar 1983 mit der Feststellung, daß durch den Bescheid des Gemeinderates Rechte der Vorstellungswerber verletzt worden seien, Folge, sie behob den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. November 1982 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück.

Durch die in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1983 erstatteten Gutachten wurden Tatsachen festgestellt, die die nähere Beschaffenheit der Düngersammelanlage zum Zeitpunkt dieser Verhandlung betreffen.

Im Rahmen dieser Verhandlung legte der agrartechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten unter anderem dar, daß der Fremdenverkehrsbetrieb im Bauernhof der Nachbarn, der Ehegatten B in Wald Nr. 12, einen Bestand von 20 Normalbetten (plus fallweise bis zu 10 Notbetten) aufweise. Im Jahre 1977 sei den Ehegatten B. (richtig: der Theresia B.) eine Gastgewerbekonzession erteilt worden. Der Betrieb der Ehegatten B. sei auch sonst als Nebenerwerbsbetrieb (derzeit Rentnerbetrieb) einzustufen. Derzeit werden bei einem Grundausmaß von rund 3,0 ha zuzüglich rund 3,0 ha Pachtgrund 18 bis 20 Rinder gehalten.

Der Vertreter der Familie B. führte in seiner in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1983 abgegebenen Stellungnahme unter anderem aus, daß im Betrieb der Familie B. gegenwärtig 18 Rinder eingestellt seien. Das Einkommen dieser Familie aus dem Gastgewerbebetrieb und die Pensionsbezüge des Alois B. seien eindeutig höher als die Einkünfte der Familie aus der Landwirtschaft.

Der bautechnische Amtssachverständige hielt in der Verhandlung unter anderem fest, daß in dem "Konzessionsdekret" der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 28. März 1977 für den Betrieb einer Frühstückspension am Standort Wald Nr. 12 und in einem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 8. Februar 1977, in dem im Zusammenhang mit der Überprüfung der gastgewerblichen Betriebsräume Auflagen vorgeschrieben worden seien, der rechtliche Bestand der Frühstückspension mit 26 Fremdbetten "als unzweifelhaft scheine".

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Juni 1984 wurde der Bescheid des Bürgermeisters vom 18. März 1982 aufgehoben und die Angelegenheit zur Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1984 stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde fest, daß die auf dem Grundstück Nr. 1248/3, KG X, errichtete Düngersammelanlage nicht im Widerspruch zu § 36 Abs. 7 der Oö Bauverordnung, LGBl. Nr. 63/1976, stehe und aus diesem Grunde kein baupolizeilicher Auftrag nach § 61 Abs. 5 der Oö Bauordnung LGBl. Nr. 35/1976, erlassen werden könne.

Mit Bescheid vom 2. Jänner 1985 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 17. Juli 1984 erhobene Berufung der Nachbarn der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer in bezug auf das Eigentum an der Düngersammelanlage, Alois B. und Theresia B., ab.

Die von diesen Nachbarn erhobene Vorstellung wurde mangels Parteistellung der Vorstellungswerber als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 6. November 1985 teilte Theresia G der belangten Behörde unter anderem mit, daß sie und Alois G sen. am 1. April 1985 den landwirtschaftlichen Besitz übergeben hätten.

Mit Bescheid vom 16. Juli 1986 behob die belangte Behörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Jänner 1985. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der §§ 98 Abs. 1 und 103 Abs. 1 der Oö Gemeindeordnung 1979, LGBl. Nr. 119/1979, und des § 36 Abs. 7 der Oö Bauverordnung 1976, LGBl. Nr. 63, bzw. 1985, LGBl. Nr. 5 im wesentlichen ausgeführt, im Wesen der Aufsicht liege die Befugnis der Aufsichtsbehörde, Akte des zu beaufsichtigenden Organes unter Beachtung gesetzlicher Schranken soweit aufzuheben, als sie rechtswidrig sind. Sei die Rechtswidrigkeit wesentlich, so müsse die Aufsichtsbehörde die Aufhebung anordnen bzw. durchführen. Nur dann, wenn die Rechtswidrigkeit unerheblich sei - somit im Einzelfall keine wesentlichen Folgen nach sich ziehe - könne die Behörde davon absehen, den rechtswidrigen Akt aufzuheben. Im gegenständlichen Fall sei eine solche relevante Rechtswidrigkeit gegeben. Maßgebend für die Beurteilung, ob die Düngersammelanlage die vorgeschriebenen Abstände unterschreiten dürfe, sei zunächst die Frage, ob es sich um ein Gebiet handle, in dem sich ausschließlich Landwirtschaftsbetriebe befänden, und weiters, ob die zu erwartende Geruchsbelästigung das ortsübliche Ausmaß voraussichtlich nicht überschreite. Dies sei letztlich sinngemäß im Vorstellungsbescheid vom 3. Februar 1983 dargelegt worden und habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde unter ausdrücklichem Verweis auf die Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung auch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde habe seinen Bescheid vom 31. (richtig: 17.) Juli 1984 insofern mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, als er entgegen dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens (der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1983) - insbesondere der Gutachten des agrartechnischen Amtssachverständigen und des Amtssachverständigen für Immissionsschutz - die Zulässigkeit der Unterschreitung der Abstände bei der Errichtung der Düngersammelanlage festgestellt habe. Wie den Gutachten zweifelsfrei entnommen werden könne, handle es sich im gegenständlichen Fall auf Grund der Tatsache, daß die Nachbarn Alois B. und Theresia B. eine gewerbebehördlich konzessionierte Fremdenpension betreiben, nicht mehr um ein Gebiet, das ausschließlich Landwirtschaftsbetriebe aufweise. Weiters habe der Amtssachverständige für Immissionsschutz in schlüssiger Weise dargelegt, daß die zu erwartenden Geruchsbelästigungen das ortsübliche Ausmaß überschritten. Da der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde in seiner Entscheidung über die Berufung der Nachbarn dies nicht wahrgenommen habe, sei auch der Bescheid des Gemeinderates mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Durch den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 31. (richtig: 17.) Juli 1984 sei kein Recht entstanden, da lediglich die Feststellung getroffen worden sei, daß ein baupolizeilicher Auftrag nicht erlassen werden könne. Daraus erwachse jedoch kein Recht auf Errichtung dieser Anlage, weil es sich hiebei um keinen rechtsgestaltenden Bescheid, wie etwa einen Baubewilligungsbescheid, handle. Hinsichtlich der vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde im Bescheid vom 2. Jänner 1985 mehrfach erwähnten Bindungswirkung werde festgehalten, daß sich diese nur auf jene Rechtsansichten der Aufsichtsbehörde beschränke, die die Aufhebung eines Bescheides trügen. Der seinerzeitige aufsichtsbehördliche Bescheid vom 3. Februar 1983 habe aber der Baubehörde lediglich eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens aufgetragen, bevor eine endgültige und dem Gesetz entsprechende Entscheidung im Sinne des § 61 der Oö Bauordnung 1976 habe getroffen werden können. Eine Aussage darüber, ob der Errichtung der Düngersammelanlage unter gleichzeitiger Unterschreitung der mehrfach erwähnten, im § 36 Abs. 7 der Oö Bauverordnung 1976 bzw. 1985 normierten Abstände möglich wäre, sei hingegen nicht getroffen worden.

Dieser Bescheid, der den Beschwerdeführern nicht zugestellt wurde, blieb unbekämpft.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Jänner 1987 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 7. August 1987) wurde die Berufung der Nachbarn der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer in bezug auf das Eigentum an der Düngersammelanlage, des Alois B. und der Theresia B., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Juli 1984 mangels Parteistellung zurückgewiesen und auf Grund des Bescheides der belangten Behörde vom 16. Juli 1986 der Bescheid des Bürgermeisters vom 17. Juli 1984 aufgehoben und "gemäß § 66 (2) AVG" die Sache zur Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister verwiesen. Auch dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern nicht zugestellt.

Der von Alois G sen. und Theresia G dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 25. Mai 1987 mit der Feststellung keine Folge, daß die Einschreiter durch den Bescheid des Gemeinderates vom 28. Jänner 1987 in ihren Rechten nicht verletzt worden seien. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß der Gemeinderat durch den "Vorstellungsbescheid" vom 16. Juli 1986 verpflichtet gewesen sei, neuerlich über die gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Juli 1984 eingebrachte Berufung zu entscheiden, wobei er hiebei an die Rechtsanschauung der belangten Behörde - diese sei im Behebungsbescheid der belangten Behörde vom 16. Juli 1986 hinreichend zum Ausdruck gebracht worden - gebunden gewesen sei. Denn die Rechtsmeinung der Aufsichtsbehörde, die in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid - (hier lag allerdings kein Vorstellungsbescheid, sondern eine aufsichtsbehördliche Maßnahme nach § 103 Abs. 1 der Oö Gemeindeordnung vor) zum Ausdruck komme, entfalte bei Rechtskraft des Bescheides bindende Wirkung gegenüber allen Parteien, den Gemeindebehörden, der Aufsichtsbehörde und auch dem Verwaltungsgerichtshof, und im fortgesetzten Verfahren sei diese Bindung im gegebenen Umfang zu beachten. Diese Bindung bestehe selbst dann, wenn der Vorstellungsbescheid mit der objektiven Rechtslage nicht im Einklang stehe, und erstrecke sich auch auf ein nachfolgendes Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, sofern der aufsichtsbehördliche Bescheid unangefochten geblieben sei. Mit dem Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Jänner 1987 sei lediglich der Rechtsanschauung der belangten Behörde voll Rechnung getragen worden und seien sohin Rechte der Einschreiter nicht verletzt worden. Auch dieser Bescheid, der den Beschwerdeführern nicht zugestellt worden war, blieb unangefochten.

In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Baubehörde 1. Instanz vom 5. August 1987 wurde in der Hauptsache - unter Bezugnahme auf die Situierung und die Ausmaße der Düngersammelanlage zu diesem Zeitpunkt - festgehalten, daß die Kundmachung betreffend diese Verhandlung Alois G sen. und Theresia G zugestellt worden sei. Beim Lokalaugenschein am 5. August 1987 hätten Alois G sen. und der Erstbeschwerdeführer erklärt, daß sie Eigentümer der Düngersammelstätte und Alois G sen. Eigentümer des Grundstückes Nr. 1248/3, auf dem sich diese Anlage befinde, sei. Da der Erstbeschwerdeführer keine Kundmachung hinsichtlich der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung erhalten habe, sei ein Begehen des Grundstückes und somit eine Feststellung der genauen Abstände untersagt worden. Von Alois G sen. und dem Erstbeschwerdeführer sei ein Übergabsvertrag vom 2. Juli 1985 zur Einsichtnahme vorgelegt worden. Danach seien die nunmehrigen Beschwerdeführer Eigentümer der Düngersammelanlage und der gesamten Liegenschaft mit Ausnahme des Grundstückes Nr. 1248/3.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. August 1987 wurde den Beschwerdeführern die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes aufgetragen. Sie wurden verpflichtet, die auf dem Grundstück des Alois G sen. und der Theresia G, Wald 4, Parzelle Nr. 1248/3, KG X, errichtete Düngersammelanlage innerhalb von drei Monaten nach Zustellung dieses Bescheides unter Einhaltung von Bedingungen und Auflagen abzutragen. In der Begründung wurde unter anderem festgehalten, daß eine Unterschreitung der Zehn-Meter-Grenze des § 36 Abs. 7 der Oö Bauverordnung 1985 deswegen nicht genehmigt werden könne, weil sich im maßgeblichen Gebiet auch eine gewerbliche Frühstückspension der Nachbarn Alois B. und Theresia B. auf dem Grundstück Nr. 106/2, KG X, befinde. Daher liege nicht mehr ein Gebiet mit ausschließlich landwirtschaftlichen Betrieben vor.

Die dagegen erhobene Berufung, in der die Beschwerdeführer unter anderem vorbrachten, daß der Stallmist seit dem Jahr 1971 auf dem Grundstück Nr. 1248/3 gelagert werde und daß die Beschwerdeführer den Betrieb des Alois G sen. und der Theresia G - nicht jedoch das Grundstück Nr. 1248/3 - am 1. April 1985 übernommen hätten, wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. Jänner 1988 abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß die Düngersammelanlage nach der im Bescheid vom 16. Juli 1986 von der belangten Behörde verbindlich geäußerten rechtlichen Ansicht in einem Gebiet errichtet worden sei, in dem sich nicht ausschließlich landwirtschaftliche Betriebe befänden.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer gab die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der Feststellung keine Folge, daß die Beschwerdeführer durch den Bescheid des Gemeinderates vom 25. Jänner 1988 in ihren Rechten nicht verletzt worden seien. In der Begründung wurde unter anderem festgehalten, daß sich die Baubehörden im Rahmen der Bauaufsicht jederzeit auch ohne Mitbeteiligung der betroffenen Parteien von der Einhaltung baurechtlicher Bestimmungen bei baulichen Anlagen überzeugen können. Daher habe keine Verpflichtung bestanden, die Beschwerdeführer der Begehung beizuziehen. Verpflichtet sei die ermittelnde Baubehörde (erster Instanz) lediglich zur Gewährung des Parteiengehörs über die festgestellten Ermittlungsergebnisse gewesen. Ein solches Parteiengehör sei den Beschwerdeführern vorweg nicht gewährt worden. Da jedoch die Unterlassung des Parteiengehörs im Verfahren erster Instanz im Berufungsverfahren noch saniert werden könne und die anläßlich der Begehung vom 5. August 1987 getroffenen Feststellungen den Beschwerdeführern ohnehin im Zuge des Berufungsverfahrens (Berufungsbescheid) ausführlich bekanntgemacht worden seien, sei damit die vorangegangene Verletzung des Parteiengehörs geheilt worden. Überdies seien im Zuge der Begehung vom 5. August 1987 keine neuen entscheidungswesentlichen Feststellungen getroffen worden, sodaß sich insofern auch keine Änderungen ergeben hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Auch die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 41 Abs. 4 lit. a der Oö Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 82/1983 (BO), sind unter anderem Sammelanlagen für festen Dünger von der Bewilligungspflicht nach § 41 Abs. 1 BO ausgenommen.

Nach § 41 Abs. 5 lit. a BO kann die Landesregierung durch Verordnung bestimmen, daß die Errichtung oder Änderung bestimmter gemäß § 41 Abs. 1 oder § 41 Abs. 4 BO nicht bewilligungspflichtiger Arten von baulichen Anlagen der Bewilligungspflicht unterworfen wird, soweit dies im Interesse der Sicherheit, des Brandschutzes, der Gesundheit, der Hygiene, der Wahrung eines ungestörten Orts- oder Landschaftsbildes oder der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung geboten ist.

§ 61 Abs. 5 erster Satz BO lautet:

"Stellt die Baubehörde fest, daß eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht entsprechend den für sie geltenden baurechtlichen Bestimmungen oder nicht entsprechend den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, so hat sie dem Eigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen."

Nach § 36 Abs. 7 der Oö Bauverordnung 1985, LGBl. Nr. 5 (Oö BauV), sind Sammelanlagen für festen Dünger sowie offene und geschlossene Jauche- und Güllegruben außerhalb von Wohngebäuden und Stallungen anzulegen, flüssigkeitsdicht herzustellen und müssen sie von der Nachbargrenze einschließlich der Straßengrundgrenze, von Brunnen sowie von Aufenthaltsräumen mindestens 10 m entfernt sein. In Gebieten, in denen sich ausschließlich Landwirtschaftsbetriebe befinden, ist ein geringerer Abstand von der Nachbargrenze und von Aufenthaltsräumen zulässig, wenn die zu erwartende Geruchsbelästigung das ortsübliche Ausmaß voraussichtlich nicht überschreitet.

Zunächst ist zu prüfen, inwieweit die Verwaltungsbehörden zu Recht von einer Bindungswirkung des gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheides vom 16. Juli 1986 ausgegangen sind, obwohl die nunmehrigen Beschwerdeführer sowohl im Verfahren vor der Gemeindeaufsichtsbehörde als auch an dem vorangegangenen Verfahren nicht beteiligt waren und ihnen auch der aufsichtsbehördliche Bescheid nicht zugestellt wurde, sodaß eine Rechtskraftwirkung ihnen gegenüber nicht eintreten konnte. Die darüber hinaus im § 64 Abs. 1 BO angeordnete dingliche Wirkung für Rechtsnachfolger im Grund- oder Bauwerkseigentum kommt aber Bescheiden nach der Bauordnung nur insoweit zu, als daraus erwachsende Rechte auch vom Rechtsnachfolger des Eigentümers des Bauwerkes geltend gemacht werden können und daraus erwachsende Pflichten auch von diesem Rechtsnachfolger zu erfüllen sind.

Nun begründete wohl die im Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Juli 1984 spruchmäßig getroffene Feststellung, daß die auf dem Grundstück errichtete Düngersammelanlage nicht im Widerspruch zu § 36 Abs. 7 der Oö BauV stehe, zweifellos ein - in der Folge nicht überprüfbares - Recht des Grund- oder Bauwerkseigentümers, das auf Rechtsnachfolger übergegangen wäre. Da sich aber die Beschwerdeführer im Verfahren ohnehin nicht auf dieses (denkmöglich auf sie übergegangene) Recht berufen haben, mußte nicht geprüft werden, ob die Beschwerdeführer schon im Zeitpunkt der Nichtigerklärung Eigentümer der Düngersammelanlage (als Teil des ihnen übergebenen landwirtschaftlichen Betriebes) geworden waren und ihnen der Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde hätte zugestellt werden müssen, um auch ihnen gegenüber Wirkungen zu entfalten. An sich beschränkt sich ja die Wirkung einer aufsichtsbehördlichen Maßnahme nach § 103 Abs. 1 der Oö Gemeindeordnung im wesentlichen auf die Beseitigung des rechtswidrigen Aktes, was naturgemäß dessen Wiederholung ausschließt; eine darüber hinausgehende bindende Wirkung sieht die Gemeindeordnung im Gegensatz zu der in einem Vorstellungsbescheid ausgesprochenen, die Aufhebung tragenden Rechtsansicht (§ 102 letzter Satz der Oö Gemeindeordnung 1979, LGBl. 119) nicht vor.

Der Vorstellungsbescheid vom 25. Mai 1987 konnte schließlich keine bindende Wirkung entfalten, da er zu keiner Aufhebung führte.

Soweit die Behörden sich daher im Verfahren gegen die Beschwerdeführer auf eine bindende Wirkung aus früheren Verfahren beriefen, steht dies mit der Rechtslage nicht im Einklang. Es ist daher weiters zu prüfen, ob die Erlassung des Auftrages sonst dem Gesetz entsprach.

Eine Sammelanlage für festen Dünger, von der hier nach den bisherigen Verfahrensergebnissen auszugehen ist, ist nach § 41 Abs. 4 lit. a BO ausdrücklich von einer Bewilligungspflicht ausgenommen; von der im Abs. 5 lit. a leg. cit. vorgesehenen Möglichkeit einer Ausweitung wurde kein Gebrauch gemacht. Daher kann, wie die Behörden richtig erkannt haben, ein Beseitigungsauftrag nicht auf die Konsenslosigkeit der Anlage, sondern nur darauf gestützt werden, daß sie u.a. entgegen den für sie geltenden baurechtlichen Bestimmungen ausgeführt wurde. Damit kommt es aber für die Prüfung der örtlichen Verhältnisse und der anzuwendenden Rechtsvorschriften im Gegensatz zu konsenslosen Bauführungen nicht auf den Zeitpunkt der Erlassung des baupolizeilichen Auftrages, sondern auf den der Herstellung, also der Anlegung einer Düngersammelstätte in dieser Größenordnung an. Eine bloße Sanierung (Herstellung einer Umfassung u.dgl.) bleibt dabei, soweit damit nicht eine erhebliche Vergrößerung verbunden ist, nach dem Zweck der Regelung außer Betracht. Die Behörden hätten daher im Sinne des § 36 Abs. 7 der Oö BauV prüfen müssen, wann die Düngersammelanlage (Misthaufen) erstmalig an dieser Stelle angelegt wurde (nach den Behauptungen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren schon 1977) und ob schon zu diesem Zeitpunkt nicht nur landwirtschaftliche Betriebe in der näheren Umgebung bestanden.

Da die belangte Behörde auch zu dieser Frage offensichtlich von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988050199.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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