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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §13a Abs2 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in U, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. Oktober 1991, Zl. St-166/91, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Oktober 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 (im folgenden kurz: FPG), ein bis zum 20. August 2001 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.
In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer halte sich nach der Aktenlage seit 1. September 1972 im Bundesgebiet auf. Er sei seit dem Jahre 1985 wie folgt rechtskräftig verurteilt worden:
1)
Bezirksgericht Mattighofen mit Urteil vom 12. Juli 1985 wegen Vergehens nach § 146 StGB (Betrug) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.
2)
Kreisgericht Ried im Innkreis mit Urteil vom 20. Oktober 1987 wegen Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen.
3)
Kreisgericht Ried im Innkreis mit Urteil vom 26. April 1988 wegen Vergehens nach § 107 Abs. 1 und 2 (gefährliche Drohung), §§ 89, 88 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 81 Abs. 2 (fahrlässige Körperverletzung und Gefährdung der körperlichen Sicherheit), § 94 Abs. 1 (Imstichlassen eines Verletzten) und § 297 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 StGB (Verleumdung) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, ursprünglich bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, die jedoch in weiterer Folge auf fünf Jahre verlängert wurde.
4)
Kreisgericht Ried im Innkreis mit Urteil vom 9. Juli 1991 wegen Vergehens nach § 269 Abs. 1 (Widerstand gegen die Staatsgewalt), §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 Z. 4 StGB (schwere Körperverletzung) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.
Gegen den Beschwerdeführer habe bereits einmal aufgrund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 30. September 1975 ein Aufenthaltsverbot bestanden. Den Anlaß hiefür habe gebildet, daß der Beschwerdeführer dreimal, nämlich mit Urteilen vom 1. März 1971, 24. April 1973 und vom 13. Juni 1972 wegen Übertretung nach § 411 StG (vorsätzliche und bei Raufhändeln vorkommende körperliche Beschädigung) und dann auch noch mit Urteil vom 23. September 1975 wegen Urkundenfälschung nach den §§ 223 Abs. 1 und 224 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden sei. Dieses Aufenthaltsverbot sei letztlich mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 29. Dezember 1976 behoben worden. Gegen den Beschwerdeführer bestehe ferner ein von der Bezirkshauptmannschaft Braunau mit rechtskräftigem Bescheid vom 9. Mai 1988 verhängtes Waffenverbot. Wie bereits die Erstbehörde in der Begründung ihres Bescheides ausgeführt habe, weise der Beschwerdeführer achtzehn Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz, neunzehn Verwaltungsübertretungen nach der StVO, darunter eine nach § 5 Abs. 1 StVO sowie mehrere nach § 4 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 5 StVO, und zwei Übertretungen nach Art. IX EGVG auf. Schon im Antrag vom 20. Oktober 1976 auf Aufhebung des seinerzeit erlassenen Aufenthaltsverbotes habe der Beschwerdeführer "gelobt", sich in Zukunft keinerlei derartige strafbaren Handlungen mehr zu Schulden kommen zu lassen. Dieses "Gelöbnis" habe er in seiner Stellungnahme vom 6. Dezember 1988, die die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zum Gegenstand gehabt habe, erneuert. In der Niederschrift vom 22. Dezember 1988 sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden, daß in Zukunft keinerlei Rücksicht mehr von seiten der Behörde genommen werden könne, wenn er nochmals straffällig werden würde. Dessen ungeachtet sei es zu der weiteren Verurteilung durch das Kreisgericht Ried vom 9. Juli 1991 gekommen, der zugrunde liege, daß der Beschwerdeführer die Vorführung seiner künftigen Schwiegertochter durch die Gendarmerie zur Bezirkshauptmannschaft Braunau zu verhindern gesucht habe und auch gegen die Gendarmeriebeamten tätlich geworden sei. In der diesbezüglichen Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos werde der Beschwerdeführer als amtsbekannter Gewalttäter bezeichnet, der als äußerst unberechenbar gelte. Durch den Umstand, daß dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung auf die Dauer von 18 Monaten, gerechnet vom 17. Mai 1991 an, vorübergehend entzogen worden sei, habe er seinen Arbeitsplatz als Fernfahrer verloren. Er beziehe seit 16. Juli 1991 vom Arbeitsamt Arbeitslosengeld.
In rechtlicher Hinsicht sei - so die belangte Behörde weiter - auszuführen: Der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG sei insofern gegeben, als der Beschwerdeführer, wie eingangs unter Z. 3 ausgeführt worden sei, mit Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 26. April 1988 zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, bedingt auf eine Probezeit von nunmehr fünf Jahren, verurteilt worden sei. Dieser Tatbestand liege aber auch insofern vor, als der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei, und zwar zweimal wegen Körperverletzung (Verurteilungen durch das Kreisgericht Ried im Innkreis, obzitiert zu Z. 2 und 4). Es sei somit schon allein aufgrund der noch nicht getilgten gerichtlichen Verurteilungen die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Dazu kämen allerdings noch die zahlreichen Verwaltungsübertretungen, von denen jene nach § 5 Abs. 1 StVO und jene, die ein Fehlverhalten nach einem Verkehrsunfall beträfen (§ 4 Abs. 1 und Abs. 5 StVO), schwerwiegend seien. Der Beschwerdeführer sei somit im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen bestraft worden, was den Tatbestand nach § 3 Abs. 2 Z. 2 FPG und somit ebenfalls eine bestimmte Tatsache bilde, aufgrund deren die Annahme gerechtfertigt sei, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit. Zu bedenken sei ferner, daß der Beschwerdeführer zwar schon öfter gelobt habe, keine strafbaren Handlungen mehr zu begehen, es jedoch, trotz Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen, immer wieder zu sogar gerichtlichen Verurteilungen gekommen sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen, ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer zu verhängen, lägen somit zweifellos vor. Ebenso zweifellos sei aber auch, daß durch ein Aufenthaltsverbot in sein Privat- und Familienleben eingegriffen werde. Er lebe seit nahezu 20 Jahren mit seiner Gattin in Österreich, ebenso wie auch seine beiden Söhne, die im 23. bzw. 22. Lebensjahr stünden, und auch seine beiden Enkel. Im selben Haus wie der Beschwerdeführer wohne des weiteren sein Bruder und dessen Familie. Der Beschwerdeführer habe Schritte unternommen, in ein eigenes Haus umzuziehen. In Jugoslawien besitze er ein eigenes Haus, das allerdings noch im Bau sei. Der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen seien sicherlich, schon allein durch die lange Aufenthaltsdauer, im Bundesgebiet weitgehend integriert, es bestünden intensive familiäre Bindungen und es scheine auch das berufliche oder persönliche Fortkommen des Beschwerdeführers beeinträchtigt, wenn er das Land verlassen müsse. Dessen ungeachtet schienen nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer zu wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie (§ 3 Abs. 3 FPG). Es lägen einige Anzeigen der Gattin des Beschwerdeführers vor, wonach er diese geschlagen hätte. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Bruder bestehe, zumindest nach der seinerzeit im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abgegebenen Stellungnahme vom 18. November 1988, eine "tiefgreifende Feindschaft", auf welche der Beschwerdeführer im übrigen die gerichtliche Verurteilung durch das Kreisgericht Ried im Innkreis zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten zurückführe. Unter diesen Gesichtspunkten sei die Intensität der familiären Bindungen zu relativieren. Die wegen der Gefahr weiterer Ausschreitungen (der Beschwerdeführer billige sich ein "südländisches Temperament" zu) für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen würden demgegenüber trotz allem unverhältnismäßig schwerer wiegen, zumal der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, selbst auferlegten "Gelöbnissen" zu entsprechen und auch Androhungen eines Aufenthaltsverbotes letztlich nichts genützt hätten, obwohl der Beschwerdeführer schon einmal, nämlich zwischen 1975 und 1976 eine Trennung von seiner Familie hätte erleben müssen. Der Umstand, daß im Heimatland des Beschwerdeführers kriegsähnliche Verhältnisse herrschten, habe auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes keinen Einfluß, sondern hätte einen solchen allenfalls auf dessen Vollstreckung durch Abschiebung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie des Abs. 3 FPG lauten:
§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht;
2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist.
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3.
die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.
Der Beschwerdeführer räumt selbst ein, daß die von der belangten Behörde angeführte Verurteilung durch das Kreisgericht Ried im Innkreis vom 26. April 1988 bereits den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt hat; damit war nach der ständigen hg. Rechtsprechung die im § 3 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Daß nicht bereits diese Verurteilung des Beschwerdeführers zum Anlaß genommen wurde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu verhängen, sondern diese Verfügung erst auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 9. Juli 1991 getroffen wurde, vermag den Beschwerdeführer in subjektiven Rechten nicht zu verletzen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war aber bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht zu untersuchen, in welchen Staat er allenfalls abgeschoben werden kann, so daß hier die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 13a Abs. 2 FPG nicht zu prüfen waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1991, Zl. 91/19/0273).
Aber auch die von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG vorgenommene Interessenabwägung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß allein der Umstand, daß eine Strafe nur bedingt verhängt wurde, der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, Zl. 90/19/0146). Was aber die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten "bürgerkriegsähnlichen" Verhältnisse in seinem Heimatland anlangt, so fallen sie im Verhältnis zu den von der belangten Behörde aufgezeigten öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegenüber dem Beschwerdeführer nicht maßgeblich ins Gewicht.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190343.X00Im RIS seit
16.12.1991