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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §18a Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der E in I, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 31. Oktober 1989, Zl. 126.357/2-7/89, betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Arbeiter (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in 1092 Wien, Roßauer Lände 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit der Antrag der Beschwerdeführerin für die Zeit ab 1. Mai 1989 abgelehnt wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen (insoweit der Antrag der Beschwerdeführerin für die Zeit ab 1. September 1988 bis 30. April 1989 abgelehnt wird) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 20. Jänner 1989 lehnte die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Beschwerdeführerin vom 23. August 1988 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Arbeiter für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18 a ASVG ab.
Nach der Begründung befinde sich der im Jahre 1979 geborene behinderte Sohn der Beschwerdeführerin von Montag bis Freitag im Internat bzw. in der Schule der Landes-Sonderschule für gehörlose, schwerhörige und sprachgestörte Kinder in Mils. Er bedürfe daher nicht der ständigen Hilfe und Wartung der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch.
1.2. Mit Bescheid vom 10. Juli 1989 gab der Landeshauptmann von Tirol dem Einspruch und damit dem Antrag der Beschwerdeführerin ab 1. September 1988 Folge.
In seiner Begründung verwies der Landeshauptmann zunächst auf das Einspruchsvorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die Hausgemeinschaft zwischen der Pflegeperson und dem behinderten Kind auch dann fortbestehe, wenn sich das behinderte Kind wegen einer Heilbehandlung zeitweilig außer Haus aufhalte. Ihr Kind sei zwar ab Montag 07.30 Uhr bis Freitag mittag in der Sonderschule in Mils untergebracht, an den Wochenenden sowie in den gesetzlichen Schulferien lebe das Kind jedoch bei der Beschwerdeführerin und bedürfe in diesen Zeiträumen ständiger Hilfe und Wartung. Überdies erfolge die Unterbringung in der Sonderschule aus medizinisch-therapeutischen Gründen und sei der Fortentwicklung des Kindes förderlich. Es könne nicht im Sinne des Gesetzes sein, diese Tatsache zu ungunsten der Kindesmutter auszulegen.
Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt habe in ihrem Vorlagebericht das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes verneint, da sich das Kind während der Schulzeit als interner Schüler in der Landessonderschule aufhalte und sich nicht nur zeitweilig zur Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft befinde. Das behinderte Kind der Beschwerdeführerin besuche in Erfüllung der Schulpflicht und nicht aus dem Grunde der Heilbehandlung eine Sonderschule. Diese diene nicht dem Zweck der Heilung körperlicher Gebrechen, sondern der Ausbildung des Behinderten in einer seiner Behinderung entsprechenden Form. Die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin werde daher im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen nicht gänzlich in Anspruch genommen.
Dazu habe die Beschwerdeführerin in einer Stellungnahme vom 17. Mai 1989 mitgeteilt, ihr Sohn sei trotz seines Aufenthaltes im Internat während der Ferien bzw. an Sonn- und Feiertagen von ihr zu betreuen, sodaß ihre Arbeitskraft zumindest während 3/4 des Jahres durch die notwendige Pflege ausgefüllt sei. Seit 1. Mai 1989 sei aber insofern eine Änderung eingetreten, als ihr Kind nunmehr jeden Tag nach Hause komme. Es besuche von 07.20 Uhr bis ca. 16.00 Uhr die Sonderschule in Mils und verbringe die übrige Zeit im Haushalt der Beschwerdeführerin. Damit sei unbestritten, daß zumindest ab diesem Zeitpunkt ihre Arbeitskraft auf jeden Fall durch die notwendige Betreuung des Kindes gänzlich in Anspruch genommen werde.
Der Landeshauptmann folgte diesem Vorbringen und bejahte zunächst das Bestehen der Haushaltsgemeinschaft ab 1. September 1988. Nach der Begründung könne an diesem Umstand seit 1. Mai 1989 überhaupt kein Zweifel bestehen, da das Kind seit diesem Zeitpunkt nur untertags die Sonderschule besuche. Aber auch für die davor liegende Zeit müsse im Hinblick auf § 2 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes bzw. § 123 ASVG von einem gemeinsamen Haushalt ausgegangen werden, da das Kind an den Wochenenden, an den Feiertagen, in den Ferien und selbstverständlich auch im Krankheitsfall bei einheitlicher Wirtschaftsführung seine Wohnung mit der Beschwerdeführerin teile. Die Pflege ihres Kindes führe nach Auffassung des Landeshauptmannes auch zu einer gänzlichen Beanspruchung ihrer Arbeitskraft. Gerade bei der heutigen Lage am Arbeitsmarkt müsse davon ausgegangen werden, daß eine Arbeitssuchende, die auf Grund der Behinderung ihres Kindes während der Ferien, aber auch an sonstigen schulfreien Tagen, die weit über das Ausmaß der gesetzlichen Feiertage hinausgingen, nicht für Dienstleistungen zur Verfügung stehen könne, nicht in der Lage sei, einen Arbeitsplatz zu finden, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine Vorsorge für eine eigenständige Alterssicherung erlaube. Dem Einspruch der Beschwerdeführerin sei daher Folge zu geben gewesen.
Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt erhob Berufung.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung Folge gegeben und der Antrag der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Arbeiter für die Zeit der Pflege ihres behinderten Kindes ab 1. September 1988 abgelehnt.
Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß im vorliegenden Fall nicht von einer gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft aus dem Grund der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes gesprochen werden könne. Das Erfordernis der ständigen Betreuung und Aufsicht im Sinne einer persönlichen Wartung und Hilfe liege im Beschwerdefall nicht vor, da sich der Sohn der Beschwerdeführerin ganztägig im Gehörloseninstitut befinde. Eine persönliche Betreuung durch die Kindesmutter sei daher tagsüber nicht erforderlich und für diese bestehe somit die Möglichkeit, einer eine eigenständige Alterssicherung begründenden Erwerbstätigkeit, insbesondere einer Teilzeitbeschäftigung, nachzugehen. Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie könne keiner Arbeit nachgehen, da sie an den Abenden, Wochenenden, Feiertagen und in den Schulferien ihren Sohn pflegen müsse, sei nicht stichhaltig. Mit den Schwierigkeiten, die die Ausübung einer Berufstätigkeit neben der Erziehung von schulpflichtigen Kindern mit sich bringe, sei eine Vielzahl von Frauen konfrontiert. Auch dem Vorbringen, daß ein gehörgeschädigtes Kind krankheitsanfälliger sei, könne nicht beigepflichtet werden.
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt - eine Gegenschrift erstattet.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, die Betreuung ihres behinderten Kindes führe zu einer gänzlichen Beanspruchung ihrer Arbeitskraft. Dies sei bei einem schulpflichtigen behinderten Kind gegeben, wenn es ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedürfe. Mit dem Begriff "ständig" werde in zeitlicher Hinsicht eine Abgrenzung insofern getroffen, als die Wartung und Hilfe zwar nicht täglich, aber immerhin in sich wiederholenden, kürzeren Zeitabständen während eines nicht abgrenzbaren Zeitraumes notwendig sein müsse. Ein behindertes Kind bedürfe somit "ständig" der Wartung und Hilfe, wenn sein Zustand dauernd sei und wenn es das Vorhandensein einer vorwiegend zu seinem Dienste bereiten Hilfsperson notwendig mache. Da das Kind der Beschwerdeführerin nur in sehr eingeschränktem Maße sprachlich kommunikationsfähig sei und ihm ein Verstehen der Sprache über das Hören überhaupt unmöglich sei, könnten die Anforderungen an die ihn pflegende Beschwerdeführerin nicht mit den Schwierigkeiten verglichen oder gleichgesetzt werden, die andere berufstätige Frauen bei der Erziehung ihrer gesunden schulpflichtigen Kindern hätten. Die Beschwerdeführerin sei die Bezugsperson für ihren behinderten Sohn, sodaß ihre Anwesenheit an schulfreien Tagen bzw. an Wochentagen, wenn der Sohn krank sei, und während der Ferien unabdingbar sei. Eine Betreuung oder auch nur eine Beaufsichtigung des Kindes durch eine andere Person sei auf Grund seiner Sprach- und Hörschwierigkeiten ausgeschlossen. Daraus ergebe sich aber, daß die Beschwerdeführerin bei kritischer Betrachtung des Arbeitsmarktes einem Dienstgeber nicht zur Verfügung stehen könne.
2.2. Der durch die 44. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 609/1987, eingeführte § 18 a ASVG lautet in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung auszugsweise:
"§ 18 a. (1) Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
...
(3) Eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 liegt vor, solange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 27. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf.
..."
2.3. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage nimmt die Frage der pensionsversicherungsrechtlichen Berücksichtigung der Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes durch einen Elternteil ihren Ausgang von der Tatsache, daß die Mutter bzw. der Vater eines solchen Kindes (in der Regel wird es die Mutter sein), sofern sie bzw. er sich ausschließlich und allein seiner Pflege widmet, aus diesem Grund nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und damit auch nicht für eine eigenständige Alterssicherung vorsorgen kann... Für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung kommen alle jene Personen in Betracht, die sich der Pflege eines behindeten Kindes, das nicht älter als 27 Jahre ist, widmen, für das erhöhte Kinderbeihilfe nach § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, und deren Arbeitskraft als Folge der Pflege zur Gänze in Anspruch genommen ist... Bei Zutreffen der Voraussetzungen des Abs. 3 des neuen § 18 a ASVG gilt die gesetzliche Vermutung, derzufolge die Arbeitskraft der Pflegeperson durch die Pflege auf jeden Fall gänzlich in Anspruch genommen ist. Die Aufzählung ist taxativ, sodaß es daneben keine Fälle gibt, die zur Stellung eines Antrages auf eine Selbstversicherung gemäß § 18 a ASVG berechtigen. Sinn dieser Regelung ist es, den Antragsteller davon zu befreien, im Einzelfall nachweisen zu müssen, daß seine Arbeitskraft durch die Pflege des behinderten Kindes zur Gänze beansprucht wird. Dies könnte vor allem dann auf Schwierigkeiten stoßen, wenn eine Pflegeperson neben der Betreuung eines behinderten Kindes noch weitere Kinder versorgt und betreut bzw. den Haushalt führt. Gemäß § 18 a Abs. 3 ASVG sind dies die Pflegefälle, in denen das behinderte Kind das sechste Lebensjahr noch nicht erreicht hat (Z 1), wenn es älter ist, während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht (9 Schuljahre nach Beginn der allgemeinen Schulpflicht), sofern das Kind wegen Schulunfähigkeit von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z 2) bzw. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn das Kind dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z 3). Die zuletzt genannten Kriterien decken sich im wesentlichen mit den Voraussetzungen, die nach den einzelnen Sozialhilfe- und Behindertengesetzen der Länder für den Anspruch auf die höchste Stufe des Pflegegeldes erforderlich sind (vgl. 324 BlgNR. 17. GP., Seite 24 f).
Die Bestimmung des § 18a Abs. 3 Z. 2 ASVG ist daher im Sinne der Erläuternden Bemerkungen (berichtigend) so zu lesen, daß "wegen Schulunfähigkeit ..." NACH dem Wort "entweder" zu stehen kommt: Eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft nach Abs. 1 liegt daher vor, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht entweder wegen Schulunfähigkeit von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf. § 18a Abs. 3 Z. 2 ASVG erfaßt daher auch den im Beschwerdefall zugrundeliegenden Sachverhalt, daß ein (schulpflichtiges) behindertes Kind zwar die Schule besucht, jedoch dennoch ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf.
Was den in einzelnen Sozialhilfegesetzen der Länder verwendeten Begriff der "ständigen Hilfe und Wartung" anlangt, so vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß dieser Begriff EINHEITLICH auszulegen ist, vermag doch schon das Unterbleiben einzelner lebenswichtiger Verrichtungen den Hilfebedürftigen in seiner menschlichen Existenz zu bedrohen (vgl. etwa das zum Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz ergangene Erkenntnis vom 20. November 1985, Zl. 83/11/0141, VwSlg. 11952/A).
2.4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Arbeiter für die Zeit der Pflege ihres behinderten Kindes ab 1. September 1988 abgelehnt. Mangels eines Endzeitpunktes im Spruch dieses Bescheides gilt der Ausspruch für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren (vgl. zum mangelnden Endzeitpunkt im Abspruch etwa die Ausführungen im Erkenntnis vom 8. April 1987, Zl. 85/08/0027).
2.5.1. Die belangte Behörde hat das Vorliegen des Erfordernisses der ständigen Hilfe und Wartung des Kindes der Beschwerdeführerin im wesentlichen mit der Begründung verneint, das Kind befinde sich seit 1. Mai 1989 ganztägig im Gehörloseninstitut bzw. vor diesem Zeitpunkt im Internat dieses Institutes. Da eine persönliche Betreuung durch die Beschwerdeführerin tagsüber nicht erforderlich sei, bestehe für diese sehr wohl die Möglichkeit einer eine eigenständige Alterssicherung begründenden Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Dabei übersieht die belangte Behörde jedoch, daß die Tatsachengrundlagen, die eine rechtliche Beurteilung der Frage der ständigen Hilfe und Wartung des Kindes der Beschwerdeführerin ermöglichen, im gesamten Verwaltungsverfahren nicht in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes zugänglichen Weise festgestellt worden sind (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, sowie das darin verwiesene Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Zl. 1579/73, VwSlg. 8619/A). Aus einem von der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt eingeholten ärztlichen Befund vom 3. November 1988 ergibt sich lediglich, daß das Kind seit Geburt beidseits eine hochgradige irreparable sensoneurale Hörschädigung (um 105 dB) aufweist und eine sprachliche Kommunikation immer nur in sehr eingeschränktem Maß möglich sein wird. Ein Verstehen der Sprache über das Hören sei nicht möglich (vgl. das Aktenstück 19 a des Beitragsaktes). Es wäre jedoch im Wege entsprechender Sachverständigengutachten zu klären gewesen, ob unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich ist und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet ist. Ständige Wartung und Hilfe könnte dabei im Falle eines täglichen Schulbesuches z.B. dann erforderlich sein, wenn wegen der mangelnden Kommunikationsfähigkeit des Kindes eine Begleitung auf dem Schulweg bzw. nach der Schule eine dauernde Beaufsichtigung und Zuwendung notwendig wäre. Sollte dies der Fall sein, käme die gesetzliche Vermutung zum Tragen, das es der Beschwerdeführerin auch in der ihr verbleibenden freien Zeit (in der sich ihr Kind in der Schule befindet) kaum möglich wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dadurch für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen.
Da der Verwaltungsgerichtshof wesentliche Mängel des Verwaltungsverfahrens auch ohne Antrag in der Beschwerde wahrzunehmen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Februar 1948, Zl. 567/46, VwSlg. 321/A und vom 14. September 1984, Zl. 84/02/0030), war der angefochtene Bescheid bezüglich seines Ausspruches für den Zeitraum ab 1. Mai 1989 (täglicher Schulbesuch des Kindes der Beschwerdeführerin), wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
2.5.2. Was den Ausspruch des angefochtenen Bescheides bezüglich des Zeitraumes vom 1. September 1988 bis 30. April 1989 anlangt, in dem sich das Kind der Beschwerdeführerin unter der Woche im Internat der Sonderschule Mils befunden hat, war der Beschwerde jedoch der Erfolg zu versagen.
Unabhängig von der Frage, ob das Kind in diesem Zeitraum gemäß § 18 a Abs. 1 ASVG im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin lebte, kann im Hinblick auf den in den Erläuternden Bemerkungen zum Ausdruck kommenden Zweck der Regelung nicht davon gesprochen werden, daß sich die Beschwerdeführerin in diesem Fall AUSSCHLIESSLICH UND ALLEIN der Pflege ihres Kindes widmete, womit ihre Arbeitskraft GÄNZLICH beansprucht wurde. Daß das behinderte Kind in den Ferien bzw. im Krankheitsfalle unter Umständen ihrer Hilfe bedurfte, führte nicht zu einem Ausschluß jeglicher Erwerbstätigkeit.
Die Beschwerde war daher in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß Art. III Abs. 2 VwGG anzuwenden war. Die geltend gemachten Bundesstempel konnten im Hinblick auf die auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltende sachliche Abgabenfreiheit des § 110 ASVG nicht zugesprochen werden.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 ständigen Hilfe und WartungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989080353.X00Im RIS seit
11.07.2001