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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Salzburg gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom 6. Juni 1991, Zl. 68-GA4BK-DVie/91, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1988 (Mitbeteiligter: J in A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten zu Handen der oben genannten Rechtsanwälte Aufwendungen in der Höhe von S 11.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist Kunstmaler und Restaurator, der seine Einkünfte gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 ermittelte. Seine Künstlereigenschaft nach § 4 Z. 17 dUStG wurde von der Gutachterkommission für Malerei und Plastik für das Land Bayern anerkannt. Er ist als Künstler ausgebildet und wird, wie einer Bestätigung des Bundesdenkmalamtes, Landeskonservator für Salzburg, zu entnehmen ist, dieser Ausbildung entsprechend mit Aufträgen betraut, die fachlich weit über dem handwerklichen und restauratorischen Niveau liegen und hohe künstlerische Fähigkeiten voraussetzen. Es handelt sich dabei, wie der Mitbeteiligte im Verwaltungsverfahren unwiderlegt vorgetragen hat, um Aufträge, weitgehend zerstörte Kunstwerke, für deren Restaurierung es an entsprechenden Unterlagen fehlt, großteils zu ergänzen, was in diesem Bereich eine schöpferische Neugestaltung erfordere.
Das Finanzamt veranlagte den Mitbeteiligten abweichend von seinen Steuererklärungen für das Streitjahr zu den oben angeführten Abgaben nicht als Künstler bzw. künstlerisch Tätigen, sondern mit den Umsätzen zum Normalsteuersatz bzw. zu den Ertragsteuern mit Einkünften aus Gewerbebetrieb. Zur Begründung berief sich das Finanzamt auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1987, 86/14/0041 und 0078, ÖStZB 1988, 261, wonach ein Restaurator keine künstlerische, sondern eine kunsthandwerkliche Tätigkeit entfalte.
Der Mitbeteiligte berief gegen diesen Bescheid. Er behauptete, daß die erwähnten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes auf ihn nicht zutreffen, weil er nicht in diesem Sinne Restaurator sei, sondern in Fällen herangezogen werde, in denen sich das zerstörte Kunstwerk nicht mehr bloß rekonstruieren lasse, sondern neu geschaffen werden müsse, wobei er eigenschöpferisch als Künstler tätig werde. Soweit er Restauratorarbeiten übernehme, lasse er diese durch freie Mitarbeiter verrichten, die diese ihre Umsätze zum Normalsteuersatz und ihre Einkünfte als solche aus gewerblicher Tätigkeit versteuerten. Eine Trennung lasse sich für das Streitjahr nur mehr an Hand der an die freien Mitarbeiter bezahlten Entgelte schätzen. Der Mitbeteiligte erstattete hiezu einen entsprechenden Schätzungsvorschlag.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und veranlagte den Mitbeteiligten gemäß seinem Schätzungsvorschlag. Danach waren die Einkünfte aus Gewerbebetrieb negativ, sodaß keine Gewerbesteuer anfiel. Bei der Umsatzsteuer wurde auf die Umsätze als Künstler der Steuersatz von 10 % angewendet, auf die übrigen Umsätze der Normalsteuersatz. Die Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit wurden einkommensteuerrechtlich als solche aus selbständiger Arbeit gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 behandelt, weshalb sich aus ihnen auch kein Gewerbeertrag ergab. Die belangte Behörde gelangte aufgrund der im Berufungsverfahren vorgelegten Fotografien und des Vortrages des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis, daß die Rechtsprechung betreffend Restauratoren auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Die Wand- und Deckengemälde seien in einem sehr schlechten Zustand und teilweise überhaupt zur Gänze zerstört gewesen. Der ursprüngliche Zustand hätte oft nur anhand von Skizzen, welche die Figuren in einer Größe von einem Zentimeter darstellten und die in schwarz/weiß gehalten gewesen seien, wieder hergestellt werden sollen. Der Beschwerdeführer habe auf sehr großen Flächen (zum Beispiel 40 Meter Umfang) ein Werk völlig neu entstehen lassen. Eine derartige Tätigkeit verlange ein hohes Maß an künstlerischer Begabung und sei als eigenschöpferisch zu bezeichnen, weil an den Wänden nur mehr wenige Reste des Originals vorhanden gewesen seien. Das Ergebnis dieser Tätigkeit sei als Kunstwerk zu bezeichnen. Diese Tätigkeit des Beschwerdeführers weise überwiegend künstlerische Elemente auf, sodaß die daraus erzielten Einkünfte zur Gänze als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu qualifizieren seien. Die mit 20 % zu versteuernden Restaurierungsarbeiten im herkömmlichen Sinn seien von freien Mitarbeitern durchgeführt worden, die ihre Erlöse wiederum mit 20 % Umsatzsteuer belasteten und diese Abgabe neben der Gewerbesteuer auch abführten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion, mit der jener insoweit angefochten wird, als die belangte Behörde die Umsätze als solche eines Künstlers und die Einkünfte/die Erträge als solche aus künstlerischer Tätigkeit behandelte. Der Beschwerdeführer behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Mitbeteiligte beantragte in seiner Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer verweist auf die bereits zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1987 und auf ein auf diese Erkenntnisse verweisendes Folgeerkenntnis. Er erblickt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit darin, daß die belangte Behörde dem Begriff "eigenschöpferisch" zu wenig Beachtung geschenkt bzw. dessen Bedeutung verkannt habe. Um hievon sprechen zu können, müsse ein völlig neues, bisher nicht dagewesenes Kunstwerk nach eigenen Ideen, Vorstellungen und Skizzen verwirklicht werden, durch den eigenschöpferischen Akt müsse ein Original entstehen. Aufgabe des Mitbeteiligten sei es, restaurierungsbedürftige Kunstwerke wiederherzustellen und zu konservieren, er dürfe nicht seine Vorstellungen an die Stelle jener des eigentlichen Künstlers, des Schöpfers des Originals setzen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:
In den vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnissen ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß die Tätigkeit des Restaurators darin bestand, Kunstwerke nach Möglichkeit wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen und zu konservieren. Diese Tätigkeit führe, möge sie auch künstlerische Techniken erfordern, nicht zum Entstehen eines eigenschöpferischen Werkes, selbst wenn der Restaurator darum bemüht sei, die schöpferische Tätigkeit des Künstlers geistig nachzuempfinden und gleichsam dessen Schöpfungsakt nachzuvollziehen.
Einen solchen Sachverhalt hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt. Sie ging vielmehr in Übereinstimmung mit dem unwiderlegten Sachvortrag des Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren, den vorliegenden Urkunden und von der Behörde eingesehenen Fotografien davon aus, daß es sich bei der Tätigkeit des Mitbeteiligten nicht darum handelte, ein Kunstwerk in den ursprünglichen Zustand zu versetzen und zu konservieren, sondern ein eigenes Kunstwerk anstelle oder in Ergänzung eines verschwundenen, nicht mehr oder zum Großteil nicht mehr rekonstruierbaren Werkes neu zu schaffen. Der Mitbeteiligte wurde nämlich in dem hier allein strittigen Bereich seiner Tätigkeit - die Einkünfte aus Restauratorentätigkeit, die von freischaffenden Mitarbeitern vorgenommen wurde, behandelte die belangte Behörde ohnedies als solche aus Gewerbebetrieb - nur mit Aufgaben betraut, bei denen wegen des weitgehenden Ausmaßes der Zerstörung des Kunstwerkes und der unzureichenden Anhaltspunkte über das Aussehen des Werkes dessen Restaurierung im Sinne einer Wiederherstellung nicht mehr möglich war und deshalb auch Restauratoren im herkömmlichen Sinn nicht herangezogen werden konnten. Folglich war es Aufgabe des Mitbeteiligten, Ersatz- oder Ergänzungskunstwerke durch Neuschöpfung herzustellen, wenn auch im Geiste der verlorengegangenen Werke.
So wie die Ergänzung eines durch den Künstler unvollendet gebliebenen Werkes durch einen anderen Künstler ein eigenschöpferisches Kunstwerk sein kann, dies unabhängig davon, ob es sich um ein Werk der Musik, der Literatur, der bildenden Kunst oder der Architektur handelt, so kann auch die Ergänzung eines nachträglich unvollständig gewordenen und nicht mehr vollständig rekonstruierbaren Kunstwerkes seinerseits ein Kunstwerk darstellen, wenn es sich dabei um eine eigenschöpferische, künstlerische Leistung handelt. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den in der Judikatur entwickelten allgemeinen Grundsätzen für die Beurteilung als künstlerische Tätigkeit (vgl. hinsichtlich dieser Grundsätze etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1986, 84/14/0017, ÖStZB 1987, 11, und vom 7. September 1990, 90/14/0075, ÖStZB 1991, 304, sowie die in diesen Entscheidungen zitierte Vorjudikatur).
Der Umstand, daß sich der das Werk ergänzende Künstler am Geist des zu ergänzenden Kunstwerkes orientiert, nimmt dem Ergänzungswerk ebensowenig den eigenschöpferischen Charakter wie die Orientierung an bereits vorhandenen Kunstwerken in der Kunst im allgemeinen, es läge denn bloße Nachahmung vor.
Der Mitbeteiligte ist ausgebildeter Künstler, er wurde im Hinblick auf seine Eigenschaft als Künstler mit der Ergänzung großteils unrekonstruierbar zerstörter Kunstwerke beauftragt. Dies spricht im Sinne der Judikatur (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis vom 21. Jänner 1986) für die Annahme künstlerischer Tätigkeit. Die belangte Behörde hat sich überdies aufgrund des Sachvortrages des Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren, der von ihm vorgelegten Urkunden und Fotografien von der entfalteten Tätigkeit Kenntnis verschafft. Wenn die belangte Behörde auf diesen Grundlagen zur Überzeugung gelangte, daß die Tätigkeit des Mitbeteiligten bei Ergänzung unvollständig gewordener Kunstwerke ihrerseits künstlerisch war, weil die Herstellung der Ergänzungswerke nach den für ein umfassendes Kunstfach (Malerei) charakteristischen Gestaltungsprinzipien erfolgte, eine weitreichend künstlerische Ausbildung und Begabung erforderte und das Ergänzungswerk das Überwiegen eigenschöpferischer Werte erkennen lasse, so ist darin kein Rechtsirrtum zu erblicken, weil diese Beurteilung der geschilderten Rechtslage entspricht.
Was jedoch den von der belangten Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegten Sachverhalt anlangt, hat der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anfechtungsgrundes der inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 41 VwGG vom angefochtenen Bescheid auszugehen und daher den überwiegend eigenschöpferischen Charakter der Kunstwerkeergänzungen durch den Beschwerdeführer seiner Nachprüfung der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde zu unterstellen, sofern der Sachverhalt in einem gesetzmäßigen Verfahren gewonnen wurde. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird jedoch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag von Amts wegen aber nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hätte, bei deren Vermeidung sie zu einer anderen Entscheidung hätte gelangen können.
Der Rechtsrüge des Beschwerdeführers kann daher auch darin nicht gefolgt werden, daß für die - im Schätzungswege - vorgenommene Trennung zwischen künstlerischer Tätigkeit und Restaurierungsarbeiten, die von Mitarbeitern durchgeführt wurden, "kein Raum" geblieben wäre. Nach der Aktenlage bietet sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die belangte Behörde die Schätzung "ungeprüft" übernommen habe, wie der Beschwerdeführer behauptet. Selbst eine ungeprüfte Übernahme könnte der Beschwerde jedoch nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn der Beschwerdeführer Unrichtigkeit der Schätzung nachzuweisen vermöchte. Einen solchen Versuch hat er nicht unternommen. Nach der Aktenlage bestehen auch von Amts wegen beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die im Schätzungsweg vorgenommene Aufteilung.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Danach steht an Schriftsatzaufwand nur der Pauschbetrag und nicht zusätzlich der Ersatz von Umsatzsteuer zu. Das betreffende Mehrbegehren war daher abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991140204.X00Im RIS seit
14.01.1992