TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/11 90/03/0249

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Veröffentlicht am 11.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §56;
StVO 1960 §84 Abs4;
StVO 1960 §89a Abs2;
StVO 1960 §91 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Leukauf, Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Juni 1989, Zl. IIb2-V-7643/1-89, betreffend Entfernungsauftrag gemäß § 89a StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G vom 30. November 1988 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 94d Z. 15 in Verbindung mit § 89a StVO die Entfernung des auf dem Grundstück Nr. Bp. 13 und Gp. 87/3 KG. G "quer über seine Hälfte des zwischen den Häusern G Nr. 9 und 10 verlaufenen Weges gelegten, hölzernen Balkens" sowie der ebendort angebrachten Tafeln mit der Aufschrift "Durchgang und Durchfahrt verboten" binnen einer Frist von vier Wochen ab Erhalt des Bescheides aufgetragen.

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde G vom 4. April 1989 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Der Gemeindevorstand ging gleich dem Bürgermeister davon aus, daß es sich bei dem in Rede stehenden Weg um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle, auf die die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 anzuwenden seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die Tiroler Landesregierung. Die Tiroler Landesregierung wies mit Bescheid vom 20. Juni 1989 die Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 als unbegründet ab.

Den Bescheid der Tiroler Landesregierung bekämpfte der Beschwerdeführer mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 25. September 1990, B 866/89-10, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach dem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Abstandnahme des ihm erteilten Entfernungsauftrages verletzt.

Mit hg. Beschluß vom 30. Oktober 1991 teilte der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens seine vorläufige Rechtsansicht mit, daß der angefochtene Bescheid deswegen rechtswidrig sein könnte, weil § 89a StVO keine Rechtsgrundlage für den dem Beschwerdeführer erteilten Entfernungsauftrag biete und die belangte Behörde daher die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes nicht abweisen hätte dürfen.

Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer traten der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall kann dahinstehen, ob es sich bei dem in Rede stehenden Weg um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt, was der Beschwerdeführer nach wie vor bestreitet, weshalb von ihm die Zuständigkeit der Gemeindebehörden schon aus diesem Grunde verneint wird. Denn der angefochtene Bescheid erweist sich jedenfalls aus den vom Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekanntgegebenen Gründen als rechtswidrig. Der Verwaltungsgerichtshof erhebt seine vorläufige mit Beschluß vom 30. Oktober 1991 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht zu seiner endgültigen. Er geht davon aus, daß der dem Beschwerdeführer erteilte Entfernungsauftrag auf § 89a Abs. 2 StVO gestützt wurde, auch wenn Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung nicht mitzitiert ist.

Gemäß § 89a Abs. 2 StVO hat die Behörde, wenn durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig oder nicht betriebsfähig sein, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt wird, die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen.

Diese Gesetzesstelle berechtigt und verpflichtet die Behörde, bei Vorliegen der darin angeführten Voraussetzungen die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen, bietet jedoch keine Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Entfernungsauftrages, wie dies etwa § 84 Abs. 4 StVO für die Entfernung einer nicht bewilligten Werbung oder Ankündigung oder § 91 Abs. 1 leg. cit. für die Entfernung der dort genannten Gegenstände vorsieht. Bei der gemäß § 89a StVO veranlaßten Entfernung eines Gegenstandes handelt es sich um eine notstandspolizeiliche Maßnahme, die ohne vorausgegangenes Verfahren zu treffen ist (arg.: "ohne weiteres Verfahren"). Aus § 89a Abs. 2 StVO ergibt sich einerseits, daß die Behörde von Amts wegen einzuschreiten hat, andererseits, daß sie "ohne weiteres Verfahren", das heißt unmittelbar ohne Bescheiderlassung mit einer Amtshandlung vorzugehen hat.

Mit der Erteilung eines Entfernungsauftrages nahmen demnach die Gemeindebehörden eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihnen nach dem Gesetz nicht zukam, wodurch der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt wurde. Da die belangte Behörde dies nicht wahrnahm und die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes abwies, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG, führte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für eine vom Verwaltungsgerichtshof im Sinne des § 41 VwGG verlangte Parteienäußerung ein zusätzlicher Ersatz des Schriftsatzaufwandes nicht gebührt. Ebenso besteht kein Anspruch auf Ersatz der Stempelgebühren, die der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichten hatte.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990030249.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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