TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/18 91/01/0154

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
MRK Art10;
MRK Art8;
MRK Art9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der V M in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1991, Zl. 4.287.690/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, reiste am 22. November 1989 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am Tag danach Asylantrag. Bei ihrer niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 1. Dezember 1989 gab die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes an:

Sie habe in Rumänien keiner politischen oder militärischen Organisation, sondern nur der UTC, einer Jugendorganisation, angehört. Sie gehöre zu keiner Minderheit und habe auch ihre Religion frei ausüben dürfen.

Im Jänner 1989 sei ihre Freundin U H aus I zu ihr auf Besuch gekommen, und zwar in Begleitung eines Italieners namens M T. Dieser hätte an sich ein Hotelzimmer zur Verfügung gehabt, sich aber während einer Woche zumeist bei der Beschwerdeführerin aufgehalten. T sei dann wieder abgereist, jedoch bis August 1989 fallweise zum Wochenende (ca. viermal) wieder zu ihr gekommen. In dieser Zeit habe der rumänische Sicherheitsdienst (Securitate) Verbindung zur Beschwerdeführerin aufgenommen. Die Beamten seien zu ihr in die Wohnung gekommen bzw. hätte sie sich an der Dienststelle zu melden gehabt. Sie sei dahin verhört worden, wer der Italiener sei, und man sei in sie gedrungen, "Spitzeldienste zu leisten"; sie hätte Leute namhaft machen sollen, die fliehen wollten und Kontakte mit Ausländern unterhielten.

Auf Grund ihrer Beziehung zu dem Italiener hätte sie auch Nachteile am Arbeitsplatz gehabt. Sie sei versetzt und von ihrem Vorgesetzten mit Worten schikaniert worden. Man habe sie auch als "Hure" beschimpft. Aus diesen Gründen und auch um zu ihrem Bruder G M (der sich seit 5. August 1989 in einer Dependance des Lagers Traiskirchen in Hartberg befinde) zu kommen, habe sie sich zur Flucht aus Rumänien entschlossen.

Am 7. November 1989 habe sie mit einer Bekannten bei Semlac die Grenze nach Ungarn überschritten. Per Autostop sei sie dann nach Budapest gefahren, wo sie sich eine Woche lang unangemeldet aufgehalten habe. Schließlich hätte sie sich bei der Polizei gemeldet und eine provisorische Aufenthaltsbewilligung bis 1. Dezember 1989 erhalten. Weil sie befürchtet habe, danach wieder nach Rumänien abgeschoben zu werden, sei sie am 22. November 1989 per Bahn nach Sopron gereist und habe von dort aus (zusammen mit sechs weiteren Personen) illegal die Grenze nach Österreich überschritten.

Daraufhin stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark mit Bescheid vom 10. Mai 1990 fest, daß bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 i.d.F. BGBl. Nr. 78/1974, aus denen sich gemäß § 7 Abs. 1 des BG vom 7. März 1968 BGBl. Nr. 126 i.d.F. BGBl. Nr. 796/1974 die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet ableite, nicht zuträfen.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin, wobei sie im wesentlichen "Konflikte" mit Mitgliedern der Securitate wegen ihrer Absicht, ihren italienischen Freund zu heiraten, geltend machte. Dies sei verboten gewesen. Nach jedem Brief, den sie von ihrem Verlobten erhalten habe, sei sie von Mitgliedern der Securitate befragt worden, warum sie nicht einen Rumänen als Mann finde; wenn sie einen Mann wolle, könne ihr geholfen werden. Sie sei von den Securitateleuten "liebkost" worden und man habe ihr "viele Zoten gesagt". Am schrecklichsten sei es gewesen, wenn ihr Freund bei ihr in Rumänien zu Besuch gewesen sei. Einmal, als sie mit ihrem Freund einen Spaziergang gemacht habe, seien zwei "große Männer" gekommen und hätten sie und ihren Freund geschlagen und ihnen Spionage vorgeworfen. Beim nächsten Mal würden sie umgebracht werden. Am nächsten Tag habe sie zum Verhör müssen. Der Mann, der sie verhört habe, arbeite jetzt bei der "neuen demokratischen rumänischen Polizei". Auf ihre Bitten um einen Reisepaß habe man ihr gesagt, erst müsse sie heiraten, dann werde sie einen Reisepaß bekommen, aber natürlich nur für Rußland. Dem hätte sie nicht mehr widerstehen können und ihre Heimat verlassen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Die belangte Behörde vertrat darin nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention, jedoch ohne das Vorbringen der Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Befragung und in ihrer Berufung im einzelnen darzulegen, den Standpunkt, die Beschwerdeführerin hätte im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen außerhalb ihres Heimatlandes befinde. Da sie über Ungarn, ein Konventionsmitglied, in das Bundesgebiet eingereist sei, wäre es ihr möglich gewesen, schon dort Asyl zu beantragen. Daß sie das nicht getan habe, spreche dafür, keinen gravierenden Eingriffen in ihre Grundrechte ausgesetzt gewesen zu sein. Daß Staatsbürger des Heimatlandes der Beschwerdeführerin, die Kontakte zu Ausländern pflegten, Probleme mit dem Sicherheitsdienst hätten, sei keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968 BGBl. Nr.126 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge (AsylG) in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Kern der Rechtsrüge der Beschwerdeführerin ist das auf Art. 8, 9 und 10 MRK gestützte Argument, auf Grund einer verfassungskonformen Interpretation des Asylgesetzes und dessen Verweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention sei von einer Verfolgung im Sinne der Konvention auch dann zu sprechen, wenn jemand in seinem Heimatland auf Grund von Kontakten zu Ausländern "Probleme mit dem Sicherheitsdienst" gehabt habe.

Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Die Beschwerdeführerin übersieht nämlich, daß die von der Konvention genannten fünf Verfolgungsgründe taxativ aufgezählt sind und daher Gründe anderer Art (so unangenehm dies im Einzelfall für den Betroffenen auch sein mag) im Rahmen der gebotenen Beurteilung des Vorliegens einer wohlbegründeten Furcht im Sinne der Genfer Konvention nicht berücksichtigt werden können. Genauso wie dies betreffend das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 MRK) im hg. Erkenntnis vom 2. März 1988, Zl. 87/01/0284, bereits ausgesprochen wurde, hat dies auch für das im Falle der Beschwerdeführerin allenfalls berührte Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 MRK) zu gelten, sofern nicht derartige Eingriffe im konkreten Fall aus Konventionsgründen erfolgen. Insoweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus auch auf Art. 9 MRK (Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) verweist, ist ihr zu entgegnen, daß sie selbst im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht hat, was auch nur im entferntesten eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Religion rechtfertigen könnte. Ganz im Gegenteil, die Beschwerdeführerin hat ausdrücklich betont, sie hätte ihre Religion frei ausüben können. Auch eine Verletzung ihrer Gedanken- und Gewissensfreiheit hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet und kämen Eingriffe in diese Rechte, wenn überhaupt dann nur in Verbindung mit einem der ohnehin in der Konvention genannten Gründe, zum Tragen.

Da nach der hg. Judikatur auch der Versuch von Behörden des Heimatstaates, einen Staatsbürger für die nachrichtendienstliche Tätigkeit zu gewinnen oder die staatspolizeiliche Beobachtung des Asylwerbers wegen häufiger Kontakte mit Ausländern und die Aufforderung, darüber zu berichten, keine Anerkennungsgründe darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0363, 0364), erweist sich die Rechtsrüge der Beschwerde im Ergebnis als verfehlt, weil selbst dann, wenn man das eigene Vorbringen der Beschwerdeführerin der Beurteilung voll zugrunde legt, kein Umstand vorliegt, der eine Anerkennung der Beschwerdeführerin als Konventionsflüchtling rechtfertigen könnte.

Zur Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin ist insgesamt zu sagen, daß der angefochtene Bescheid zwar dürftig begründet ist, jedoch immerhin erkennen läßt, daß auch die belangte Behörde im Ergebnis ihrer rechtlichen Beurteilung das Vorbringen der Beschwerdeführerin zugrunde gelegt hat, nimmt sie doch ausdrücklich Bezug auf die Probleme der Beschwerdeführerin mit dem Sicherheitsdienst wegen ihrer Kontakte zu einem Ausländer.

Selbst dann, wenn man den Argumenten der Beschwerdeführerin betreffend das Vorliegen von Verfahrensfehlern folgte, wäre im Ergebnis für das angestrebte Ziel der Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil - wie oben bei Behandlung der Rechtsrüge gezeigt - die unangenehme Situation, der die Beschwerdeführerin wegen ihrer persönlichen Kontakte zu einem italienischen Staatsangehörigen ausgesetzt war, keinen von der Konvention anerkannten Grund darstellt.

Die Beschwerde war daher ohne daß es eines näheren Eingehens auf die einzelnen behaupteten Verfahrensfehler bedurfte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des erhobenen Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991010154.X00

Im RIS seit

18.12.1991

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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