TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/17 91/05/0157

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Veröffentlicht am 17.12.1991
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3;
BauO NÖ 1976 §39;
BauO NÖ 1976 §47;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 14.6.1991, Zl. R/1-V-8742/2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) KF und 2) HB in W, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, 3) Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- sowie dem Erstmitbeteiligten und der Zweitmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.350,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. September 1986 hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den mitbeteiligten Bauwerbern die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Einfriedungsmauer und eines Abstellraumes auf der Liegenschaft EZ nn, KG P, erteilt. Die dagegen vom Ehemann der Beschwerdeführerin und von ihr selbst erhobene Berufung wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 18. Februar 1987 mit der Begründung ab, daß das genehmigte Bauvorhaben den Bestimmungen der Bauordnung für Niederösterreich entspreche und die Höhe des Baues absolut ortsüblich sei.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann erhobene Vorstellung wies die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 1. April 1987 ab. Zur Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde festgestellt, daß ihre Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters unzulässig gewesen sei, weil ihr dieser Bescheid gar nicht zugestellt worden sei. Dadurch, daß die Berufungsbehörde in der Sache selbst entschieden habe, sei aber ein subjektiv-öffentliches Recht der Beschwerdeführerin nicht verletzt worden. Wenn in der Vorstellung geltend gemacht worden sei, daß die Gemeindebehörden es unterlassen hätten, ein Gutachten gemäß § 120 Abs. 3 und 4 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) einzuholen, so sei in dieser Beziehung das Vorbringen präkludiert, weil eine derartige Einwendung vor der Baubehörde erster Instanz nicht erhoben worden sei. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

In der Folge stellte die Baubehörde erster Instanz der Beschwerdeführerin die erteilte Baubewilligung zu. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin Berufung, in welcher sie insbesondere darauf hinwies, daß sie seit dem Jahre 1976 Miteigentümerin der unmittelbar an die zu bebauenden Grundflächen angrenzenden Liegenschaft sei und sie daher zur Bauverhandlung hätte geladen werden müssen. Sie rügte das bisher durchgeführt Verfahren als unvollständig, insbesondere fehle es an einem schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen, daß das Bauvorhaben mit den Bestimmungen der NÖ Bauordnung 1976 übereinstimme. Ausdrücklich wendete sie einen Widerspruch des Abstellraumes zu § 21 Abs. 8 BO, eine erhebliche Beeinträchtigung der Belichtung des in ihrem Miteigentum stehenden Gebäudes sowie einen Widerspruch zum bestehenden Bebauungsplan ein, insbesondere bezüglich Bauweise und Bauhöhe.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 1987 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin überhaupt nicht eingegangen, sondern lediglich festgestellt:

"Das mit angefochtenem Bescheid genehmigte Bauvorhaben entspricht den Bestimmungen der Bauordnung für Niederösterreich."

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung gab die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 25. August 1988 Folge; sie behob die Berufungserledigung und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß sich der bautechnische Sachverständige im Verfahren auf Gemeindeebene mit der Frage, ob das geplante Vorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch im Sinne des § 120 Abs. 3 und 4 BO stehe, nicht beschäftigt habe. Dadurch sei das Verfahren in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben und die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt worden. Konkret wurde ausgeführt, daß zur Frage, ob ein Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe, der bautechnische Sachverständige zunächst eine Abgrenzung des Gebietes vornehmen müßte, welches als Maßstab herangezogen werden soll, und sodann die Aufnahme des vorhandenen Baubestandes (Gliederung und äußere Gestaltung der Baulichkeiten, Bebauungsweise, Bebauungsdichte, Bebauungshöhe, Fluchtlinien, ...) innerhalb dieses Gebietes. Hiebei seien in die Beurteilung alle Liegenschaften einzubeziehen, die miteinander nach der überwiegenden faktischen Bebauung ein einheitliches zusammenhängendes Ganzes bilden, welches sich nach dem äußeren Eindruck von den anderen Gebieten abhebe. Durch die Übergangsregelungen des § 120 Abs. 3 und 4 BO solle ein einem Bebauungsplan ähnlicher Beurteilungsmaßstab gewährleistet werden, um den geordneten Weiterbau in einem Ort oder Ortsteil zu ermöglichen. Die Prüfung des Bauvorhabens unter dem Gesichtspunkt des § 120 Abs. 3 Z. 1 BO habe daher alle Feststellungen zu enthalten, die Gegenstand eines Bebauungsplanes sein können. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

In einem Gutachten vom 10. Oktober 1988 stellte der bautechnische Sachverständige der Gemeinde fest, daß die Katastralgemeinde P eine ländliche Gemeinde darstelle, deren Bevölkerung vorwiegend in der Landwirtschaft tätig sei. Es bestehe lediglich ein vereinfachter Flächenwidmungsplan. Der gegenständliche Ortsteil werde in der Längsachse durch den Per-Graben, ein öffentliches Gerinne, geteilt und es seien die unmittelbar an dieses Gerinne angrenzenden Grundstücke bis zu den östlich und westlich dieses Gerinnes befindlichen Gemeindestraßen als Gärten genutzt. Die neben den vorgenannten Verkehrsflächen gelegenen Parzellen seien durchwegs geschlossen verbaut, wobei an den jeweiligen Grundgrenzen Brandmauern vorhanden seien. Da jedoch bereits bei der früheren Bauverhandlung auch auf der dem Bach an der Ostseite gegenüberliegenden Parzelle Baulichkeiten in geschlossener Bauweise vorhanden gewesen seien, deren Firsthöhe jene des geplanten Objektes um ca. 1,5 m überrage, die Beschwerdeführerin selbst ein Gebäude in geschlossener Bauweise besitze und auch nahezu die gesamte Ortschaft, wie erwähnt, in geschlossener Bauweise verbaut sei, sei es bei der Bauverhandlung gar nicht notwendig gewesen, nach einem krassen Widerspruch zur übrigen Art der Bebauung im Sinne des § 120 BO zu suchen, da die Art der Bebauung durch den Bestand eindeutig geschlossen oder zumindest gekoppelt sei. Auf Grund der geringen Parzellenbreite wäre eine offene Bebauung mit den in der Bauordnung für Niederösterreich geforderten Mindestabständen nicht möglich.

Nachdem die Beschwerdeführerin dieses Gutachten als unschlüssig und unvollständig gerügt hatte, wurde das Gutachten eines Amtssachverständigen des NÖ Gebietsbauamtes I vom 21. November 1989 eingeholt. Darin stellte der Amtssachverständige fest, daß nach dem vereinfachten Flächenwidmungsplan der Gemeinde das zu bebauende Grundstück im Bauland-Agrargebiet liege. Die zu bebauende Grundfläche selbst befinde sich mittig in einem angerartigen Ortsteil, der zur Gänze als Bauland-Agrargebiet gewidmet sei; in diesem Zusammenhang wird auf eine beigelegte Mappenkopie verwiesen. Der Ortsteil werde in der Längsachse durch den Per-Graben geteilt, westlich durch die Landesstraße und östlich durch die Ortsstraße begrenzt. Der zu beurteilende Bereich für die Bestimmung der vorherrschenden Bebauung sei in einer Beilage abgegrenzt und dargestellt. Der Bereich sei so festgelegt worden, daß sich auf Grund der Größe der Bauplätze und der vorhandenen Bebauung eine zutreffende Aussage ergebe. Demzufolge sei das Beurteilungsgebiet zwischen den beiden Straßen festgelegt worden. Auf Grund des Charakters der Bebauung im Beurteilungsgebiet könne dieses als zusammenhängend bebautes Ortsgebiet im Sinne des § 5 Abs. 8 BO angesehen werden. Anläßlich des Augenscheines sei festgestellt worden, daß die straßenseitigen Hauptgebäude überwiegend in geschlossener oder in gekuppelter Bauweise errichtet worden seien. Landwirtschaftlich genutzte Gebäude und Nebengebäude seien im wesentlichen hinter den straßenseitigen Hauptgebäuden an den hinteren und seitlichen Grundgrenzen errichtet worden. Die Baufluchtlinien würden sich somit aus der vorderen und hinteren Grundstücksgrenze ergeben. Die Wohngebäude sowie Nebengebäude seien durchwegs ebenerdig verbaut und besäßen ein Satteldach oder Krüppelverbunddach mit Ziegel- oder schwarzer Welleterniteindeckung. Die Dachneigung der Gebäude betrage durchwegs ca. 40 bis 50 Grad, welche sich aus der Ziegeleindeckung ergebe. Ebenso seien die Nebengebäude dieser Grundstücke ausgeführt, wobei die Nebengebäude durchwegs an den seitlichen und hinteren Grundstücksgrenzen errichtet worden seien und an der Traufe ca. 3,0 bis 3,5 m über Niveau lägen. Weiters sei festgestellt worden, daß die Bebauungsdichte im Schnitt bis ca. 50 % betrage (ein Extremfall ca. 70 %), und daß die Grundstücke nur mit Maschenzäunen oder mit ca. 1,8 bis 2,3 m hohen Ziegelmauern entlang der Grundstücksgrenze eingefriedet seien, sodaß sich ein geschlossener Innenhof ergebe. Die aus der vorherrschenden Bebauung im Beurteilungsgebiet abzuleitende Regelung für die Errichtung von landwirtschaftlich genutzten Gebäuden in diesem Bauland-Agrargebiet sei daher als geschlossene oder gekuppelte Bebauungsweise, als Fluchtlinien die seitlichen und hinteren Grundgrenzen, als Bebauungshöhe die Bauklasse I, eine Bebauungsdichte von maximal 50 %, als Dachform Satteldach oder Krüppelwalmdach, als Dachneigung 38 bis 45 Grad und eine dachziegelartige Dacheindeckung (oder schwarzes Welleternit) festzulegen. Dadurch würde das als Bauland-Agrargebiet gewidmete Ortsgebiet eine einheitliche Baugestaltung erhalten. Auf den zu bebauenden Grundflächen sei nunmehr ein Abstellraum in den Abmessungen 4,00 x 14,50 m im Anschluß an das bestehende Wohngebäude an der rechten und an der rückwärtigen Grundstücksgrenze errichtet worden, wobei laut Einreichplan auf dem Gebäude ein Pultdach ausgeführt worden sei, welches an der Traufe 3,15 m und am First 4,65 m über Niveau reiche. Weiters sei an der rückwärtigen Grundstücksgrenze eine ca. 2 m hohe Einfriedungsmauer errichtet worden.

In seinem abschließenden Gutachten führte der Amtssachverständige aus, daß sich bei der Beurteilung des Bauvorhabens somit weder hinsichtlich der Bebauungsweise noch hinsichtlich der Lage der Fluchtlinien und nach der Bebauungsdichte ein auffallender Widerspruch zur bestehenden Bebauung ergebe, da es der Regelung der vorherrschenden Bebauung entspreche. Hinsichtlich der Dachform und der Gebäudehöhe an der Grundstücksgrenze sei jedoch festgestellt worden, daß Dächer im gegenständlichen Ortsteil durchwegs als Satteldächer ausgeführt seien und die Traufe an der Grundstücksgrenze maximal 3,5 m betrage, sodaß das Bauvorhaben in diesem Punkt der örtlichen Bebauung widerspreche. Es wäre daher beim gegenständlichen Bauvorhaben das Dach als Satteldach auszuführen, wobei die Traufenhöhe an der Grundstücksgrenze maximal 3,5 m betragen dürfte. Die Dachneigung müßte 38 bis 45 Grad betragen und als Dacheindeckung müßte entweder eine dachziegelartige Eindeckung oder schwarzes Welleternit verwendet werden.

In ihrer Äußerung zu diesem Gutachten führte die Beschwerdeführerin aus, daß sie dem Sachverständigen hinsichtlich der Ausführung eines Satteldaches beipflichte. Sie vertrete jedoch die Auffassung, daß die Dachtraufe, gerechnet vom Niveau des Grundstückes der Bauwerber, an der Grundstücksgrenze nicht höher als 3 m sein dürfe. Dazu komme, daß sich Abstellraum und Feuermauer über die gesamte gemeinsame Grundstücksgrenze erstreckten, während die übrigen Grundstücksgrenzen nur teilweise durch Nebengebäude verbaut seien, was sich auch aus den vom Sachverständigen vorgelegten Fotos ergebe. Auch insoweit widerspreche daher das Bauvorhaben der örtlichen Bebauung. Zum Beweis für dieses Vorbringen wurde ein Ortsaugenschein beantragt.

Mit Bescheid vom 22. März 1990 gab der Gemeinderat der Berufung keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführerin aus Vorschriften über die Beachtung des Ortsbildes, des Straßenbildes und des Landschaftsbildes keine Nachbarrechte erwüchsen. Nach § 120 Abs. 3 BO sei eine Baubewilligung nur dann zu versagen, wenn das geplante Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe. Den eingeholten Gutachten der bautechnischen Amtssachverständigen sei zu entnehmen, daß weder hinsichtlich der Bebauungsweise, noch der Lage der Fluchtlinien ein auffallender Widerspruch zur bestehenden Bebauung gegeben sei, da das Vorhaben der vorherrschenden Bebauung entspreche. Eine Beeinträchtigung anderer subjektiv-öffentlicher Interessen liege gleichfalls nicht vor und sei auch nicht behauptet worden.

Auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellung forderte die belangte Behörde den Amtssachverständigen auf, sein Gutachten dahingehend zu ergänzen, ob und warum der Widerspruch des Vorhabens zur bestehenden Bebauung als auffallend zu qualifizieren sei, und es mögen weiters plausibel die Auswirkungen auf das Nachbargrundstück angeführt werden. Dieser Beurteilung wäre ein einem Bebauungsplan ähnlicher Maßstab zugrundezulegen, sodaß alle Merkmale, die Gegenstand eines Bebauungsplanes sein können, erfaßt werden.

In seinem Gutachten vom 14. Mai 1991 wiederholte der Amtssachverständige die seiner Meinung nach in einem Bebauungsplan vorzunehmenden Festlegungen und ergänzte diese dahingehend, daß eine hintere Baufluchtlinie nicht festzulegen sei, da die Widmung Bauland-Agrargebiet sei und eine hintere Baufluchtlinie einen zu starken Eingriff in die bestehende Bebauung darstellen würde, wie sie bereits auf ausdrücklich angeführten Parzellen zur Ausführung gelangt sei. Der Sachverständige stellte sodann neuerlich fest, daß das Bauvorhaben hinsichtlich der Bauhöhe, der Dachform und der Dachneigung der ortsüblichen Bebauung widerspreche. Als auffallender Widerspruch sei die Abweichung der ausgeführten Dachform und Dachneigung zur bestehenden Bebauung zu qualifizieren. Ortsübliche Dachform sei ein Sattel- oder Krüppelwalmdach mit einer Dachneigung von ca. 40 bis 45 Grad, durch eine derartige Ausbildung seien in der Ansicht an den Längsseiten eines Gebäudes Wand- und Dachflächen für den Betrachter in etwa gleicher Größe wahrnehmbar. Durch die Ausführung des Daches als Pultdach mit einer Dachneigung von ca. 15 bis 20 Grad wirke die Dachfläche für den Betrachter an der Traufenseite wesentlich schmäler als die darunter befindliche Wandfläche. Von der anderen Längsseite sei bei einem Pultdach in der Ansicht keine Dachfläche sichtbar und erscheine für den Betrachter die Außenwand als übermäßig hohe Mauer, da keine Dachfläche sichtbar sei. Von der Giebelseite sei keine Dachfläche ersichtlich und die Konstruktion eines Pultdaches erkennbar. Bezüglich des freien Lichteinfalles werde festgestellt, daß für die Belichtung von Hauptfenstern jeweils ein Lichteinfall von 45 Grad herangezogen werde, wobei der freie Lichteinfall im rechten Winkel zu den Fensterflächen angenommen werde. Eine Beeinträchtigung des freien Lichteinfalles für Fenster der Beschwerdeführerin sei nicht gegeben.

Zu diesem ergänzenden Gutachten haben sowohl die Beschwerdeführerin als auch die mitbeteiligten Bauwerber Stellung genommen. Die mitbeteiligten Bauwerber verwiesen darauf, daß dem Sachverständigen insofern ein Irrtum unterlaufen sein dürfte, als im gegenständlichen Ortsgebiet Gebäude durchaus auch mit Pultdächern ausgeführt worden seien, diese Pultdächer sich jedoch alle auf Gebäuden befänden, die nicht gassenseitig gelegen seien, weshalb sie offensichtlich vom Sachverständigen übersehen worden seien. Es werden sodann drei derartige Gebäude genannt und es wird ersucht, eine Frist von einem Monat einzuräumen, um allfällige zusätzliche Anschriften bekanntzugeben. Die mitbeteiligten Bauwerber hielten dem Sachverständigen auch entgegen, daß Bebauungsbestimmungen, wie sie seiner Meinung nach in künftigen Verordnungen der Gemeinde vorgesehen werden sollen (also etwa auch die Ausgestaltung des Daches) nicht das entscheidende Kriterium seien, wie weit ein Gebäude dem § 120 Abs. 3 Z. 1 BO entspreche.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens vertrat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Ansicht, daß ein auffallender Widerspruch hinsichtlich der Bebauungsweise, der Lage der Fluchtlinien und der Bebauungsdichte auch nach dem Gutachten des Sachverständigen nicht gegeben sei. Der Sachverständige habe jedoch hinsichtlich der Dachformen und der Gebäudehöhen an den Grundstücksgrenzen einen Widerspruch zur örtlichen Bebauung festgestellt. Aus diesem Grund sei aber die Baubewilligung nicht zu versagen gewesen, weil der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Übergangsbestimmung des § 120 Abs. 3 BO wiederholt ausgesprochen habe, daß den Anrainern nur insoweit ein subjektiv-öffentliches Recht zustehe, als die darin enthaltenen Grundsätze, wären sie Inhalt eines Bebauungsplanes, ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 118 Abs. 9 BO begründen würden; dies deshalb, weil subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer jedenfalls die Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung begründen und solche Bestimmungen den regelmäßigen Inhalt eines Bebauungsplanes darstellten. Da die Einhaltung einer bestimmten Dachform kein Anrainerrecht darstelle, sei die Beschwerdeführerin diesbezüglich nicht in ihrer subjektiv-öffentlichen Rechtssphäre verletzt worden. Bezüglich der Gebäudehöhe habe der Sachverständige keinen auffallenden Widerspruch festgestellt. Auch die Vorstellungsbehörde könne nicht finden, daß die Giebelhöhe von 4,65 m an der Grundstücksgrenze einen erheblichen Widerspruch zur durchschnittlichen Traufenhöhe von 3,5 m darstelle. Der NÖ Bauordnung 1976 entsprechend sei der Amtssachverständige von einem 45 gradigen Lichteinfallswinkel im rechten Winkel zu den Fensterflächen ausgegangen und habe nachvollziehbar hervorgehoben, daß die Höhe des umstrittenen Nebengebäudes an der Grundstücksgrenze keine Beeinträchtigung des freien Lichteinfalles auf die Hauptfenster des im Miteigentum der Beschwerdeführerin befindlichen Gebäudes bewirke. Da dieser im rechten Winkel möglich sei, sei eine seitliche Abweichung um 20 Grad nicht mehr zu prüfen gewesen. Dem Einwand der möglichen Nutzung dieses Abstellraumes als Wohnraum hielt die Gemeindeaufsichtsbehörde entgegen, daß bei der Entscheidung über die Vorstellung vom bewilligten Verwendungszweck des umstrittenen Gebäudes auszugehen sei. § 21 Abs. 8 BO sei schließlich gar nicht anwendbar gewesen, weil ein Bebauungsplan nicht gegeben ist. Mangels Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte sei die Vorstellung abzuweisen gewesen.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und den mitbeteiligten Bauwerbern erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 118 Abs. 8 Satz 1 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) genießen alle Grundstückseigentümer als Anrainer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Gemäß § 118 Abs. 9 BO werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

1.

den Brandschutz;

2.

den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

              3.              die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

              4.              die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Nach § 120 Abs. 3 BO ist eine Bewilligung gemäß den §§ 92 oder 93 in Gemeinden, in denen nur ein vereinfachter Bebauungsplan gemäß Abs. 1 gilt - abgesehen von § 100 Abs. 2 - zu versagen, wenn

              1.              das geplante Vorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht;

              2.              das Vorhaben außerhalb eines zusammenhängend bebauten Ortgebietes geplant ist, und die geordnete Entwicklung der Bau- und Siedlungstätigkeit der Gemeinde gefährdet.

In Baulandbereichen, für die noch keine Regelung der Bebauung getroffen wurde, gelten die auf die vorherrschende Bebauung zutreffenden Bestimmungen dieses Gesetzes.

§ 120 Abs. 4 Satz 1 BO bestimmt schließlich, daß eine Bewilligung gemäß § 92 oder § 93 in einer Gemeinde, in der noch kein Bebauungsplan und auch kein vereinfachter Bebauungsplan gilt, zu versagen ist, wenn das geplante Vorhaben einer Bestimmung des Abs. 3 widerspricht.

Für den Beschwerdefall ist nun davon auszugehen, daß die belangte Behörde schon in ihrem Bescheid vom 25. August 1988 klargestellt hat, daß die gemeindlichen Baubehörden verpflichtet waren, durch ein ergänzend einzuholendes Gutachten eines bautechnischen Sachverständigen die Frage zu erörtern, ob das Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerber zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht, wobei in dieser Entscheidung auch dargelegt worden ist, welche Gesichtspunkte der Sachverständige in diesem Zusammenhang insbesondere zu beachten hat. Die belangte Behörde behob damals den bei ihr angefochtenen Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde mit der Begründung, daß im Hinblick auf das Fehlen eines solchen Gutachtens das Verfahren in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben und dadurch die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt worden sei. Die belangte Behörde hat also damals nicht schlechthin ausgesprochen, daß dann, wenn das Bauvorhaben den von ihr genannten Gesichtspunkten nicht entspricht, jedenfalls die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin verletzt, sodaß die belangte Behörde zu Recht nunmehr im angefochtenen Bescheid prüfen durfte, ob die vom Sachverständigen als auffallender Widerspruch genannten Umstände subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführerin verletzen.

Im Rahmen des Beschwerdepunktes führt nun die Beschwerdeführerin aus, daß sie durch den angefochtenen Bescheid in dreifacher Hinsicht in Rechten verletzt worden sei. Zunächst sei das Bauvorhaben bewilligt worden, obwohl es hinsichtlich Höhe, Bebauungsart und Bebauungsdichte in auffallendem Widerspruch zur örtlichen Bebauung stehe. Weiters verstoße die Baubewilligung gegen die Bestimmung des § 21 Abs. 8 BO, insbesondere gegen die Z. 2, 4 und 5. Schließlich werde die Beschwerdeführerin durch die Realisierung des Bauvorhabens in der Belichtung ihres Gebäudes in einem nach der Bauordnung unzulässigen Ausmaß beeinträchtigt.

Zunächst vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, inwieweit das bewilligte Bauvorhaben hinsichtlich der Bebauungsweise und der Bebauungsdichte in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung stehen soll, weil hier der technische Amtssachverständige einen solchen Widerspruch eindeutig verneint und dies überzeugend unter Hinweis auf die gegebene Bebauung begründet hat. Auch in der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin keine Begründung für ihre diesbezügliche Behauptung geliefert, sodaß im Hinblick auf die bei den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Auffassung der belangten Behörde bestehen.

Hinsichtlich der Gebäudehöhe hat der Amtssachverständige zunächst in seinem Gutachten vom 21. November 1989 die Auffassung vertreten, daß an der Grundstücksgrenze die Traufenhöhe maximal 3,5 m betragen dürfe. Der Sachverständige hat diese seiner Meinung nach maximal zulässige Bebauungshöhe daraus abgeleitet, daß nur eine bestimmte Dachform in Betracht kommen dürfte. Tatsächlich hat nämlich der Sachverständige ja ausgeführt, daß bezüglich der Bebauungshöhe in einem Bebauungsplan, wenn man von der tatsächlichen Bebauung ausgehe, die Bauklasse I festgesetzt werden müßte. In der Bauklasse I ist nach § 5 Abs. 3 BO eine Bebauungshöhe bis 4 m vorgesehen. Nach § 22 Abs. 6 BO darf bei den Bauklassen I bis VIII die Anzahl der Vollgeschoße nicht größer sein als die Nummer der jeweiligen Bauklasse. Die Gebäudehöhe darf die im Bebauungsplan festgelegte Bebauungshöhe bis zur Bauklasse VII jeweils um höchstens 1 m, bei Giebelfronten um höchstens 4 m überschreiten. Nebengebäude oder untergeordnete Gebäudeteile dürfen abweichend von der Bebauungshöhe errichtet werden, wenn sie das Ortsbild nicht stören.

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, daß an der Grundgrenze zur Beschwerdeführerin die Gebäudehöhe jedenfalls maximal 5 m erreichen dürfte, unabhängig von einer bestimmten Dachform. Da die tatsächliche Gebäudehöhe nach dem Bauplan maximal 4,65 m beträgt, wurde diese Gebäudehöhe zu Recht als zulässig erachtet, keinesfalls kann aber bei einer solchen Situation davon die Rede sein, daß bezüglich der Gebäudehöhe das bewilligte Gebäude zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht. Die Frage aber, ob ein bestimmtes Vorhaben im Sinne des Gesetzes in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung steht, ist eine Rechtsfrage, die letztlich die Behörde zu beantworten hat, nicht aber ein Sachverständiger, mag auch die Hilfestellung eines Sachverständigen bei dieser Frage erforderlich sein. Die belangte Behörde durfte daher zu Recht davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin durch die Höhe der an ihrer Grundgrenze errichteten Mauer in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden ist.

Daß aber die Beschwerdeführerin als Nachbarin "prinzipiell" kein subjektives Recht auf Einhaltung einer bestimmten Dachform besitzt, räumt sie in ihrer Beschwerde ausdrücklich ein. Der Verwaltungsgerichtshof vermag im übrigen nicht die Auffassung des Amtssachverständigen zu teilen, daß bei dem hier gegebenen ebenerdigen Gebäude durch die Dachform allein ein auffallender Widerspruch zur bestehenden Bebauung gegeben sein soll, handelt es sich doch um ein eher kleines, im Verhältnis zur umgebenden Bebauung unbedeutendes Gebäude im Inneren der Liegenschaft, sodaß ein von den mitbeteiligten Bauwerbern im übrigen bestrittener Widerspruch keinesfalls auffallend im Sinne des Gesetzes sein könnte (vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere auch die hg. Erkenntnisse vom 10. Oktober 1989, Zl. 89/05/0118, vom 14. November 1989, Zl. 88/05/0268, und vom 18. Juni 1991, Zl. 90/05/0239).

Soweit die Beschwerdeführerin auch eine Verletzung der Vorschrift des § 21 Abs. 8 BO als gegeben erachtet, übersieht sie, daß diese gesetzliche Bestimmung einerseits nur für Nebengebäude gilt und andererseits nur dann zum Tragen kommt, wenn durch einen Bebauungsplan entsprechende Fluchtlinien festgesetzt worden sind, was hier nicht zutrifft. In diesem Punkt kam daher eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin überhaupt nicht in Betracht.

Soweit die Beschwerdeführerin die Beeinträchtigung eines Rechtes auf Belichtung geltend macht, hat sie in ihrer Beschwerde selbst keine gesetzliche Bestimmung genannt, die ihrer Meinung nach durch die erteilte Baubewilligung verletzt würde. Mangels Festsetzung von Fluchtlinien in einem Bebauungsplan, die ein solches Recht einräumen könnten, ist ein solches Recht nach den hier maßgeblichen baurechtlichen Bestimmungen auch nicht gegeben. Die Vorschriften des § 47 BO dienen nur der Sicherung einer ausreichenden Belichtung und Belüftung der neu zu schaffenden Räume, kommen hier also nicht in Betracht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. April 1976, Zl. 2188/75). Ganz allgemein gilt aber der Grundsatz, daß der Eigentümer eines Grundstückes durch die Schaffung entsprechender Freiräume auf den eigenen Grundflächen für ausreichende Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu sorgen hat, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung wiederholt dargetan hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. Dezember 1983, Zl. 83/05/0201, BauSlg. Nr. 154, vom 26. Februar 1985, Zl. 85/05/0015, BauSlg. Nr. 394, u.a.).

Auf Grund der dargelegten Erwägungen ist davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin hinsichtlich der geltend gemachten Beschwerdepunkte durch den angefochtenen Bescheid in keinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden ist. Da die formellen Rechte der Beschwerdeführerin nicht weiter reichen als ihre materiellen Rechte, erübrigte sich ein Eingehen auf die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften. In diesem Zusammenhang sei lediglich bemerkt, daß ein Rechtsanspruch auf Durchführung eines Lokalaugenscheines im Beschwerdefall nicht zu Recht geltend gemacht werden kann, hatte die Beschwerdeführerin doch ausreichend Möglichkeit, alles ihrer Meinung nach zur Verfolgung ihrer Rechte Erforderliche im Verfahren vorzubringen.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die Beschwerde als in allen Punkten unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050157.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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