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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. Jänner 1991, Zl. Fr-4567/90, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Jänner 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 und § 4 Fremdenpolizeigesetz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei vom Strafbezirksgericht Wien am 27. Jänner 1989 wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer Geldstrafe von S 6.000,-- und vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 13. Juni 1989 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz in Verbindung mit § 12 StGB sowie wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Schon auf Grund der zuletzt genannten Verurteilung seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt; außerdem sei der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei ferner am 3. September 1975 vom Strafbezirksgericht Wien wegen des Vergehens nach § 83 StGB zu einer Geldstrafe von S 4.000,-- verurteilt worden. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zwar zu berücksichtigen, daß sich der Beschwerdeführer seit 1974, abgesehen von einer mehrjährigen Unterbrechung, in Österreich aufhalte, seit 1975 mit einer Österreicherin verheiratet sei und mit dieser zwei Kinder habe. Der Beschwerdeführer habe aber während seines Auslandsaufenthaltes weder für seine Gattin noch für die in Österreich lebende Tochter gesorgt. In den letzten fünf Jahren vor seiner Verhaftung am 16. März 1989 sei er keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Der Lebensunterhalt für die Familie sei durch seine Gattin bestritten worden, die bereits vor Jahren die Scheidungsklage eingebracht habe und jetzt nicht mehr gewillt sei, den Beschwerdeführer bei sich aufzunehmen. Im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung von Suchtgiftdelikten sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten wie folgt:
§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3.
die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.
2.1. Die belangte Behörde hat auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers mit Recht die Verwirklichung des Tatbestandes gemäß § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz angenommen und zwar sowohl auf Grund des Ausmaßes der mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Juni 1989 verhängten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren als auch auf Grund des Umstandes, daß diesem Urteil und dem Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 27. Jänner 1989 auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen zugrunde lagen. Auf Grund der Erfüllung des Tatbestandes gemäß § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz war die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt (siehe das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1989, Zl. 91/19/0220).
2.2. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde bei der Beurteilung seines Gesamtverhaltens auch auf das einer getilgten Verurteilung zugrunde liegende strafbare Verhalten Bedacht nehmen (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0284), allerdings kam dem der Verurteilung aus dem Jahre 1975 zugrunde liegenden strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine entscheidende Bedeutung zu.
2.3. Soweit der Beschwerdeführer meint, es hätte berücksichtigt werden müssen, daß zwischen den beiden Verurteilungen aus dem Jahre 1989 "ein Zusammenhang" bestehe, lassen seine Ausführungen nicht erkennen, worin dieser Zusammenhang bestehen soll und weshalb deswegen nicht von zwei Verurteilungen ausgegangen werden dürfe.
3.1. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Sie hat auf die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände Bedacht genommen, jedoch mit Recht darauf hingewiesen, daß die besondere Gefährlichkeit des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers den hier maßgebenden öffentlichen Interessen besonders großes Gewicht verleihe. Sie befindet sich damit im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der in ähnlichen Beschwerdefällen die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität hergehoben und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht für rechtswidrig erkannt hat, weil das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden (siehe die Erkenntnisse vom 12. März 1990, Zl. 90/19/0157, und vom 14. Oktober 1991, Zl. 91/19/0220).
3.2. Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, seine Ehe sei zwar in erster Instanz aus seinem Alleinverschulden geschieden worden, doch habe er dagegen Berufung erhoben. Das noch nicht rechtskräftige Scheidungsurteil könne nicht zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogen werden.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß sich das Aufenthaltsverbot auf die rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und nicht auf die Zerrüttung oder Scheidung seiner Ehe gründet. Auf die Auseinandersetzungen zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin war nur insoweit Bedacht zu nehmen, als auf Grund dieser Differenzen die gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz zu berücksichtigenden Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Familie des Beschwerdeführers weniger schwerwiegend sind, als wenn durch das Aufenthaltsverbot in ein harmonisches Familienleben eingegriffen würde.
3.3. Soweit der Beschwerdeführer schließlich geltend macht, durch das Aufenthaltsverbot werde ihm der Kontakt mit seinen Kindern unmöglich gemacht, obwohl durch ein ordentliches Gericht ein Kontaktverbot nicht verfügt worden sei, ist ihm zu erwidern, daß die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Erschwerung des Kontaktes zwischen ihm und seinen Kindern im Vergleich zu den hier maßgebenden öffentlichen Interessen (siehe oben Punkt 3.1.) nicht entscheidend ins Gewicht fällt.
4. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190105.X00Im RIS seit
16.12.1991