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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der K-Baugesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. März 1991, Zl. 312.252/1-III-3/91, betreffend Berichtigungsbescheid, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und aus dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt:
Mit Schriftsatz vom 23. September 1990 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Berichtigung des rechtskräftigen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 20. April 1966.
Diesen Antrag wies die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung mit Bescheid vom 19. Oktober 1990 zurück.
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. Dezember 1990 zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung "gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben".
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung habe mit Bescheid vom 19. Oktober 1990 den Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen, wobei jedoch aus dem Bescheidinhalt eindeutig hervorgehe, daß sich die Behörde mit dem Antrag inhaltlich auseinandergesetzt und tatsächlich eine Sachentscheidung getroffen habe, wonach der rechtskräftige Bescheid vom 20. April 1966 mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht gemäß § 62 Abs. 4 AVG zu berichtigen sei.
Der Begründung zufolge, ergebe sich aus § 62 Abs. 4 AVG, daß ein Rechtsanspruch auf eine Bescheidberichtigung nicht bestehe. Gelange die Behörde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zu der Auffassung, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bescheidberichtigung nicht vorlägen und entscheide sie in diesem Sinne meritorisch, so stehe niemandem ein Recht auf Berufung gegen diesen Bescheid zu. Durch die Nichtvornahme einer Berichtigung im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG könnten nämlich keine subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt werden. Aus diesen Gründen sei die Zurückweisung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid durch die Behörde zweiter Instanz jedenfalls im Ergebnis richtig gewesen.
Abschließend wird in der Begründung bemerkt, daß die Behörde zweiter Instanz im gegenständlichen Verfahren lediglich dann meritorisch zu entscheiden gehabt hätte, wenn der erstinstanzliche Bescheid als Formalentscheidung zu qualifizieren gewesen wäre. In diesem Fall wäre nämlich Gegenstand des zweitinstanzlichen Verfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit des verfahrensrechtlichen Bescheides der Unterinstanz gewesen. Der erstinstanzliche Bescheid könne jedoch nach Rechtsauffassung der belangten Behörde, die sich in dieser Hinsicht mit jener der Beschwerdeführerin decke, eben nicht als derartige Formalentscheidung angesehen werden.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 7. Oktober 1991, B 626/91-III, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bezeichnete die Beschwerdeführerin den Beschwerdepunkt wie folgt: "Durch den angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf Schutz vor willkürlichem Verwaltungshandeln und ihrem Berufungsrecht verletzt". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil er nicht darüber abspreche, "ob die Unterbehörde(n) ihr Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt haben, und damit der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer Überprüfung der Ermessensentscheidung der erstinstanzlichen Behörde durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG entzieht". Die Berufungsbehörde sei verpflichtet, in ihrer Entscheidung zu den Anträgen und Rechtsausführungen des Berufungswerbers Stellung zu nehmen und ihre Stellungnahme zu begründen und die Partei in ihrer Rechtsverteidigung nicht zu beeinträchtigen. Es sei geradezu der Zweck des § 62 Abs. 4 AVG den Wortlaut des Bescheides (Spruch oder Begründung) "von textlichen Unstimmigkeiten zu reinigen, die den wahren Sinn des Bescheides nicht in Frage stellen". Die Beschwerdeführerin habe die Bereinigung einer textlichen Unstimmigkeit in ihrem Bescheidberichtigungsantrag an die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung beantragt und mehrfach ausgeführt, daß die konkreten Umstände lediglich auf eine textliche Unstimmigkeit bei der Falschbezeichnung der Grundstücksnummern im Bescheid aus dem Jahre 1966 hinwiesen. Es sei auf ein, das Vorbringen der Beschwerdeführerin stützendes Gutachten des Amtssachverständigen der bescheiderlassenden Behörde verwiesen und ein Beweisantrag auf Einvernahme des den Bescheid erlassenden Beamten gestellt worden. Beide Berufungsinstanzen hätten sich jedoch trotz des Vorwurfs der Beschwerdeführerin, daß ein Ermessensfehler vorliege, nicht damit auseinandergesetzt. Die Berufungsbehörde sei aber gemäß § 63 Abs. 1 und § 66 Abs. 4 AVG zur Ermessenskontrolle verpflichtet und hätte meritorisch über das Berufungsvorbringen, ob ein Ermessensfehler bzw. Mißbrauch vorliege, entscheiden müssen. Selbst ein fehlender Rechtsanspruch auf einen bestimmten Bescheid (hier: Berichtigungsbecheid) könne die Berufungsbehörde(n) nicht von ihrer Pflicht zur Prüfung und erforderlichenfalls zur Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG entbinden. Lasse/ließen die Berufungsbehörde(n) ihre Kontrollpflicht hinsichtlich Ermessensfehler der Unterbehörde(n) außer acht, auf die noch dazu im Berufungsvorbringen hingewiesen worden sei, sei die Beschwerdeführerin "in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf Schutz vor willkürlicher Ermessenspraxis" verletzt.
Nach § 62 Abs. 4 AVG 1950 kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.
Die Entscheidung über das Begehren der Beschwerdeführerin auf die Berichtigung eines Bescheides traf die Behörde erster Instanz in der Rechtsform eines Bescheides. In einem solchen Fall darf aber die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung nicht als unzulässig zurückgewiesen werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Berufungsbehörde der Meinung ist, daß durch die Nichtvornahme einer Berichtigung kein subjektiv-öffentliches Recht verletzt werde (vgl. hiezu sinngemäß auch das hg. Erkenntnis vom 12. November 1957, Zl. 846/57, in seinem in Slg. N.F. Nr. 4472/A nicht veröffentlichten Teil). Davon aber, daß DIE BERUFUNG gegen den Bescheid erster Instanz unzulässig oder verspätet im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 gewesen wäre, geht selbst die belangte Behörde nicht aus (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1976, Zl. 1270/75, wonach gegen den über die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit einer Berichtigung nach § 62 Abs. 4 leg. cit. absprechenden Bescheid dieselben Rechtsmittel zulässig sind, wie gegen den in der Sache selbst ergehenden Bescheid).
Die Rechtswidrigkeit des Bescheides zweiter Instanz hätte die belangte Behörde, als sie im Instanzenzug zur Entscheidung des gegenständlichen Rechtsstreites angerufen wurde, wahrnehmen und eine Abänderung des bekämpften Bescheides vornehmen müssen. Durch dieses an sich rechtswidrige Verhalten der belangten Behörde erscheint die Beschwerdeführerin jedoch in keinem Recht verletzt, weil die Ablehnung des Antrages auf Berichtigung des Bescheides nicht dem Gesetz widerspricht (vgl. nochmals das obzitierte hg. Erkenntis vom 12. November 1957).
Auf die von Amts wegen vorzunehmende Berichtigung eines Bescheides besteht kein Rechtsanspruch. Es bleibt der Partei des Verwaltungsverfahrens unbenommen, eine amtswegige Berichtigung eines Bescheides nach § 62 Abs. 4 AVG anzuregen. Wird dieser Anregung von der Behörde jedoch keine Folge gegeben, so ist die Partei hiedurch in keinem Recht verletzt (vgl. nochmals das bereits mehrfach genannte hg. Erkenntnis vom 12. November 1957; vgl. weiters das hg. Erkenntnis vom 11. März 1983, Zl. 82/04/0126). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des vorliegenden Falles nicht veranlaßt. In diesem Sinne geht aber auch das unter dem Beschwerdepunkt "Schutz vor willkürlichem Verwaltungshandeln" geltend gemachte Beschwerdevorbringen ins Leere.
Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und MutwillensstrafenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991040289.X00Im RIS seit
10.12.1991