TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/13 91/18/0217

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Veröffentlicht am 13.12.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
StVO 1960 §38 Abs4;
VStG §16 Abs1;
VStG §16;
VStG §19 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. Juni 1991, Zl. MA 70-10/593/91/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. Juni 1991 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 38 Abs. 4 dritter Satz StVO 1960 für schuldig befunden, weil er zur angegebenen Zeit am angeführten Tatort in Wien als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws "eine bei Grünlicht der Fußgängerampel ordnungsgemäß die Fahrbahn überquerende Fußgängerin durch" seinen "Abbiegevorgang behindert und gefährdet" habe. Über den Beschwerdeführer wurde daher unter Berufung auf § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe 120 Stunden) verhängt.

Die Berufungsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen davon aus, daß den Angaben der zeugenschaftlich vernommenen Fußgängerin, welche die polizeiliche Anzeige erstattet habe, mehr Glauben zu schenken sei als dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zufolge § 38 Abs. 4 dritter Satz StVO 1960 dürfen beim Einbiegen ... Fußgänger ..., welche die Fahrbahn im Sinne der für sie geltenden Regelungen überqueren, weder gefährdet noch behindert werden.

Zunächst ist in Erwiderung auf die Verjährungseinrede des Beschwerdeführers darauf hinzuweisen, daß ihm am 16. Jänner 1990, also innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG, die Anzeige vom 2. Oktober 1989 vorgehalten worden ist, wobei er offensichtlich zur Rechtfertigung aufgefordert worden ist, weil er ausdrücklich erklärt hat, "keinen Fußgänger behindert" zu haben. Damit ist aber eine rechtzeitige und taugliche Verfolgungshandlung gesetzt worden, durch welche die Verjährung im Sinne des § 31 Abs. 1 leg. cit. unterbrochen worden ist (vgl. dazu die ständige hg. Judikatur seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N. F. Nr. 11.525/A). Da sich eine Verfolgungshandlung auf die Tat selbst und nicht auf deren rechtliche Wertung zu beziehen hat (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1989, Zl. 88/02/0172), ist es in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung, daß die Subsumtion des dem Beschwerdeführer angelasteten Verhaltens unter die Bestimmung des § 38 Abs. 4 dritter Satz StVO 1960 durch die belangte Behörde erst nach Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2 VStG erfolgt ist.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es gebe keinen Beweis für die Annahme der belangten Behörde, daß die Fußgängerin die Fahrbahn bei grünem Licht der Fußgängerampel überquert habe, ist zu erwidern, daß die Fußgängerin bereits in der Anzeige ausdrücklich auf diesen Umstand hingewiesen hat und der Beschwerdeführer den diesbezüglichen Ausführungen in keiner Phase des Strafverfahrens entgegengetreten ist, weshalb sich die belangte Behörde im Sinne des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel (vgl. § 46 AVG) und der ständigen hg. Rechtsprechung in dieser Hinsicht allein auf die Anzeige stützen durfte. Daß sie auf dieses Thema in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ausdrücklich eingegangen ist, bedeutet angesichts des fehlenden Widerspruches des Beschwerdeführers während des Verwaltungsstrafverfahrens keinen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlichen, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel, zumal der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde gar nicht bestreitet, daß die Fußgängerin den Fußgängerübergang bei grünem Licht der Fußgängerampel überqueren wollte.

Der weiteren Behauptung des Beschwerdeführers, die Feststellung der belangten Behörde, es habe eine Behinderung und Gefährdung der Fußgängerin stattgefunden, sei aktenwidrig, kann sich der Gerichtshof nicht anschließen, weil die Fußgängerin anläßlich ihrer Einvernahme als Zeugin ausdrücklich deponiert hat, daß sie bereits "zwei bis drei Meter auf dem Zebrastreifen gegangen" sei, worauf das Fahrzeug des Beschwerdeführers "mit ziemlichem Schwung nach rechts in die Brünner Str. einbog". Der Pkw des Beschwerdeführers sei vor ihr über den Zebrastreifen gefahren. Wäre sie nicht stehengeblieben, sondern weitergegangen, so sei sie sich "nicht sicher, ob der Pkw einen Unfall" mit ihr "hätte vermeiden können".

Aus dieser Aussage der Fußgängerin hat die belangte Behörde mit Recht die Schlußfolgerung gezogen, daß der Beschwerdeführer die Fußgängerin einerseits behindert hat, weil sie infolge des einbiegenden Fahrzeuges des Beschwerdeführers die Überquerung des Fußgängerüberganges nicht fortsetzen konnte, und andererseits auch gefährdet hat, weil sie infolge der bei diesem Abbiegemanöver eingehaltenen Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Beschwerdeführers ("mit ziemlichem Schwung") nicht ausschließen konnte ("bin ich mir nicht sicher"), daß es wegen des Bremsweges des Fahrzeuges des Beschwerdeführers zu einem Kontakt mit dem Pkw gekommen wäre, wenn sie die Überquerung des Fußgängerüberganges fortgesetzt hätte. Der Gerichtshof hat im Rahmen der eingeschränkten Befugnis zur Kontrolle der Beweiswürdigung der belangten Behörde (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keine Bedenken dagegen, daß die belangte Behörde den schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben der als Zeugin vernommenen Fußgängerin gefolgt ist, zumal der - damals noch nicht anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer in seiner Äußerung vom 26. März 1990 in Abrede gestellt hat, überhaupt am Tatort zur Tatzeit das in Rede stehende Abbiegemanöver durchgeführt zu haben.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit der Begründung geltend macht, daß die von ihm beantragte Durchführung eines Ortsaugenscheines sowie Einholung eines Gutachtens eines Kfz-Sachverständigen unterblieben sei, so muß ihm entgegengehalten werden, daß die von ihm in Verbindung damit angestellte Zeit-Weg-Berechnung auf Ausgangsdaten beruht, die nicht aktenkundig sind und auch im Falle eines Augenscheines nicht rekonstruierbar gewesen wären. Der belangten Behörde kann daher keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften angelastet werden, wenn sie diesen Beweisanträgen des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist.

Der belangten Behörde kann auch im Zusammenhang mit der Strafbemessung kein wesentlicher Verfahrensmangel vorgeworfen werden, weil sie zu Recht ohne weitere Begründung davon ausgehen durfte, daß der Beschwerdeführer durch sein Verhalten in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Verkehrssicherheit geschädigt habe, weshalb der Unrechtsgehalt seiner Tat an sich nicht gering gewesen sei, und auch sein Verschulden nicht als geringfügig angesehen werden könne. Der Beschwerdeführer hat im übrigen selbst nicht behauptet, daß die belangte Behörde von unrichtigen Einkommensverhältnissen ausgegangen sei, und darüber hinaus hat die belangte Behörde entsprechend der Aktenlage zu Recht darauf hingewiesen, daß dem Beschwerdeführer der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugute komme.

Dem Beschwerdeführer ist zwar beizupflichten, daß die belangte Behörde im Sinne der hg. Judikatur (vgl. die bei Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren, 2. Halbband,

8. Aufl., auf S. 624, unter lit. d wiedergegebenen

hg. Erkenntnisse) ungeachtet des Umstandes, daß die Geldstrafe und die Ersatzarreststrafe nicht nach einem festen Umrechnungsschlüssel zu bemessen sind, eine Begründung dafür zu geben gehabt hätte, warum sie die Geldstrafe im Ausmaß von 20 % des Höchstrahmens festgesetzt, bei der Ersatzarreststrafe den Strafrahmen jedoch zu ca. 35 % ausgeschöpft hat, sodaß im Beschwerdefall ein nach dem Verhältnis der Höchstsstrafen zu bemessender erheblicher Unterschied von etwa 78 % besteht, doch kann der Beschwerdeführer durch diese fehlende Begründung nicht mehr in seinen Rechten verletzt sein, weil er nach der Aktenlage die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Geldstrafe bereits bezahlt hat und daher eine Vollstreckung der für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben festgesetzten Freiheitsstrafe nicht mehr in Betracht kommt.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Schuldform Geldstrafe und Arreststrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180217.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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