TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/16 91/19/0167

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Veröffentlicht am 16.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art49 Abs1;
FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §14b Abs1 Z4;
FrPolG 1954 §14b Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1 Z2;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
MRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a Z3;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der A in F, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 15. April 1991, Zl. III-4033/90, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin folgender Übertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft:

"Sie haben sich vom 6.2.1990 bis 4.6.1990 in F, als Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil Sie nicht im Besitze einer Aufenthaltsberechtigung waren. Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 14b Abs. 1 Ziff.4 i.V.m.

§ 2 Abs. 1 Ziff. 2 Fremdenpolizeigesetz 1954 begangen. Gemäß § 14b Abs. 1 FPG wird über Sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt 4 Tage. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an ihre Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe."

Ferner wurde der von der Beschwerdeführerin zu leistende Beitrag zu den Verfahrenskosten bestimmt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Einen Verfahrensmangel erblickt die Beschwerde zunächst darin, daß das von der belangten Behörde als maßgeblich herangezogene Strafbemessungskriterium einer einschlägigen Vorstrafe der Beschwerdeführerin mit dieser nicht erörtert worden sei. Da der Beschwerdeführerin eine solche Vorstrafe "nicht gewärtig" sei, sie von einer solchen nichts wisse, und auch die Erstinstanz auf eine derartige Vorstrafe bei der Strafbemessung nicht abgestellt habe, hätte der Beschwerdeführerin dazu das Parteiengehör gewährt werden müssen.

1.2. Dazu ist festzuhalten, daß nach der Aktenlage die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 31. Jänner 1990 wegen Übertretung der §§ 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- bestraft worden ist und sie nach dem im Akt erliegenden Rückschein diese Strafverfügung am 5. Februar 1990 übernommen hat. Nach Ausweis der Akten blieb die Strafverfügung unbekämpft, womit von deren Rechtskraft auszugehen ist. Da mithin der Beschwerdeführerin jene Bestrafung, die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - zu Recht - als Erschwerungsgrund gewertet wurde, bekannt war, bedurfte diese Tatsache keiner Erörterung mit ihr. Der Umstand aber, daß die belangte Behörde diese rechtskräftige Bestrafung als erschwerend im Rahmen der Strafzumessung heranzog (§ 19 Abs. 2 VStG in Verbindung mit § 33 Z. 2 StGB), unterlag deshalb nicht dem Parteiengehör, weil es sich hiebei um eine Frage der rechtlichen Beurteilung und nicht um ein Ergebnis der Beweisaufnahme handelte (vgl. § 45 Abs. 3 AVG).

2.1. Die Beschwerde hält der belangten Behörde "irrationale Beweiswürdigung" vor, insoweit sie in der Bescheidbegründung zum Ausdruck bringe, daß dem Organwalter der Bezirkshauptmannschaft zu glauben gewesen sei, weil er im Fall einer unrichtigen Aussage strafbar gewesen wäre. Da die Rechtzeitigkeit der Antragstellung auf Erteilung eines Sichtvermerkes entscheidungswesentlich gewesen sei, komme auch dieser "krausen Beweiswürdigung" Entscheidungswesentlichkeit zu.

2.2. Diese Rüge läßt außer acht, daß sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zur Frage des Zeitpunktes, zu dem von der Beschwerdeführerin erstmals ein Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt worden ist, zum einen auf die präzise schriftliche Mitteilung des mit dieser Angelegenheit befaßten Behördenorgans, wonach die Beschwerdeführerin am 9. Februar 1990 einen entsprechenden Antrag gestellt habe, stützte, zum anderen ausdrücklich darauf hinwies, daß die Behauptungen der Beschwerdeführerin "weder konkret waren noch durch Beweise untermauert wurden". Letzteres steht im Einklang mit der Aktenlage, aus der ersichtlich ist, daß sich die Beschwerdeführerin diesbezüglich mit dem in keiner Weise konkretisierten und auch nicht belegten Hinweis begnügt hat, sie habe "bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch lange vor dem fraglichen Termin wegen eines Sichtvermerkes vorgesprochen gehabt" (Berufung vom 3. September 1990). Daß die belangte Behörde angesichts dieses Sachverhaltes unter Bedachtnahme auf das weitere Argument, das betreffende Behördenorgan werde sich nicht durch eine vorsätzliche falsche Anzeige (gemeint ist der erwähnte schriftliche Bericht vom 30. November 1990) strafrechtlichen Sanktionen aussetzen, die Tatsache als erwiesen annahm, daß die Beschwerdeführerin erstmals am 9. Februar 1990 einen Sichtvermerks-Antrag gestellt habe, ist nicht als unschlüssig zu erkennen.

3.1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerde vor, die Beschwerdeführerin sei nach einer Strafnorm bestraft worden, die gar nicht während des gesamten vorgeworfenen Tatzeitraumes dem Rechtsstand angehört habe.

3.2. Der von der belangten Behörde spruchmäßig als erwiesen angenommene Tatzeitraum erstreckt sich vom 5. Februar 1990 bis 4. Juni 1990. Der als Strafnorm (§ 44a Z. 3 VStG) für den gesamten Tatzeitraum angewendete § 14b Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes entfaltete seine verbindende Kraft erst nach Ablauf des 6. April 1990, d.i. jenes Tages, an dem das Stück des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung der Novelle BGBl. Nr. 190/1990 (welche die Strafbestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes inhaltlich neu gestaltete) enthält, herausgegeben wurde (vgl. Art. 49 Abs. 1 B-VG). Zu prüfen ist sohin, ob die belangte Behörde durch die Heranziehung des § 14b Abs. 1 (Z. 4) des Fremdenpolizeigesetzes idF BGBl. Nr. 190/1990 als Strafnorm auch für den Tatzeitraum 5. Februar 1990 bis 6. April 1990 Rechte der Beschwerdeführerin verletzt hat. Dies ist im Grunde des § 1 Abs. 2 VStG, dem zufolge sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre, zu verneinen. Denn die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (22. August 1990) geltende Strafnorm des § 14b Abs. 1 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 190/1990 stellte für die Beschwerdeführerin das gegenüber der im Tatzeitraum (5. Februar 1990 bis 6. April 1990) geltenden Strafnorm des § 14 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes i.d.F. vor dieser Novelle günstigere Recht dar (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0319; ferner das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 91/19/0051).

4. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, der Strafauspruch sei auch deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde zu Unrecht keine Milderungsgründe angenommen habe, wird vom Gerichtshof nicht geteilt. Die dazu in der Beschwerde angestellten Überlegungen, vermögen das Vorliegen der Milderungsgründe des § 34 Z. 2, 3, 10 und 13 StGB nicht darzutun. Zu § 34 Z. 2 hat die Beschwerdeführerin nichts vorgebracht, was zur Annahme berechtigte, die Tat stehe mit ihrem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch; was die Bezugnahme auf § 34 Z. 3 anlangt, ist nicht erkennbar, inwieweit die Beschwerdeführerin durch ihr Bestreben, die Lebensgemeinschaft mit dem Kindesvater aufrechtzuerhalten, an der rechtzeitigen Stellung eines Sichtvermerksantrages gehindert worden sein könnte; das angebliche Vorliegen einer "drückenden Notlage" (§ 34 Z. 10) bleibt in der Beschwerde zur Gänze unbegründet; was schließlich die Berufung auf § 34 Z. 13 betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß das der Beschwerdeführerin angelastete Verhalten ein Ungehorsamsdelikt darstellt, zu dessen Tatbild es nicht gehört, daß ein Schaden eingetreten ist, woraus folgt, daß dieser Umstand schon nach dem Zweck der Strafdrohung (§ 19 Abs. 2 VStG) nicht als Milderungsgrund in Betracht kommen kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zlen. 90/19/0054, 0055, 0083, 0086).

5. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als zur Gänze unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein Erschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Verwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190167.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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