TE Vfgh Beschluss 1989/6/12 G224/88

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Veröffentlicht am 12.06.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
MietrechtsG §37 Abs1 Z8
MietrechtsG §44 Abs2 Z2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung des §44 Abs2 MietrechtsG betreffend die Möglichkeit der Herabsetzung des vereinbarten Hauptmietzinses; fehlende Legitimation - gerichtlicher Rechtsweg zumutbar

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der Antragsteller ist Eigentümer und Vermieter einer Wohnung, die unter die Ausstattungskategorie C gemäß §16 Abs2 Z3 des Mietrechtsgesetzes 1981 idF BGBl. 340/1987 (MRG) fällt. Der Mieter dieser Wohnung begehrte mit einem an den Vermieter gerichteten Schreiben die Herabsetzung des vereinbarten Hauptmietzinses gemäß §44 Abs2 Z2 MRG.

1.2. Mit einem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Z2 des §44 Abs2 MRG, der lautet:

"(2) Der Hauptmieter einer vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gemieteten Wohnung kann vom Vermieter die Ermäßigung des vorher vereinbarten Hauptmietzinses begehren,

1. ...

2. wenn der vereinbarte Hauptmietzins den Betrag um mehr als die Hälfte übersteigt, der sich für die Wohnung nach ihrer Größe und Ausstattungskategorie im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags oder einer späteren, vom Vermieter finanzierten Standardverbesserung nach §16 Abs2 bis 4 als Hauptmietzins errechnet."

Der Antragsteller bringt vor, diese Gesetzesstelle verstoße gegen Art1 des ersten Zusatzprotokolls zur MRK sowie gegen die Art5 und 6 StGG. Sie verletze den Antragsteller unmittelbar in seinen Rechten, da das Herabsetzungsbegehren des Mieters die über den Hauptmietzins getroffene Vereinbarung gemäß §44 Abs3 MRG insoweit rechtsunwirksam mache, als der Hauptmietzins das Eineinhalbfache des Kategoriemietzinses übersteigt. In einem Gerichtsverfahren anzuregen, einen Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art140 Abs1 B-VG zu stellen, sei "im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 3.7.1984, 5 Ob 86/83, völlig sinnlos, da der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung festgestellt hat, §44 MRG gebe keinen Anlaß für Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit".

1.3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung des Individualantrags beantragt.

2. Der Antrag ist nicht zulässig.

2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides (für diese Person) wirksam wurde. Dazu vertritt der Verfassungsgerichtshof seit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen müsse und daß der durch Art140 Abs1 B-VG eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, dem einzelnen Rechtsunterworfenen Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9062/1981, 9685/1983, 10481/1985).

2.2. Im vorliegenden Fall steht dem Antragsteller jedoch ein solcher zumutbarer Weg zur Verfügung: Gemäß §37 Abs1 Z8 MRG ist im Verfahren außer Streitsachen über Anträge betreffend die "Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses (§12 Abs3 und 4, §§16, 43, 44, 46) ..." zu entscheiden. Abgesehen von der Möglichkeit, einen derartigen Antrag an das Außerstreitgericht zu stellen, wäre es dem Antragsteller außerdem freigestanden, im streitigen Verfahren ein Zinszahlungsbegehren gegen den Mieter zu richten (vgl. etwa Miet.Slg. 34.345). In jedem dieser beiden Verfahren (zum Außerstreitverfahren vgl. auch §37 Abs3 MRG) wäre es dem Antragsteller möglich, Bedenken gegen präjudizielle gesetzliche Vorschriften vorzutragen und vor dem Gericht zweiter Instanz die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen.

Für die Zumutbarkeit des Rechtsweges ist es auch unerheblich, ob ein Zivilverfahren zu dem vom Antragsteller angestrebten Erfolg führen würde. Dies ist eine konsequente Folge der bestehenden Verfassungsrechtslage, die Individualanträge nur als subsidiären Rechtsbehelf zuläßt (VfSlg. 8187/1977, 9170/1981, 9285/1981, 9394/1982, 10251/1984). Es kommt dabei nicht auf die Erfolgschancen des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Rechtsweges, sondern bloß darauf an, daß sich im Zuge eines derartigen Prozesses Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen relevante Normen über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10592/1985). Auch die Tatsache, daß - wie der Antragsteller vorbringt - der Oberste Gerichtshof keine Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung hegt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Daß ein gerichtlicher Prüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof unterbleibt, wenn die Rechtsmittelinstanzen die verfassungsrechtliche Kritik einer Prozeßpartei an präjudiziellen gesetzlichen Vorschriften nicht teilen, ändert nach der gefestigten verfassungsgerichtlichen Judikatur nichts an der Unzulässigkeit des Individualantrages (vgl. etwa VfSlg. 8552/1979, 9394/1982, 9926/1984, VfGH 28.11.1988 G209/88).

2.3. Der Antrag war daher mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen.

Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Mietenrecht, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:G224.1988

Dokumentnummer

JFT_10109388_88G00224_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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