TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/10 91/04/0181

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
GewO 1973 §13;
GewO 1973 §28 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/399;
GewO 1973 §28 Abs1 Z1 litb idF 1988/399;
GewO 1973 §28 Abs1 Z2 idF 1988/399;
GewO 1973 §28 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des A in E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. März 1991, Zl. 313.716/1-III/5/91, betreffend Verweigerung der Nachsicht zum vorgeschriebenen Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. August 1990 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers um Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften im näher bezeichneten Standort gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 GewO 1973 abgewiesen.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, über das Vermögen der N-Gesellschaft mbH., deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei, sei am 23. Mai 1989 beim Kreisgericht Wels ein Konkursverfahren eröffnet worden. Es lägen somit Gewerbeausschließungsgründe gemäß § 13 Abs. 5 GewO 1973 vor, weil dem Beschwerdeführer in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer ein maßgeblicher Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zugestanden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der unter anderem darauf hingewiesen wird, "daß ein Zwangsausgleich erreicht und auch sämtliche beteiligte Personen und Firmen voll befriedigt wurden".

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. März 1991, wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1973 bestätigt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der N-Gesellschaft m.b.H. Diese Gesellschaft habe in der Zeit vom 16. Oktober 1986 bis 11. Dezember 1989 die Gewerbeberechtigung für die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften durch Dienstverschaffungsverträge unter Übernahme des wirtschaftlichen Wagnisses und unabhängig vom Nachweis einer Beschäftigung sowie unter Ausschluß jeder Tätigkeit, die den staatlichen Arbeitsämtern vorbehalten sei, besessen. Im Rahmen des Berufungsverfahrens sei der Beschwerdeführer nachweislich darauf hingewiesen worden, daß die in der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Juni 1988 über den Befähigungsnachweis für das konzessionierte Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften, BGBl. Nr. 342, normierte Art des Nachweises der Befähigung den Maßstab dafür bilde, ob nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden könne, daß er die für die angestrebte Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitze. Gleichzeitig sei er aufgefordert worden, geeignete Beweismittel über seinen Bildungsgang (Zeugnisse, Kursbestätigungen etc.) und seine bisherigen Tätigkeiten (Arbeitszeugnisse, Arbeitsbestätigungen usw.) vorzulegen. In seiner Stellungnahme vom 24. Jänner 1991 vor der Bezirkshauptmannschaft Gmunden habe der Beschwerdeführer lediglich darauf verwiesen, daß er das gegenständliche Gewerbe jahrelang selbständig ausgeübt habe (Gewerbeschein vom 12. Jänner 1987 für das freie Gewerbe "Zurverfügungstellung von Arbeitskräften ..." und eine Bestätigung der S-Gesellschaft m.b.H. vom 22. März 1990). Geeignete Beweismittel über seine bisherigen Tätigkeiten (Arbeitszeugnisse, Arbeitsbestätigungen usw.) habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Maßstab dafür, ob nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden könne, daß er die für die angestrebte Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitze, sei für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften die in der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Juni 1988 über den Befähigungsnachweis für das konzessionierte Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften, BGBl. Nr. 324, normierte Art des Nachweises der Befähigung. Allein auf Grund der handelsrechtlichen Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers in der N-Gesellschaft m.b.H., die in der Zeit vom 16. Oktober 1986 bis 11. Dezember 1989 laut Angaben des Beschwerdeführers die Gewerbeberechtigung für die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften durch Dienstverschaffungsverträge unter Übernahme des wirtschaftlichen Wagnisses und unabhängig vom Nachweis einer Beschäftigung sowie unter Ausschluß jeder Tätigkeit, die den staatlichen Arbeitsämtern vorbehalten ist, besessen habe, und der vorgelegten Bestätigung der S-Gesellschaft m.b.H., in der der N-Gesellschaft m.b.H. bestätigt werde, daß sie vom Jahre 1981 bis 1983 zeitweise und ab dem Jahr 1984 laufend Leihpersonal zur Verfügung gestellt habe, könne nicht geschlosen werden, daß der Beschwerdeführer die für die Ausübung des Gewerbes der Überlassung von Arbeitskräften erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitze. Bemerkt werde, daß der Beschwerdeführer der nachweislichen Aufforderung, geeignete Beweismittel über seinen Bildungsgang und seine bisherigen Tätigkeiten vorzulegen, nicht nachgekommen sei und somit angenommen werden müsste, daß der Beschwerdeführer "derartige Beweise über die Befähigung des Nachweises der Befähigung für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften nicht erbringen kann".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen nach in dem Recht auf Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis verletzt. Der Beschwerdeführer bringt in Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, er habe der Behörde nachgewiesen, daß er in der Zeit vom Jahre 1981 bis 1983 zeitweise und ab dem Jahr 1984 laufend der S-Gesellschaft m.b.H. Leihpersonal zur Verfügung gestellt habe. Man könne daher wohl davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zur Ausübung dieses Gewerbes auf Grund der bisher von ihm ausgeübten Tätigkeit besitze. Darüberhinaus habe der Beschwerdeführer der Behörde nachgewiesen, daß er handelsrechtlicher Geschäftsführer einer "Baufirma" sei und im Rahmen der Tätigkeit der "Baufirma" ebenfalls laufend mit ähnlichen Problemen befaßt sei, wie sie die Gewerbeausübung der Überlassung von Arbeitskräften mit sich bringe. Der Beschwerdeführer könne auf eine nahezu 30-jährige Tätigkeit "in dieser Branche" zurückblicken, sodaß ihm auf Grund dieser laufenden Tätigkeit ohne weiteres die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis erteilt werden müßte. Wenn man schon die Bestimmungen des § 28 Abs. 1 GewO 1973 erlassen habe, sei nicht einzusehen, weshalb man dann von dieser vorgesehenen Nachsicht nicht Gebrauch mache, sofern eben eine jahrelange Tätigkeit in diesem Arbeitsgebiet nachgewiesen werden könne. Dies umso mehr, als sich durch die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Juni 1988 (BGBl. Nr. 324/1988) "im Gewerbezweig selbst nichts Gravierendes geändert hat, was plötzlich die Erbringung einer Prüfung erforderlich machen würde". Es sei doch offenbar Wille des Gesetzgebers gewesen, daß in erster Linie jene Personen erfaßt würden und mittels Konzessionsprüfung die Befähigung nachwiesen, welche erstmals "in dieser Branche tätig sein wollen aber sicher nicht jene, welche schon über eine nahezu 10-jährige Praxis in diesem Gewerbezweig zurückblicken können".

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1973 ist - sofern eine Verordnung gemäß § 22 Abs. 4 nicht Gegenteiliges bestimmt - die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis - ausgenommen vom Erfordernis der Zusatzprüfung gemäß § 99 oder § 102 - zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt und (Z. 1a) ihm die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder sonstigen in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder (b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen und (Z. 2) keine Ausschließungsgründe des § 13 vorliegen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes normiert diese Gesetzesstelle somit als kumulatives Tatbestandserfordernis, es müsse vom Nachsichtswerber nach seinem Bildungsgang und seiner bisherigen Tätigkeit angenommen werden können, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, daß weiters dazu einer der beiden im § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a oder b leg. cit. umschriebenen Ausnahmetatbestände erfüllt ist und daß schließlich gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. kein Ausschließungsgrund des § 13 GewO 1973 vorliegt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1991, Zl. 90/04/0319, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).

Voraussetzung für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ist unter anderem das Vorliegen der VOLLEN (nicht etwa nur einer "hinreichenden") Befähigung. In diesem Sinne umfaßt die Nachsicht nicht die Befähigung (die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen), sondern allein den

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normativ - geforderten Nachweis dieser Befähigung. Hiebei bilden die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften den Maßstab dafür, ob die (kumulative) Nachsichtsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 erster Satzteil GewO 1973 vorliegt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1991, Zl. 91/04/0091).

Vor diesem Hintergrund verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage, wenn er ein Recht auf Nachsichtserteilung

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allein - aus seiner "jahrelangen Tätigkeit in diesem Arbeitsgebiet" abzuleiten sucht. Bilden doch - was die belangte Behörde durchaus zutreffend erkannte - im Sinne der oben wiedergegebenen hg. Rechtsprechung die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften, nämlich im Beschwerdefall die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Juni 1988 über den Befähigungsnachweis für das konzessionierte Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften (BGBl. Nr. 324/1988), den Maßstab dafür, ob die (kumulative) Nachsichtsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 erster Satzteil GewO 1973 vorliegt. Ob aber allenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 der zitierten Verordnung vorliegen, war im Beschwerdefall, in dem ausschließlich über den Nachsichtsantrag des Beschwerdeführers abzusprechen war, gar nicht Verfahrensgegenstand (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1990, Zl. 90/04/0067).

Der Beschwerde kommt jedoch im Hinblick auf folgende Überlegungen Berechtigung zu:

Gemäß § 60 AVG 1950 sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Entsprechend ihrer Verpflichtung, den Bescheid zureichend, d. h. in einer der nachprüfenden Rechtskontrolle zugänglichen Art, zu begründen, wäre es der belangten Behörde oblegen, konkret und in substantieller Weise im angefochtenen Bescheid darzutun, warum der Beschwerdeführer durch die von ihm angegebenen Tätigkeiten nicht nachgewiesen habe, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen im Sinne des § 28 Abs. 1 erster Satz GewO 1 besitzt; insbesondere fehlt eine - konkrete - Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer angegebenen Tätigkeiten in Hinsicht auf die Maßstäbe der hier allein in Betracht kommenden Verordnung BGBl. Nr. 324/1988.

Es zeigt sich sohin, daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht ließ, bei deren Einhaltung nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Sie belastete insoweit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040181.X00

Im RIS seit

10.12.1991

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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