TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/19 91/16/0066

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Veröffentlicht am 19.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
14/03 Abgabenverwaltungsorganisation;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

AVOG 1975 §14 Abs8;
AVOGDV 1979 §4 Abs3;
BAO §211 Abs1 litg;
BAO §212 Abs1;
BAO §213 Abs1;
BAO §214 Abs1;
BAO §215;
BAO §218 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
UStG 1972 §21 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):91/16/0068 91/16/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der XY-AG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland 1. vom 13. März 1991, Zl. GA 13-7/A-226/1/1/89, betreffend Abweisung eines Stundungsantrages, sowie 2. vom 15. März 1991, Zl. GA 13-7/A-226/1/3/89, betreffend Vorschreibung eines Säumniszuschlages, und 3. vom 18. März 1991, Zl. GA 13-7/A-226/1/2/89, betreffend Aussetzung der Einhebung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. März 1991, Zl. GA 13-7/A-226/1/1/89, betreffend Abweisung eines Stundungsansuchens, wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. März 1991, Zl. GA 13-7/A-226/1/3/89, betreffend Vorschreibung eines Säumniszuschlages, wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

3. Der Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. März 1991, Zl. GA 13-7/A-226/1/2/89, wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund zu 1. Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin zu 2. und 3. Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 15. Februar 1989 langte beim Zollamt Wien folgendes, mit 9. Februar 1989 datiertes Ansuchen der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft ein:

"Das Zollamt Schwechat hat uns für Jänner 1989 Eingangsabgaben in der Höhe von öS 352,560.618,60 vorgeschrieben.

In der Beilage übersenden wir Ihnen die Kopie unseres Antrages an das Finanzamt für Körperschaften auf Überrechnung von öS 336,988.599,19 unseres dort bestehenden Guthabens zur teilweisen Abdeckung unserer Eingangsabgabenverpflichtung.

Wir ersuchen nunmehr um Stundung des oben angeführten Betrages bis zur Überrechnung des bestehenden Guthabens. Der Restbetrag in Höhe von öS 15,572.019,41 wird Ihnen fristgerecht überwiesen."

1. In einer Berufung gegen den Bescheid, mit dem das Zollamt Flughafen Wien diesen Antrag einerseits mangels erheblicher Härte in der sofortigen vollen Entrichtung, andererseits wegen Gefährdung der Einbringlichkeit abwies, wurde vorgebracht, das Zollamt Flughafen Wien hätte das Zahlungserleichterungsansuchen offenkundig zu Unrecht abgewiesen, weil es die Einbringlichkeit für gefährdet gehalten hätte.

Die belangte Behörde gab mit ihrer Berufungsentscheidung vom 13. März 1991 dieser Berufung keine Folge. Ausgehend davon, daß durch die Überrechnung eines beim Finanzamt für Körperschaften bestehenden Guthabens von S 287,432.619,19 mit Entrichtungstag 10. Februar 1989 die Abgabenschuld gemäß § 211 Abs. 1 lit. g BAO bis auf einen Betrag von S 49,555.980,-- getilgt worden wäre, wäre zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Stundung für den zuletzt genannten Betrag erfüllt seien.

Hinsichtlich der Frage der Gefährdung der Einbringlichkeit folgte die belangte Behörde dem Berufungsvorbringen, daß eine Gefährdung der Einbringlichkeit auszuschließen sei. Eine erhebliche Härte in der sofortigen Entrichtung der Abgabe verneinte die belangte Behörde mit der Begründung, daß eine solche von der Beschwerdeführerin weder im Verfahren behauptet worden wäre noch auf Grund der allgemein bekannten guten wirtschaftlichen Situation der Beschwerdeführerin anzunehmen sei.

2. Hinsichtlich des zum Fälligkeitstag 15. Februar 1989 weder durch Überrechnung noch durch Teilzahlung entrichteten Betrages (S 49,555.980,--) erging am 2. März 1989 ein Nebengebührenbescheid über einen Säumniszuschlag in Höhe von 2 v. H., somit von S 990.429,--. Eine dagegen eingebrachte Berufung wurde nach Abweisung mit Berufungsvorentscheidung durch das Zollamt Wien und rechtzeitigem Antrag auf Entscheidung der Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz von der belangten Behörde mit Berufungsentscheidung vom 15. März 1991 unter Hinweis auf die Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Februar 1979, BGBl. Nr. 509/1979, im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß das (oben unter 1. erwähnte) Stundungsansuchen nicht vor Ablauf der für die Entrichtung der Abgabe zur Verfügung stehenden Frist bei der zur Behandlung zuständigen Stelle, dem Zollamt Flughafen Wien, eingelangt sei. Mangels zur Verfügung stehender Nachfristen gemäß § 218 Abs. 2 und 5 BAO bzw. mangels Hemmung gemäß § 230 Abs. 2 BAO wäre der Säumniszuschlag zu Recht vorgeschrieben worden.

3. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. März 1991 wurde der Ablauf der mit Bescheid vom 3. Oktober 1990 bewilligten Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO infolge Erledigung (= zweitangefochtener Bescheid) der für die Aussetzung Anlaß gebenden Berufung verfügt.

Gegen die mit 1. bis 3. bezeichneten Bescheide wendet sich die Beschwerde, in der jeweils Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

In ihrer Gegenschrift beantragte die belangte Behörde, die Beschwerde möge als unbegründet und kostenpflichtig abgewiesen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird.

Gemäß § 211 Abs. 1 lit. g BAO gelten Abgaben bei Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben (§ 215) eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten desselben Abgabepflichtigen am Tag der Entstehung der Guthaben als entrichtet.

Die Beschwerdeführerin vermeint, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hätte, weil sie davon ausgegangen ist, daß die volle Entrichtung der durch die erfolgte Überrechnung nicht als entrichtet geltenden Abgabe für die Abgabepflichtige nicht mit erheblichen Härten verbunden wäre. Als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sei die Beschwerdeführerin zum Vorsteuerabzug berechtigt. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, daß der Zeitpunkt des Abzugs von Einfuhrumsatzsteuerbeträgen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 UStG 1972 und der Zeitpunkt des Eintrittes der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen der Entrichtung von Eingangsabgaben zusammenfallen.

Demgemäß sehe § 20 Abs. 2 UStG 1972 vor, daß die abziehbare Einfuhrumsatzsteuer bereits als in jenen Monat fallend angesehen werden könne, der dem Monat vorangeht, in dem sie entrichtet wird. Diese Regelung diene ausschließlich der Vermeidung jener Härten, die sonst zwangsläufig in Kauf genommen werden müßten, wenn die Abgabepflichtigen die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer erst zu einem späteren Termin wieder als Vorsteuer angerechnet erhielten. Das von der Beschwerdeführerin vorsorglich gestellte Zahlungserleichterungsansuchen vom 9. Februar 1989 wäre seinem Wortlaut nach ausschließlich darauf gerichtet gewesen, die beim Zollamt Wien aushaftende Eingangsabgabenschuld bis zur Durchführung der beim Finanzamt für Körperschaften in Wien beantragten Überrechnung des dort bestehenden Guthabens zu stunden.

Für eine sofortige Entrichtung der Eingangsabgabenschuld hätte im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Finanzamt für Körperschaften in Wien zu erwartende Gutschrift keine Veranlassung bestanden.

Mit diesem Vorbringen vermengt die Beschwerdeführerin einerseits die Begriffe Guthaben und Gutschrift, andererseits den Betrag, welcher durch die erfolgte Überrechnung unabhängig von einer Stundung nach § 211 Abs. 1 lit. g BAO als getilgt anzusehen ist, und den Betrag, hinsichtlich dessen die belangte Behörde eine erhebliche Härte in der sofortigen, vollen Entrichtung verneint hat.

Der Begriff "Guthaben" ist ein Begriff der Abgabenverrechnung, der zum Ausdruck bringt, daß auf ein und demselben Abgabenkonto des Abgabepflichtigen per Saldo ein Überschuß zugunsten des Abgabepflichtigen besteht. Eine Gutschrift in bestimmter Höhe muß daher keineswegs zu einem Guthaben in gleicher Höhe führen. Haften auf dem Abgabenkonto eines Abgabepflichtigen Abgabenschuldigkeiten aus, so führt eine Gutschrift, die geringer ist als die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten, nicht zu einem Guthaben, sondern lediglich zu einer entsprechenden Minderung der aushaftenden Abgabenschuldigkeit (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1990, Zl. 86/13/0172).

Beschwerdegegenständlich ist die Ablehnung einer Stundung der nach Überrechnung und Teilzahlung verbliebenen Abgabenschuld in Höhe von S 49,555.980,-- mangels einer für die Abgabepflichtige mit erheblichen Härten verbundenen sofortigen vollen Entrichtung der Abgabe. Diese Abgabenschuld galt zum Fälligkeitszeitpunkt 15. Februar 1989 nicht deshalb als nicht entrichtet, weil die Überrechnung erst später erfolgte, sondern weil die beim Finanzamt für Körperschaften erwartete Gutschrift aus den oben angeführten Gründen nicht zu dem erwarteten Guthaben geführt hatte. Wenn, wie gegenständlich, eine Stundung bis zur Überrechnung des bestehenden Guthabens beantragt wird, die Überrechnung aber wie ausgeführt auf den Tag der Entstehung des Guthabens zurückwirkt, ist für die Beschwerdeführerin, abgesehen von einer nach § 218 Abs. 2 BAO zu setzenden Nachfrist, durch die "vorsorgliche" Einbringung eines gegebenenfalls form- und fristgerechten Stundungsansuchens dann nichts gewonnen, wenn oder soweit für eine Überrechnung kein entsprechendes Guthaben zur Verfügung steht, weil der Zeitpunkt, bis zu dem die Stundung beantragt wurde, im Hinblick auf § 211 Abs. 1 lit. g BAO mit dem Zeitpunkt der Entstehung des Guthabens zusammenfällt. Auf die Stundung eines gegebenenfalls aus der Überrechnung nicht gedeckten Fehlbetrages war das Ansuchen vom 5. Februar 1989 sowohl nach dem Beschwerdevorbringen als auch nach dem Inhalt des Ansuchens selbst nicht gerichtet, weil eine Stundung ausdrücklich nur bis zur Überrechnung des bestehenden Guthabens bzw. (laut Beschwerde) bis zur Durchführung der Überrechnung beantragt war.

Der Gerichtshof teilt daher die Ansicht der belangten Behörde, daß eine erhebliche Härte in der sofortigen Entrichtung des durch die Überrechnung nicht gedeckten Fehlbetrages nicht zu erblicken ist, auch wenn das beim Finanzamt für Körperschaften "erwartete" und dann mit einem geringeren Betrag zur Verfügung gestandene Guthaben aus einer in ursächlichem Zusammenhang mit der Eingangsabgabenschuld stehenden Gutschrift aus einer Umsatzsteuervoranmeldung resultiert.

Auch die Rüge, die belangte Behörde hätte die Stundung zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, "daß sie von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch machen könne, weil sich" das Unternehmen der Beschwerdeführerin "bekanntermaßen in einer guten wirtschaftlichen Situation befinde", ist nicht berechtigt: Einerseits hat es die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren völlig unterlassen, bezüglich des beschwerdeverfangenen Betrages eine sie treffende erhebliche Härte in der sofortigen Entrichtung der Abgabenschuld darzutun. Andererseits entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß für eine Ermessensentscheidung kein Raum bleibt, wenn die Behörde nach dem Ergebnis eines ordnungsgemäß abzuführenden Verfahrens zum Schluß kommt, die pünktliche Entrichtung könne keine erhebliche Härte bedeuten. Die Behörde muß diesfalls aus Rechtsgründen abweisen (vgl. Stoll, BAO, Handbuch, S. 513, und die dort zitierte Judikatur).

Dies hat die belangte Behörde sinngemäß aber ausgeführt, wenn

sie davon spricht, "... von dem ihr eingeräumten Ermessen

keinen Gebrauch" machen zu können, "da ... eine erhebliche

Härte nicht zu erblicken war".

Damit erweist sich der angefochtene Bescheid betreffend Abweisung eines Stundungsansuchens als nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG insoweit als unbegründet abzuweisen war.

2. § 217 Abs. 1 BAO lautet: "Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs. 2 bis 6 oder § 218 hinausgeschoben wird."

§ 218 Abs. 1 BAO lautet: "Wird ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs. 1) vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinne des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebracht und wird diesem Ansuchen stattgegeben, so tritt vor Ablauf des Zeitraumes, für den Zahlungserleichterungen bewilligt wurden, die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages erst dann ein, wenn infolge eines Terminverlustes (§ 230 Abs. 5) ein Rückstandsausweis (§ 229) ausgestellt wird."

§ 218 Abs. 2 lautet: "Wird einem gemäß Abs. 1 zeitgerecht eingebrachten Ansuchen um Zahlungserleichterungen nicht stattgegeben, so ist für die Zahlung der Abgabe eine Nachfrist von zwei Wochen zu setzen, mit deren ungenütztem Ablauf die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages eintritt."

Für den gegenständlichen Fall ist von entscheidender Bedeutung, ob ein Fristverlängerungsansuchen vor Ablauf der für die Entrichtung der Abgabe zur Verfügung stehenden Frist eingebracht wurde. Während die belangte Behörde der Ansicht ist, daß dies deshalb nicht der Fall ist, weil das Fristverlängerungsansuchen vom 9. Februar 1989 beim unzuständigen Zollamt Wien eingebracht und nach gemäß § 50 Abs. 1, 2. Satz BAO erfolgter Weiterleitung an das zuständige Zollamt Flughafen Wien erst nach der genannten Frist bei diesem einlangte, vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, daß das Zahlungserleichterungsansuchen richtigerweise und daher rechtzeitig beim Zollamt Wien eingebracht wurde.

Gemäß § 14 Abs. 8 AVOG kann der Bundesminister für Finanzen zur Vereinfachung des Verfahrens durch Verordnung die Zuständigkeit zur Vorschreibung und Einhebung von Zöllen und sonstigen Eingangsabgaben ganz oder teilweise von den örtlich im Einzelfall zuständigen Zollämtern auf andere Abgabenbehörden erster Instanz übertragen. Mit § 4 Abs. 1 der Verordnung vom 11. Dezember 1979, BGBl Nr 579 idgF, wurde dem Zollamt Wien die Zuständigkeit zur Einhebung der Eingangsabgaben übertragen, die von den Zollämtern Personen vorgeschrieben werden, denen nach § 175 Abs. 3 oder 4 ZollG eine Zahlungsfrist zusteht oder mit Bescheid eingeräumt wurde. Gemäß § 4 Abs. 3 der Verordnung sind von der Übertragung der Zuständigkeit nach Abs. 1 lit. a und 2 lit. a die Erledigung von Anträgen auf Aussetzung der Einhebung, von Ansuchen um Zahlungserleichterungen, Nachsichten (Zollerlaß aus Billigkeitsgründen) und Entlassungen aus der Gesamtschuld sowie die Geltendmachung von Ersatzforderungen ausgenommen.

Der Ansicht der belangten Behörde, wonach diese gesetzlichen Bestimmungen die sachliche und örtliche Zuständigkeit u.a. für Zahlungserleichterungsansuchen unberührt lassen, kann nicht gefolgt werden:

Die Einhebung der Abgaben wird im 6. Abschnitt der Bundesabgabenordnung geregelt. Dieser Abschnitt umfaßt die §§ 210 bis 242 und somit auch die die Zahlungserleichterungen regelnde gesetzliche Bestimmung des § 212 BAO. Wenn durch § 4 Abs. 1 der genannten Verordnung die Zuständigkeit zur Einhebung bestimmter Eingangsabgaben dem Zollamt Wien übertragen wird, bedeutet dies, daß grundsätzlich für alle die Einhebung der betreffenden Eingangsabgaben regelnden Maßnahmen im Sinne des 6. Abschnittes der BAO die Zuständigkeit diesem Zollamt übertragen ist. Eine Ausnahme davon ist ausdrücklich im § 4 Abs. 3 der genannten Verordnung normiert, diese betrifft aber lediglich die ERLEDIGUNG von u.a. Zahlungserleichterungsansuchen.

Es muß daher davon ausgegangen werden, daß Zahlungserleichterungsansuchen zuständigerweise bei dem Zollamt eingebracht werden können, dem die Zuständigkeit zur Einhebung der Abgaben übertragen wurde.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Die Einhebung der Abgaben fällt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes in die sachliche Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz. Zu den Maßnahmen der Einhebung sind auch die gesetzlichen Bestimmungen des § 212 a BAO zu rechnen. Gemäß § 212 a Abs. 5 lit. b BAO endet der die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung darstellende Zahlungsaufschub mit Ablauf der Aussetzung, welcher anläßlich einer über die Berufung ergehenden Berufungsentscheidung zu verfügen ist. Für die Erlassung dieses Bescheides ist somit die Abgabenbehörde erster Instanz zuständig.

Die Obliegenheiten und Befugnisse der Abgabenbehörde erster Instanz stehen der Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 279 Abs. 1 BAO nur im Berufungsverfahren, d.h. in einem Verfahren zu, welches bereits Gegenstand eines erstinstanzlichen Verfahrens war. Eine erstinstanzliche Verfügung über den Ablauf der Aussetzung wurde nicht erlassen. Zwar erfolgte die Bewilligung über die Aussetzung der Einhebung nach Berufung in zweiter Instanz, doch war Gegenstand dieses Verfahrens die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung und nicht deren Ablauf. Auch das unter 2. angeführte Verfahren, aus dessen Anlaß die Aussetzung der Einhebung letztlich erfolgte, hatte einen anderen Gegenstand zum Inhalt.

Wenngleich die Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des nunmehr bekämpften Bescheides von der Beschwerdeführerin nicht gerügt wurde, war dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, weil diese Rechtswidrigkeit gemäß § 41 VwGG von Amts wegen wahrzunehmen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren an weiteren S 420,-- Stempelgebühren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführerin ein Kostenzuspruch für Beilagenstempelgebühr betreffend den im Spruch unter 1. genannten Bescheid nicht zusteht und die im Spruch unter 2. und 3. genannten Bescheide nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen waren.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, daß der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit der Entscheidung in der Hauptsache gegenstandslos wird.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991160066.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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