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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der X-GmbH in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. September 1991, Zl. SV-439/2-1991, betreffend Beitragsnachverrechnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Mit Bescheid vom 16. Mai 1991 stellte die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse fest, daß die Beschwerdeführerin als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 58 Abs. 2 ASVG verpflichtet sei, allgemeine Beiträge in der Höhe von S 87.244,-- und Sonderbeiträge in der Höhe von S 53.012,20 zu bezahlen. Nach der Begründung dieses Bescheides seien bei einer am 24. und 28. Jänner 1991 vorgenommenen Beitragsprüfung Meldeverstöße festgestellt worden. Unter anderem habe sich herausgestellt, daß für den versicherten Johann B. in der Zeit vom 1. Jänner 1986 bis 31. Juli 1987 keine Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet worden seien.
In ihrem gegen die Nachverrechnung von auf den Dienstnehmer Johann B. entfallenden Beiträgen gerichteten Einspruch wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die Annahme einer Verjährungsfrist von fünf Jahren. Ihre Lohnverrechnung und somit auch die Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge werde mittels EDV durchgeführt. Zu den "gegenständlichen Differenzen" sei es infolge eines Eingabefehlers in die EDV-Anlage gekommen. Wie dieser Fehler habe passieren können, sei heute nicht mehr mit Gewißheit zu sagen. Ein EDV-Eingabefehler sei aber auch bei größter Sorgfalt nicht 100-%ig auszuschließen; eine lückenlose mehrmalige Überprüfung sei im Bereich der wirtschaftlichen Verwaltung nicht möglich. Da auch bei gehöriger Sorgfalt Fehler passieren könnten, habe der Gesetzgeber hinsichtlich der Verjährungszeiten Unrichtigkeiten, die erkannt werden müssen, von solchen, die auch bei gehöriger Sorgfalt unter Umständen nicht erkannt werden, unterschieden. Dabei dürfte der Gesetzgeber auch auf den Einsatz von EDV-Anlagen Bedacht genommen haben, da auch bei gehöriger Sorgfalt Fehler auf den Einsatz "automationsunterstützender Datenverarbeitung" zurückzuführen seien. Schon anläßlich einer früheren Beitragsprüfung sei das Jahr 1986 geprüft worden und auch dem damaligen Prüfer sei dieser Fehler nicht aufgefallen. Dies zeige, daß der gegenständliche Fehler nicht offensichtlich "ins Auge springe".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. Nach Darlegung des Verfahrensganges führte sie in der Begründung aus, es stehe unbestritten fest, daß für den versicherten Johann B. eineinhalb Jahre lang keine Sozialversicherungsbeiträge mit der Gebietskrankenkasse abgerechnet worden seien. Wie und warum ein Fehler bei der Eingabe von Daten entstanden sei, könne nicht mehr festgestellt werden. Es sei jedoch nicht entscheidend, welcher Art der Eingabefehler gewesen sei, sondern, daß dieser Fehler eineinhalb Jahre lang nicht festgestellt worden sei. Dies lasse darauf schließen, daß "durch mangelnde Kontrolle oder geeignete Maßnahmen die gehörige Sorgfalt in dem Maße außer acht geblieben ist, die Kontrollen also so lückenhaft waren, daß ein einzelner Dienstnehmer über einen langen Zeitraum nicht erfaßt wurde und daher der gleiche Fehler auch in Zukunft nicht auszuschließen ist". Eine einfache "Abgleichung" der Dienstnehmer- und Dienstgeberanteile bzw. der abgerechneten Beitragsgrundlage mit den im Lohnkonto ausgewiesenen Entgelten oder der Dienstnehmeranteile mit den abgerechneten Beitragsgrundlagen hätte genügt, um die Differenz zu erkennen.
Die vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführerin vertritt sinngemäß - wie schon im Verwaltungsverfahren - den Standpunkt, die vorgeschriebenen Beiträge seien im Sinne des § 68 Abs. 1 erster Satz ASVG verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist im Sinne des dritten Satzes der zitierten Vorschrift käme nicht zum Tragen, da das Unterbleiben der Meldung nicht auf ihr Verschulden, sondern auf einen trotz Vornahme der zumutbaren und notwendigen Kontrollen unentdeckt gebliebenen Fehler bei der Erfassung der Daten durch ihre EDV-Anlage zurückzuführen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 68 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 34. Novelle lautet:
"Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird."
Zum dritten Satz der oben zitierten Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof - für den hier zu behandelnden Fall, in dem der Meldepflichtige überhaupt keine Angaben machte - in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Verlängerung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre als subjektive Komponente voraussetzt, daß der Dienstgeber die Angaben, die er unterlassen hat, bei gehöriger Sorgfalt als notwendig hätte erkennen können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. April 1985, Zl. 84/08/0133, vom 12. Dezember 1985, Zl. 85/08/0025, und vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064).
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG sind u.a. Dienstgeber verpflichtet, jeden von ihnen beschäftigten, in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherten (Vollversicherte und in der Krankenversicherung Teilversicherte) binnen drei Tagen nach Beginn der Pflichtversicherung beim zuständigen Träger der Krankenversicherung anzumelden.
Gemäß § 4 Abs. 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung aufgrund dieses Bundesgesetzes u.a. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet. Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Die Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 68 Abs. 1 dritter Satz ASVG tritt, wie bereits dargelegt wurde, gegenüber jenem Dienstgeber, der keine Meldung erstattet hat, nicht ein, wenn dieser trotz gehöriger Sorgfalt nicht erkennen konnte, daß eine Meldung zu erstatten gewesen wäre. Im vorliegenden Fall ist somit maßgeblich, ob die Beschwerdeführerin die ihre Meldepflicht als Dienstgeber nach den oben wiedergegebenen Vorschriften auslösenden Umstände, nämlich die Beschäftigung des Johann B. in einem Verhältnis wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt, erkennen hätte müssen. Im Beschwerdefall ist jedoch gar nicht strittig, daß der Beschwerdeführerin diese Umstände bekannt waren; auch in der Beschwerde erwähnt die Beschwerdeführerin ihren "versicherten Dienstnehmer, für den keine Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet wurden". Aus welchen in der Sphäre des Dienstgebers gelegenen Gründen die als notwendig erkannte Meldung schließlich unterblieb, ist im Zusammenhang mit der Vorwerfbarkeit des Unterbleibens der Meldung im Rahmen des § 68 Abs. 1 ASVG ohne Bedeutung. Die belangte Behörde hat somit im Ergebnis zu Recht die Verlängerung der Verjährungsfrist im Sinne des § 68 Abs. 1 dritter Satz ASVG angenommen. Davon ausgehend verjährte das Recht auf Feststellung der strittigen Beiträge binnen fünf Jahren ab Fälligkeit derselben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Februar 1987, Slg. 12397/A, und vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064). Im Hinblick auf die Unterbrechung der Verjährung durch Vornahme einer Beitragsprüfung (vgl. hiezu zuletzt das Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0219, 0220) im Jänner 1991 waren die strittigen, frühestens mit dem letzten Tag des Monats Jänner 1986 (vgl. § 58 Abs. 1 ASVG) fällig gewordenen Beiträge im Zeitpunkt ihrer Feststellung nicht verjährt.
Die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor. Ebensowenig bedeutet die von der Beschwerdeführerin gerügte Unterlassung von Feststellungen über die Umstände, unter denen die Erfassung von Daten betreffend den Dienstnehmer Johann B. unterblieb, und die von der Beschwerdeführerin über die Datenerfassung ausgeübte Kontrolle einen relevanten Verfahrensmangel.
Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991080152.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
19.09.2017