TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/10 91/04/0221

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Veröffentlicht am 10.12.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §368 Z17;
GewO 1973 §73a;
VStG §44a litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des H in T, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Juli 1991, Zl. MA 63-Sch/48/90/Str, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 10. Oktober 1989 erstattete die Marktamtsabteilung für den

22. Bezirk des Magistrates der Stadt Wien eine Anzeige, wonach die "Y-KG" im Standort Wien 22, X-Straße 40 bis 42, Waren zum Verkauf anbiete, deren Preis nach der Masse (Gewicht) berechnet werde (Minestrone, Bananen, Paradeiser, Satsumas, Birnen, Chinakohl) ohne hiefür eine geeignete Waage zur Verfügung zu stellen, die es dem Käufer ermögliche, die Masse (das Gewicht) der von ihm gekauften Ware nachprüfen zu lassen. Es werde bemerkt, daß zwar eine Waage im Büroraum der betreffenden Filiale vorgefunden worden sei, diese aber weder an das Stromnetz angeschlossen noch für den Konsumenten ersichtlich oder zugängig ("da Büro ständig verschlossen") gewesen sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. Juli 1991 erkannte der Landeshauptmann von Wien den Beschwerdeführer schuldig, als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Gewerbetreibenden, nämlich der Y-KG, es zu verantworten zu haben, daß diese Gesellschaft bei der Ausübung des Handelsgewerbes in Wien 22, X-Straße 40 bis 42, am 10. Oktober 1989 Waren zum Verkauf feilgehalten habe, deren Preis nach der Masse berechnet werde, nämlich Minestrone, Bananen, Paradeiser, Satsumas, Birnen und Chinakohl, ohne über eine geeignete Waage zu verfügen, die es dem Käufer ermöglicht hätte, die Masse der von ihm gekauften Ware nachprüfen zu lassen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 73a GewO 1973 begangen, weshalb gemäß § 368 Z. 17 GewO 1973 über ihn eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Stunden) verhängt wurde. Ein die teilweise Einstellung des gegen den Beschwerdeführer in erster Instanz geführten Verwaltungsstrafverfahrens betreffender Abspruch ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Zur Begründung des verurteilenden Abspruches führte der Landeshauptmann aus, das Fehlen einer Waage für die Kunden des Handelsgewerbebetriebes der Y-KG im Standort Wien 22, X-Straße 40 bis 42, zur Nachprüfung des nach der Masse berechneten Preisen der im Spruch genannten, zum Verkauf feilgehaltenen Waren am 10. Oktober 1989 sei durch die an diesem Tag im Handelsgewerbebetrieb der Y-KG vorgenommene Erhebung eines Organes der Magistratsabteilung 59, Marktamtsabteilung für den 22. Bezirk, erwiesen. Wenn auch der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis vorbringe, auch in der in Rede stehenden Filiale der Y-KG sei zur verfahrensgegenständlichen Zeit den Käufern eine Waage zur Nachprüfung der Masse der gekauften Waren zur Verfügung gestanden, so habe er doch keinen Beweis für dieses Vorbringen angeboten, sodaß die Berufungsbehörde den Verstoß gegen die Bestimmung des § 73a GewO 1973 auf Grund der unter der Wahrheitsverpflichtung des Dienstgelöbnisses erstatteten Anzeige der Marktamtsabteilung für den 22. Bezirk als erwiesen annehme. Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargelegt, die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift sei ihm ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen. Es folgen sodann Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgeblichen Erwägungen.

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich nur gegen seinen verurteilenden Teil, richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer unter anderem vor, das Gesetz verlange keineswegs, daß die Waagen im Verkaufsraum sichtbar aufgestellt sein müßten, es müßte vielmehr der Verkäufer nur über eine geeignete Waage verfügen, die es dem Käufer ermögliche, die Masse der gekauften Ware nachprüfen zu lassen. Dies besage aber nicht, daß der Kunde die Waage selbst benützen dürfe, sondern es obliege ihm, die Nachprüfung bzw. Zugänglichmachung der Waage vom Verkäufer zu begehren. Es werde von der belangten Behörde aber nicht behauptet, ein Kunde habe verlangt, ihn die Masse der gekauften Ware nachprüfen zu lassen und es sei ihm dies etwa nicht möglich gewesen. Tatsächlich habe, so wie alle anderen Filialen der Y-KG, auch die in Rede stehende Filiale zum Tatzeitpunkt über eine entsprechende Waage verfügt.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 368 Z. 17 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe zu bestrafen ist, wer andere als im § 366, § 367 und in Z. 1 bis 16 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes .... nicht einhält.

Gemäß § 73a GewO 1973 müssen Gewerbetreibende, die Waren zum Verkauf feilhalten, deren Preis nach der Masse berechnet wird, oder die Waren zur Entnahme durch den Käufer feilhalten und hiefür eine bestimmte Masse angeben, über eine geeignete Waage verfügen, die es dem Käufer ermöglicht, die Masse der von ihm gekauften Waren nachprüfen zu lassen.

Die zuletzt zitierte Bestimmung ist eine Gebotsnorm, daß ein Zuwiderhandeln gegen diese Norm eine Verwaltungsübertretung bewirkt, ergibt sich aus der vorangeführten Strafbestimmung des § 368 Z. 17 GewO 1973. Diese Strafbestimmung ist in Verbindung mit § 73a leg. cit. die Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950, die durch die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat verletzt worden sein konnte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zlen. 86/04/0156, 0157, 0158, 0159).

Dadurch, daß die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides die verletzte Norm im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 lediglich durch die Zitierung des § 73a GewO 1973 bezeichnete, belastete sie den angefochtenen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Aus Gründen der Prozeßökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings für das fortgesetzte Verfahren zu folgendem Hinweis veranlaßt:

Schon aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte des § 73a GewO 1973 ergibt sich lediglich die Verpflichtung des Gewerbetreibenden, auf den die Tatbestandsmerkmale des § 73a leg. cit. zutreffen, über eine zur Nachprüfung der Masse gekaufter Waren geeignete Waage zu verfügen. Hingegen ist dem Gesetz weder eine Verpflichtung eines solchen Gewerbetreibenden zu entnehmen, die Waage für die Käufer jederzeit sichtbar aufzustellen, noch dem Käufer die Möglichkeit zu geben, die Waage selbst zu bedienen.

Ausgehend von dieser Rechtslage war es rechtlich verfehlt, wenn die belangte Behörde allein aus dem Inhalt der Anzeige, den sie als festgestellten Sachverhalt dem angefochtenen Bescheid zugrundelegte, den Tatbestand des § 73a GewO 1973 als erfüllt ansah. Denn der Umstand, daß die Waage in einem abgeschlossenen Büroraum stand, bedeutet entsprechend der oben dargestellten Rechtslage nicht zwingend, daß der Gewerbeinhaber darüber nicht "verfügte" im Sinne des § 73a leg. cit., zumal einerseits Anhaltspunkte, daß das Anschließen dieser Waage an das Stromnetz nicht jederzeit und leicht möglich gewesen wäre, fehlen und andererseits auch nicht ersichtlich ist, daß aus anderen Gründen Kunden nicht die Möglichkeit offenstand, die Masse der von ihnen gekauften Waren auf dieser Waage nachprüfen zu lassen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das auf Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes abzuweisen. Die verzeichneten Barauslagen konnten nicht zugesprochen werden, da solche (vgl. § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG) im Verfahren nicht entstanden sind.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040221.X00

Im RIS seit

10.12.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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