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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §59 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 91/03/0072 bis 91/03/0086 E 11.12.1991Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 22. November 1990, Zl. 03 - 25 K 63-89/1, betreffend Übertretungen luftfahrtrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung erließ gegen den Beschwerdeführer das Straferkenntnis vom 23. November 1989, dessen Spruch (Spruchteile gemäß § 44a lit. a und b VStG 1950) wie folgt lautete:
"Sie marschierten am 16. Juli 1988, gegen 16.10 Uhr, vom sogenannten "DRAKEN CAMP" in Feldkirchen bei Graz zum 250 Meter nördlich vom Tor 16, ca. 2,40 m hohen Flughafenzaun der Flughafen Betriebs GesmbH im Gemeindegebiet Feldkirchen b. Graz, Bezirk Graz-Umgebung. In gemeinsamer Aktion zogen die Drakengegner den Maschendrahtzaun hoch. Dann krochen Sie unter dem Zaun durch, entfalteten ein Stofftransparent mit der Aufschrift "Abfangjäger zum Schrott" und gingen anschließend entlang des Zaunes bis zum Rollweg "Zulu" (Rollweg zum Militärgelände).
Dort setzten Sie sich ca. 20 Minuten auf den Rollweg (Bewegungsfläche im Sinne des LFG 1957 i.V.m. ZFBO 1962) bzw. führten Sie Ballspiele durch. Anschließend gingen Sie zum Tor 15 der Flughafenumzäunung, wo Sie vor dem Tor das Transparent auflegten und sich daneben ca. 20 Minuten niedersetzten. Der Pilot eines Segelfliegers war dadurch gehindert, sein Luftfahrzeug von der Graspiste West in den Hangar innerhalb des Militärgeländes zu bringen. Gegen
17.45 Uhr gingen Sie wieder zum Tor 16 zurück, wo Sie sich bis 19.10 Uhr weigerten sich auszuweisen bzw. das Flughafengelände zu verlassen.
Sie haben somit das Flughafengelände an einem nicht allgemein zugänglichen Teil und nicht hiefür vorgesehenen Stelle betreten und auf dem Zivilflughafen den Flugbetrieb gestört. Außerdem weigerten Sie sich auf Verlangen des Zivilflugplatzhalters bzw. seiner Beauftragten auf den nicht allgemein zugänglichen Teilen des Zivilflugplatzes sich auszuweisen.
Sie haben daher folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1.)
§ 24 Abs. 1 Zivilflugplatzbetriebsordnung BGBl. 18/62
2.)
§ 23 Abs. 1 Zivilflugplatzbetriebsordnung BGBl. 18/62
3.)
§ 25 Abs. 3 Zivilflugplatzbetriebsordnung BGBl. 18/62
4.)
§ 1 Verordnung der BH Graz-Umgebung 11.0 E 1/64 - 1988" Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 als unbegründet abgewiesen.
Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Mit Beschluß vom 15. März 1991, B 50/91, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der Zivilflugplatz-Betriebsordnung - ZFBO, BGBl. Nr. 72/1962,
lauten:
§ 23 Abs. 1:
"Auf einem Zivilflugplatz ist jedes Verhalten verboten, das geeignet ist, den Flugplatzbetrieb, den Flugbetrieb oder den Flugsicherungsbetrieb zu stören oder zu gefährden."
§ 24 Abs. 1:
"Das Betreten und Befahren sowie das Verlassen der nicht allgemein zugänglichen Teile eines Zivilflugplatzes ist nur an den hiefür vorgesehenen Stellen gestattet. Nicht allgemein zugängliche Teile eines Zivilflugplatzes dürfen nur so lange und nur insoweit betreten oder befahren werden, als dies mit Rücksicht auf den Zweck des Betretens oder Befahrens erforderlich ist."
§ 25:
"(1) Das Betreten und Befahren der nicht allgemein zugänglichen Teile von Zivilflugplätzen ist nur mit einer vom Zivilflugplatzhalter ausgestellten Erlaubniskarte gestattet. An Stelle der Erlaubniskarte kann der Zivilflugplatzhalter ein sichtbar zu tragendes Erkennungszeichen ausgeben.
(2) Das Betreten und Befahren der nicht allgemein zugänglichen Teile von Zivilflugplätzen ist ohne Erlaubniskarte oder Erkennungszeichen gestattet:
a) Haltern von Luftfahrzeugen, die sich mit den Bordpapieren ausweisen;
b) Beauftragten von Luftfahrzeughaltern, die sich mit einer vom Luftfahrzeughalter ausgestellten Bescheinigung ausweisen;
aus dieser Bescheinigung muß hervorgehen, welche Tätigkeiten von dem Beauftragten und an welchen Stellen des Zivilflugplatzes diese Tätigkeiten auszuüben sind;
c) Besatzungsmitgliedern von Luftfahrzeugen, die sich mit einem Luftfahrt-Personalausweis ausweisen;
d) abfliegenden und ankommenden Fluggästen, die sich in Begleitung eines Besatzungsmitgliedes, des Luftfahrzeughalters oder dessen Beauftragten befinden;
e) Personen, die sich in Begleitung des Zivilflugplatzhalters oder dessen Beauftragten befinden;
f) behördlichen Organen in Ausübung ihrer Dienstobliegenheiten, die sich mit ihrem Dienstausweis ausweisen.
(3) Auf Verlangen des Zivilflugplatzhalters und seiner Beauftragten sowie von Flugsicherungsorganen haben sich alle auf nicht allgemein zugänglichen Teilen des Zivilflugplatzes befindlichen Personen auszuweisen, soweit sie sich gemäß Abs. 1 oder 2 ausweisen müssen."
§ 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 1. Juni 1988, GZ 11.0 E 1/164-1988, hat folgenden Wortlaut:
"Gemäß Artikel II § 4 Abs. 2 des Verfassungsübergangsgesetzes vom 7.12.1929, BGBl. Nr. 393/1929, im Zusammenhang mit § 15 des Behördenüberleitungsgesetzes, BGBl. Nr. 94/1945, wird zum Schutze der GEFÄHRDETEN KÖRPERLICHEN SICHERHEIT von MENSCHEN UND DES EIGENTUMS DAS BETRETEN und DER AUFENTHALT IM BEREICH DES Betriebsgeländes der FLUGHAFEN GRAZ BETRIEBSGESELLSCHAFT, das ist das UMZÄUNTE Areal EINSCHLIESSLICH ABFERTIGUNGSGEBÄUDE,
DES PARKPLATZES VOR DEM ABFERTIGUNGSGEBÄUDE EINSCHLIESSLICH DER
ABFAHRT, der MILITÄRISCHEN ANLAGEN DES FLIEGERHORSTES Nittner und DES NÖRDLICH DIESES PARKPLATZES VERLAUFENDEN Teiles der Landesstraße 379 a VERBOTEN.
Ausgenommen von diesem Verbot sind Personen, die in DIENSTLICHER ODER BERUFLICHER Eigenschaft DAS BETREFFENDE AREAL ZU BETRETEN haben, bzw. jene Personen, denen der Zutritt zur BESTIMMUNGSGEMÄSSEN NUTZUNG des Gebäudes, der Anlagen und des Parkplatzes gestattet ist."
Gemäß § 44a VStG 1950 hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, u.a. die als erwiesen angenommene Tat (lit. a) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (lit. b) zu enthalten. Durch den Ausspruch im angefochtenen Bescheid, es werde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen, hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Sachentscheidung den Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz als eigenen Spruch übernommen. Dieser Ausspruch ist somit unter den Gesichtspunkten des § 44a VStG 1950 zu überprüfen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 8. Mai 1987, Zl. 85/18/0257) muß der Spruch eines Straferkenntnisses so gefaßt sein, daß die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Verwaltungsübertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, daß ihm einerseits die als erwiesen angenommene Tat, andererseits die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird. Bei Zusammenfassung mehrerer Bestrafungen in einem Straferkenntnis wird gefordert, daß die einzelnen Straftaten im Spruch gesondert zu behandeln und den im Gesetz aufgezählten Spruchteilen entsprechend zuzuordnen sind (vgl. Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren, zweiter Halbband8 169).
Diesen Erfordernissen trägt der Spruch des Straferkenntnisses im Beschwerdefall nicht Rechnung. Es geht daraus nämlich nicht hervor, welches Tatverhalten jeweils konkret den einzelnen als verletzt bezeichneten Verwaltungsvorschriften zugeordnet wurde. Was die Übertretung des § 25 Abs. 3 ZFBO anlangt, so entspricht darüber hinaus die Angabe der Tatzeit ("bis 19.10 Uhr") nicht der erforderlichen Bestimmtheit (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Slg. 11894/A), handelt es sich doch bei der Übertretung dieser Verwaltungsvorschrift um kein Dauerdelikt, zu dessen Tatbestand nicht nur die Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes gehört. Dazu kommt, daß mit Rücksicht darauf, daß sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren auf die Ausnahmeregelung des § 25 Abs. 2 lit. e ZFBO berufen hat, im Falle eines Schuldspruches auch ein Hinweis auf das Fehlen der für die Anwendung dieses Tatbestandes vorgesehenen Voraussetzungen in den Spruch aufzunehmen gewesen wäre (vgl. zur Berücksichtigung einer Ausnahmeregelung im Grunde des § 44a lit. a VStG etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1986, Zl. 86/18/0018).
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß zur Ahndung einer Übertretung der oben angeführten Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung als Angelegenheit der allgemeinen Sicherheitspolizei in zweiter Instanz nicht der Landeshauptmann, sondern aufgrund des gemäß dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 142/1946 im Verfassungsrang stehenden § 15 des Behörden-Überleitungsgesetzes, StGBl. Nr. 94/1945, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 74/1946 die Sicherheitsdirektion zuständig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren, für die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein Ersatz gebührt (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 681).
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Mängel im Spruch Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Diverses Strafnorm Mängel im Spruch Verwaltungsvorschrift Mängel im SpruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991030070.X00Im RIS seit
09.11.2001