TE Vwgh Beschluss 1992/1/8 AW 91/12/0033

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Veröffentlicht am 08.01.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
64/03 Landeslehrer;

Norm

LDG 1984 §19;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des H in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, der gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 19. August 1991, Zl. IIa-L/Ho, betreffend Versetzung, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 19 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984 - LDG 1984, von Amts wegen unter Aufhebung seiner derzeitigen Zuweisung zur Gewerblichen Berufschule II B ab Beginn des Schuljahres 1991/1992 an die Gewerbliche Berufschule F versetzt. Nach der ausführlichen (für die vorliegende Entscheidung relevanten) Begründung des Bescheides habe sich durch die Art und Weise, wie bestehende Differenzen vom Beschwerdeführer und seiner Gruppe in die Öffentlichkeit getragen und private Äußerungen und Äußerungen von Kollegen in Konferenzen oder Arbeitsgruppen entstellt und aus dem Zusammenhang gerissen veröffentlicht worden seien, das Betriebsklima an der Gewerblichen Berufschule II B sehr verschlechtert. Es sei in der Lehrerschaft der Schule eine Atmosphäre gegenseitigen Mißtrauens entstanden, die ein gedeihliches Zusammenarbeiten nicht mehr erwarten lasse. Die Versetzung des Beschwerdeführers sei notwendig, um dieses bestehende gegenseitige Mißtrauen unter der Lehrerschaft abzubauen und wiederum auf der Grundlage einer neuen Vertrauensbasis ein gedeihliches Betriebsklima zu erzielen. Da gemäß § 19 Abs. 4 LDG 1984 auf die sozialen Verhältnisse des Landeslehrers nur soweit Rücksicht zu nehmen sei, als dienstliche Interessen nicht gefährdet würden, habe sich ein weiteres Eingehen auf den Hinweis des Beschwerdeführers in den Einwendungen über die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse erübrigt.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Zur Begründung brachte er vor, es liege bei ihm der seltene Fall vor, daß trotz der gesetzlichen Bestimmung des § 19 Abs. 6 LDG 1984 eine Berufung gegen den Bescheid nicht möglich sei. Dies ergebe sich auf Grund der Bestimmungen des Vorarlberger Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes, wonach zwar die Diensthoheit über die Landeslehrer für öffentliche Volks-, Haupt- und Sonderschulen den Bezirksverwaltungsbehörden zukomme, bei Lehrern an der gewerblichen Berufschule aber die Zuständigkeit der Landesregierung gegeben sei. Dies sei verfassungsrechtlich zumindest bedenklich (Gleichheitsgrundsatz). Denn von einer so differenzierten Zuständigkeit sei der Gesetzgeber bei der Abfassung des LDG 1984 offensichtlich nicht ausgegangen, sondern davon, daß gegen eine Versetzung jedenfalls eine Berufung möglich sei. Deshalb sei es im vorliegenden Fall mangels der Möglichkeit einer Berufung geboten, der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zwingende öffentliche Interessen stünden dem nicht entgegen. Ohne eine aufschiebende Wirkung bestehe die Gefahr, daß die Beschwerde praktisch bedeutungslos werde, "da die Wirkung des ergangenen Bescheides solange unabänderlich eintritt, als ich bis zur Aufhebung des Bescheides an der Schule in F unterrichten muß". Dadurch ergäben sich für den Beschwerdeführer unverhältnismäßige Nachteile, die er bereits in den Einwendungen erwähnt habe, nämlich, daß er von seiner frühreren Schule nur in einer Entfernung von 2,5 km gewohnt habe und diese Schule entweder mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad habe erreichen können, während die Schule, an die er versetzt worden sei, von seinem Wohnort 35 km entfernt sei. F sei darüber hinaus von seinem Wohnort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur sehr schwer erreichbar. Er müsse zunächst mit dem Bus nach B fahren und von dort mit dem Zug nach F. Die gewerbliche Berufschule in F sei wiederum 2 km vom Bahnhof in F entfernt.

Die belangte Behörde beantragte in ihrer Stellungnahme zum Antrag, ihn abzuweisen, weil zwingende öffentliche Interessen der Aufschiebung entgegenstünden. Denn, ausgehend von der oben wiedergegebenen Bescheidbegründung, dürfte es wohl einsichtig sein, daß das Bestehen eines auf gegenseitiger Achtung und Vertrauen zwischen Direktion und Lehrerschaft sowie unter der Kollegenschaft beruhenden Betriebsklimas eine wesentliche Voraussetzung dafür sei, daß die Schule ihrem gesetzlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag im Sinne der Bestimmungen des Schulorganisationsgesetzes erfüllen könne. Es bestehe daher ein zwingendes öffentliches Interesse daran, Faktoren, die geeignet seien, ein solches gutes Betriebsklima an der Schule wesentlich zu stören, auszuschalten. Eine derzeitige Rückkehr des Beschwerdeführers an die Gewerbliche Berufschule II B wäre ohne Zweifel ein solcher wesentlicher Störungsfaktor.

Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt den Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Nach § 30 Abs. 2 leg. cit. hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Anspruch auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat ein Beschwerdeführer demnach nur dann, wenn beide im § 30 Abs. 2 VwGG angeführten Voraussetzungen vorliegen. Auf die Regelung der aufschiebenden Wirkung in den Verwaltungsvorschriften, die für das dem angefochtenen Bescheid vorangehende Verwaltungsverfahren gelten, insbesondere darauf, ob in diesem Verwaltungsverfahren überhaupt die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung in Betracht kommt, kommt es nicht an. Entgegen der Antragsbegründung ist demnach die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht "mangels der Möglichkeit einer Berufung geboten". Ob die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Zuständigkeitsregelung verfassungskonform ist, kann in diesem Stadium des Verfahrens mangels Präjudizialität für die vorliegende Entscheidung auf sich beruhen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen, wenn das in der Beschwerde selbst erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers nach der Aktenlage nicht von vornherein als zutreffend zu erkennen ist, weil in diesem Verfahren die Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu überprüfen ist (vgl. u.a. die Beschlüsse vom 20. Juni 1988, Zl. AW 88/12/0008, und vom 14. August 1987, Zl. AW 87/12/0010, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Der Beschwerdeführer setzt sich in seiner Antragsbegründung mit der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht auseinander; in den Beschwerdeausführungen meint er dazu lediglich, es könnte dadurch, daß bei seiner Belassung in B das Betriebsklima angeblich weiterhin schlecht sei, von einer Gefährdung dienstlicher Interessen noch nicht gesprochen werden. Eine solche wäre allenfalls anzunehmen, wenn der Dienstzweck, nämlich die Durchführung des Unterrichtes, gefährdet wäre. Im übrigen hätte die belangte Behörde ausführen müssen, wieso sie meine, daß bei einer Abstandnahme von der Versetzung die dienstlichen Interessen gefährdet würden.

Demgegenüber geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides im Sinne der Ausführungen in der Stellungnahme der belangten Behörde zum Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu verstehen ist. Das erweist nicht nur der in dieser Stellungnahme zutreffend angesprochene innere Bezug zwischen dem Betriebsklima und der Erfüllung des gesetzlichen Erziehungs- und Bildungsauftrages in der Schule, sondern auch die Darlegung in der Bescheidbegründung zur Entbehrlichkeit der an sich gebotenen Rücksichtnahme auf die sozialen Verhältnisse des zu Versetzenden.

Demnach ist - vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage - im vorliegenden Provisorialverfahren entsprechend den Annahmen der belangten Behörde in der Bescheidbegründung davon auszugehen, daß die Versetzung des Beschwerdeführers deshalb notwendig ist, um das bestehende gegenseitige Mißtrauen unter der Lehrerschaft der obgenannten Schule abzubauen und wiederum auf der Grundlage einer neuen Vertrauensbasis ein gedeihliches Betriebsklima zu erzielen und dadurch eine entsprechende Erfüllung des Erziehungs- und Ausbildungsauftrages zu gewährleisten. Diese Umstände stellen aber - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der belangten Behörde - zwingende öffentliche Interessen dar, die dem Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, entgegenstehen. Eine Interessenabwägung im Sinne der zweiten nach § 30 Abs. 2 VwGG erforderlichen Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht vorzunehmen (vgl. u.a. den schon zitierten Beschluß vom 20. Juni 1988, Zl. AW 88/12/0008).

Dem Antrag des Beschwerdeführers konnte deshalb nicht stattgegeben werden.

Schlagworte

InteressenabwägungEntscheidung über den AnspruchAnspruch auf Zuerkennung Rechtzeitigkeit VfGHBegriff der aufschiebenden WirkungZwingende öffentliche InteressenBesondere Rechtsgebiete Beamten-Dienstrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:AW1991120033.A00

Im RIS seit

08.01.1992

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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