TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/16 90/15/0142

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Veröffentlicht am 16.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

ABGB §1346;
ABGB §880a;
GebG 1957 §15 Abs2 idF 1976/668;
GebG 1957 §17 Abs1;
GebG 1957 §33 TP7 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Dkfm. X in Wien, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. August 1990, Zl. GA 11-1074/8/90, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 30. September 1985 richtete die Geschäftsstelle der X-GmbH (in der Folge kurz: GesmbH) in Wien an die Beschwerdeführerin zum Betreff "Garantie" folgendes Schreiben:

"Sehr geehrte Frau Dkfm. X

Wir sind in Kenntnis des Pfandbestellungs- und Leibrentenvertrages zwischen Ihnen und der A-GmbH, welcher zu BRP 146.645/85 des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern angezeigt ist.

Wir garantieren die dort vorgesehene Leibrente in der Weise, daß wir den Ausfall, den Sie aus einer allfälligen Zahlungsunfähigkeit der A-GmbH erleiden könnten, übernehmen und zahlen.

Diese Garantie erlischt durch Rückgabe dieses Originalschreibens und weiters, wenn hinsichtlich der EZ, KG Meidling aufgrund eines Rechtsgeschäftes der B-GmbH bzw. der A-GmbH, das von einer dieser Gesellschaften vor dem 30.9.1985 abgeschlossen wurde, ein Übereignungsanspruch besteht.

Diese Garantie kann unsererseits jederzeit durch eine Bankgarantie gleichen Inhalts einer der sechs größten österreichischen Banken ersetzt werden, wodurch diese Garantie erlischt.

Hochachtungsvoll"

Hinsichtlich der von dem erwähnten "Pfandbestellungs- und Leibrentenvertrag" gemäß § 33 TP 18 Abs. 1 GebG erhobenen Rechtsgebühr wird auf das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1988, Zl. 87/15/0104, verwiesen.

Nach der Aktenlage hat die Beschwerdeführerin weder eine schriftliche noch eine mündliche Zustimmungserklärung zum Schreiben vom 30. September 1985 abgegeben.

Das Finanzamt beurteilte das in Rede stehende Schreiben als (von der Beschwerdeführerin offenbar konkludent angenommene) Bürgschaftserklärung und setzte Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 7 GebG in Höhe von S 633.000,-- (1 % von S 63,300.000,--) fest.

Die Beschwerdeführerin berief und brachte vor, es liege keine gebührenpflichtige Bürgschafts-, sondern eine nicht dem Gebührengesetz unterliegende Garantieerklärung vor. Unter einer Bürgschaft sei nämlich eine akzessorische Verbindlichkeit zu verstehen, die nur entstehe und nur bestehe, solange der Hauptschuldner verbunden sei. Die Garantie sei dagegen nicht akzessorisch, der Garant hafte auch dann, wenn die Schuld des Dritten nicht bestehe. Weiters wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung teilweise (nämlich hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage) Folge gegeben und die Rechtsgebühr auf S 507.000,-- (1 % von S 50,700.000,--) herabgesetzt; im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung:

Unter einem(r) Garantievertrag(-erklärung) werde nach Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum GebG, § 33 TP 7, ein Vertrag (eine Erklärung) verstanden, durch den (die) sich der Garant dem Garantieempfänger gegenüber verpflichte, für den Eintritt eines bestimmten Erfolges oder die Fortdauer eines bestimmten Zustandes in der Weise einzustehen, daß er ihm im entgegengesetzten Fall Ersatz zu leisten verspreche. Die Abgrenzung der "Garantie" von der "Bürgschaft" sei nach den von Rummel, Kommentar zum ABGB, § 880a, angeführten Kriterien vorzunehmen (wesentlich für die Garantie sei, daß in der Erklärung die Selbständigkeit in Form umfassenden Einwendungsverzichts zum Ausdruck komme; Garantie daher bei Zahlungsversprechen "auf erstes Anfordern; ohne Prüfung des Rechtsgrundes". Die gleichzeitige Verwendung der Worte "Bürge und Zahler" begründe in solchen Fällen keine Akzessorität. Bei nur teilweisem Einredeverzicht sei Bürgschaft anzunehmen). Im vorliegenden Fall habe sich die GesmbH nur dann zu einer Zahlung an die Beschwerdeführerin verpflichtet, wenn die A-GmbH (in der Folge auch: Schuldner der Leibrenten) zahlungsunfähig sei. Sei diese Gesellschaft nicht zahlungsunfähig, zahle sie aber aus irgendeinem anderen Grund nicht, so komme die "Garantie" offenkundig nicht zum Tragen. Da die Zahlungsverpflichtung der GesmbH nur bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der Leibrenten eintrete, liege "keine selbständige, nicht akzessorische Verpflichtung zur Leistung der Leibrente", sondern eine "Schadlos- oder Ausfallbürgschaft" vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin meint, daß der gebührenpflichtige Tatbestand nicht erfüllt sei und führt hiezu ins Treffen, die Bürgschaftserklärung sei in Wahrheit eine nicht gebührenpflichtige Garantieerklärung und außerdem liege nur eine einseitige Erklärung des Verpflichteten vor. Bei der Tarifpost 7 des § 33 GebG sei auch keine Ersatzbeurkundung gesetzlich vorgesehen. Im übrigen habe die belangte Behörde nichts zum Vorliegen des Tatbestandes des § 15 Abs. 2 leg. cit. festgestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 33 TP 7 Abs. 1 Z. 1 GebG unterliegen Bürgschaftserklärungen mit 1 v.H nach dem Wert der verbürgten Verbindlichkeit einer Rechtsgebühr; der Bürgschaftserklärung steht die Erklärung gleich, durch die jemand einer Verbindlichkeit als Mitschuldner beitritt (§ 1347 ABGB).

Gemäß § 15 Abs. 1 GebG sind nur Rechtsgeschäfte gebührenpflichtig, über die eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, daß im Gebührengesetz etwas Abweichendes bestimmt ist. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 668/1976 gelten als Urkunden auch bei schriftlicher Annahme eines Vertragsanbotes das Annahmeschreiben, ansonsten auch ein schriftliches Vertragsanbot, wenn der Vertrag durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes Verhalten des Anbotempfängers oder auf andere Weise als durch schriftliche oder mündliche Annahmeerklärung zustande kommt. Wird die mündliche Annahme eines Vertragsanbotes beurkundet, so gilt diese Schrift als Annahmeschreiben.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 2 GebG entsteht die Gebührenschuld, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet wird, bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften

a) wenn die Urkunde nur von dem unterzeichnet wird, der sich verbindet, im Zeitpunkte der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den Berechtigten oder dessen Vertreter;

b) wenn die Urkunde auch von dem Berechtigten unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Unterzeichnung.

Was zunächst die Beurteilung des Schreibens der GesmbH vom 30. September 1985 als Bürgschafts- oder Garantieerklärung anlangt, so gehen die Meinungen der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin deswegen auseinander, weil zwar im Sinne von Lehre und Rechtsprechung das wesentliche Unterscheidungsmerkmal übereinstimmend und zutreffend darin erblickt wird, ob die übernommene Haftung vom Bestand der gesicherten Hauptschuld abhängig (akzessorisch) ist (Bürgschaft) oder nicht (Garantie), die Erklärung (das Schreiben vom 30. September 1985) aber in diesem Punkt unterschiedlich ausgelegt wird.

Die Beschwerdeführerin bringt hiezu in der Beschwerde im wesentlichen vor, im Schreiben vom 30. September 1985 werde immer von einer Garantie und nicht von einer Bürgschaft gesprochen. Die GesmbH habe sich - freilich eingeschränkt auf den Ausfall infolge Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der Leibrenten - "unabhängig davon, ob die Leibrente gültig vereinbart ist", zu der übernommenen Leistung verpflichtet. Lediglich eine bereits erfolgte Bezahlung der Leibrenten befreie die GesmbH von ihrer Zahlungsverpflichtung.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Daß für die gebührenrechtliche Beurteilung einer schriftlichen Erklärung nicht die Bezeichnung in der Erklärung, sondern der gesamte Inhalt dieser Erklärung entscheidend ist, ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1976, Zl. 2005/74, vom 15. November 1984, Zlen. 83/15/0181, 0182, und vom 16. März 1987, Zl. 85/15/0155).

Bürge im Sinne des § 1346 ABGB erster Satz ist, wer sich zur Befriedigung des Gläubigers eines anderen auf den Fall verpflichtet, daß der erste Schuldner nicht leistet. Mit dem Garantievertrag übernimmt der Garant hingegen eine gegenüber der Hautpschuld selbständige - und damit von deren Bestehen unabhängige (nicht akzessorische) - Haftung für die Leistung durch einen Dritten (vgl. Rummel in Rummel, ABGB2, § 880a, Rz 5; OGH EvBl. 1991/134 mwN). In dieser Selbständigkeit des Garantieversprechens liegt der dogmatische Unterschied zur Bürgschaft, welche in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig (akzessorisch) ist. Für eine Garantie ist wesentlich, daß in der Erklärung die Selbständigkeit in Form umfassenden Einwendungsverzichtes zum Ausdruck kommt; bei nur teilweisem Einwendungsverzicht ist Bürgschaft anzunehmen (vgl. Rummel aaO). Von diesen Grundsätzen ausgehend ist im Beschwerdefall maßgeblich, daß die GesmbH der Beschwerdeführerin die Übernahme des Ausfalles der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners der Leibrentenverpflichtung zugesagt hat, ohne einen (auch nur teilweisen) Verzicht auf Einreden aus dem Grundgeschäft zu erklären. Die Auslegung der strittigen Erklärung ergibt keinerlei Anhaltspunkt für einen solchen Einredeverzicht; vielmehr folgt aus der Verpflichtung, für den "Ausfall aus Zahlungsunfähigkeit" (des Hauptschuldners) einzustehen, die Akzessorietät, weil ein "Ausfall" begrifflich die Gültigkeit der Verpflichtung aus dem Grundgeschäft voraussetzt. Die Auffassung der Beschwerdeführerin die GesmbH habe sich "unabhängig davon, ob die Leibrente gültig vereinbart ist", zu der übernommenen Leistung verpflichtet, steht mit dem Inhalt der Erklärung nicht im Einklang.

Die Erklärung vom 30. September 1985 stellt sich damit als Bürgschafts- und nicht als Garantieerklärung dar.

Der von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ferner ins Treffen geführte Umstand, daß im vorliegenden Fall keine Annahmeerklärung des im Schreiben vom 30. September 1985 enthaltenen schriftlichen Anbotes vorliege, begründet aus folgenden Gründen ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

Die Beschwerdeführerin hat weder im Abgabenverfahren noch in der Beschwerde behauptet, daß, beurteile man das Schreiben vom 30. September 1985 nicht als Garantieerklärung, sondern als schriftliches Anbot zum Abschluß eines Bürgschaftsvertrages, der Bürschaftsvertrag zivilrechtlich nicht gültig geschlossen worden sei. Erst in der Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde ist davon die Rede, daß "nur eine einseitige Erklärung" der GesmbH vorliege; daß der Vertrag nicht wenigstens konkludent (durch Schweigen des aus dem Anbot allein Berechtigten) zustande gekommen sei, wird auch darin nicht behauptet. Abgesehen davon, daß ein erstmaliges Sachvorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dem Neuerungsverbot unterläge, spricht sohin nichts dafür, daß im Beschwerdefall zu Unrecht bloß eine einseitige Erklärung und nicht zu Recht ein Bürgschaftsvertrag vergebührt worden ist. Bei einer durch den Berechtigten konkludent angenommenen schriftlichen Bürgschaftserklärung eines anderen ist aber seit der Neufassung des § 15 Abs. 2 GebG durch die Novelle BGBl. Nr. 668/1976 in dem schriftlichen Anbot auch die erforderliche Urkunde über das Rechtsgeschäft zu erblicken. Der Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld ergibt sich aus dem oben wiedergegebenen § 16 Abs. 1 Z. 2 lit. a GebG. Zur Entrichtung der Gebühr ist gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GebG bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften derjenige verpflichtet, in dessen Interesse die Urkunde ausgestellt ist.

Eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften hat die Beschwerdeführerin weder behauptet noch vermag sie der Verwaltungsgerichtshof aus eigenem zu erkennen.

Auf Grund des Gesagten mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990150142.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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