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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §4 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des Dr. E in D, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 18. Juni 1991, Zl. B 46-3/91, betreffend Einkommensteuer 1985 bis 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist in der Steiermark als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde tätig. Seinen Gewinn ermittelt er gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972. Rund ein Fünftel seines Umsatzes entfällt auf Kieferorthopädie. Der Beschwerdeführer betreibt aus diesem Grund kontinuierlich kieferorthopädische Fortbildung an der Universität Innsbruck mit Zustimmung des Vorstandes der betreffenden Universitätsklinik. Nach unwiderlegter Darstellung des Beschwerdeführers gibt es im Bundesgebiet für einen niedergelassenen Zahnarzt praktisch keine andere Fortbildungsmöglichkeit auf dem erwähnten Gebiet, weshalb der Beschwerdeführer die Schwierigkeiten der Reise und der Besorgung eines Quartiers in Innsbruck in Kauf genommen hat. Zur Lösung des Unterkunftsproblems erwarb er 1984 in Nähe der Klinik eine Eigentumsgarconniere mit einer Wohnfläche von rund 34 m2. Für die Fortbildungszwecke benötigt der Beschwerdeführer Gipsmodelle, Fernröntgenaufnahmen und "Rö-Betrachter". Diese Arbeits- und Diagnoseunterlagen muß er, um bei jeder Reise "große Gepäckmitnahme" zu vermeiden, am Fortbildungsort aufbewahren.
Aufgrund einer Betriebsprüfung über den Streitzeitraum entstand Meinungsverschiedenheit über die Zugehörigkeit der Garconniere zum notwendigen Betriebsvermögen und damit über die Betriebsausgabeneigenschaft der Aufwendungen für die Wohnung (jährlich S 50.400,--). Der Beschwerdeführer behauptete die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen mit der Begründung, die Wohnung werde von ihm ausschließlich zu den genannten Fortbildungszwecken benötigt und verwendet. Das Finanzamt verneinte dem Prüfer folgend die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen und anerkannte an Betriebsausgaben für den Fortbildungszweck geschätzte Nächtigungskosten von jährlich S 10.000,--.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung des Finanzamtes als unbegründet ab. Laut Berufungsvorentscheidung und einem Vorhalt der Behörde habe der Beschwerdeführer die Wohnung zu beruflicher Weiterbildung in den Streitjahren zu 26, 19, 39 und 31 Nächtigungen benützt. Da der Beschwerdeführer die Aufwendungen lediglich geschätzt habe, müsse auch eine private Nutzung angenommen werden. Zur Aufschlüsselung durch die belangte Behörde aufgefordert, an welchen Tagen sich der Beschwerdeführer in Innsbruck aufgehalten habe, habe dieser 64, 73, 107 und 78 Nächte angegeben. Stelle man diese Anzahl der von der Betriebsprüfung ermittelten Anzahl an Nächtigungen aus betrieblichen Gründen gegenüber, so sei ersichtlich, daß sich der Beschwerdeführer zum Großteil aus privaten Gründen in Innsbruck aufgehalten habe. Dies werde auch erkennbar, wenn man die Aufenthaltstage genauer betrachte, da es sich dabei unter anderem um Weihnachten, Silvester, Energieferien, Ostern, Pfingsten und sehr viele Wochenenden gehandelt habe. Dies spreche eindeutig gegen die Annahme einer ausschließlichen oder fast ausschließlichen betrieblichen Verwendung. Aus diesem Grund erübrige es sich, auf die Frage der Kostenersparnis einzugehen, die dem Begehren ebenfalls nicht hätte zum Erfolg verhelfen können.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht verletzt, daß seine Aufwendungen für die Wohnung als Betriebsausgaben anerkannt werden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem zuerst genannten Grund.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aufwendungen für eine Kleinwohnung, die ausschließlich auf durch den Betrieb veranlaßten Reisen als Unterkunft dient, sind Betriebsausgaben (vgl. VwSlg. 5331 F/1978). Es bedarf hiezu der tatsächlichen, überwiegenden betrieblichen Verwendung (Erkenntnis 13. September 1988, 87/14/0162, ÖStZB 1989, 83). Die Wohnung muß also ausschließlich oder fast ausschließlich als Unterkunft auf betrieblich veranlaßten Reisen verwendet werden; private Zwecke für das Halten der Wohnung - so etwa als Aufenthalt bei Privatreisen, als zweiter Haushalt oder als private Vermögensanlage - müssen praktisch ausscheiden. Private Vermögensanlage wird allerdings im allgemeinen nicht anzunehmen sein, wenn die ausschließlich als Unterkunft auf betrieblich veranlaßten Reisen oder als Büro verwendete eigene Wohnung auf längere Sicht geringere Aufwendungen verursacht als eine Fremdunterkunft (Erkenntnis 16. September 1986, 86/14/0017, ÖStZB 1987, 239). Für die Beurteilung, ob ein Wirtschaftsgut dem notwendigen Betriebsvermögen zuzurechnen ist, sind die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Beschaffenheit des Betriebes und des Berufszweiges des Steuerpflichtigen sowie die Verkehrsauffassung, nicht aber subjektive Motive, wie zum Beispiel der Grund der Anschaffung, maßgebend (Erkenntnis 21. Oktober 1986, 84/14/0054, ÖStZB 1987, 334). Dies alles gilt auch im Fall der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, 2. Aufl., Tz 64 ff zu § 4).
Dem angefochtenen Bescheid ist nicht entnehmbar, daß sich die belangte Behörde nicht von dieser Rechtslage hätte leiten lassen. Der Vorwurf inhaltlicher Rechtswidrigkeit ist daher unberechtigt, weshalb eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesem Grund nicht in Frage kommt.
Der Verwaltungsgerichtshof ist an die Beschränkung des Aufhebungsantrages wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nicht gebunden. Er hat daher im Rahmen des Beschwerdepunktes auch die Frage der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu beantworten. Der Vorwurf dieser Rechtswidrigkeit ist berechtigt:
Verfehlt ist die Ansicht der belangten Behörde, eine private Nutzung der Wohnung müsse angenommen werden, weil der Beschwerdeführer die Aufwendungen für die Wohnung lediglich geschätzt habe. Zwischen der Schätzung der Höhe von Aufwendungen und ihrer Qualität als Betriebsausgaben besteht kein Zusammenhang. Das betreffende Begründungselement widerspricht den Denkgesetzen und ist daher ungeeignet, die Feststellung zu untermauern, es habe private Nutzung stattgefunden.
Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, daß die belangte Behörde davon ausgegangen ist, die vom Beschwerdeführer in der Beantwortung der Anfrage der belangten Behörde vom 29. März 1991 erwähnten Übernachtungen seien insoweit nicht betrieblich veranlaßt, als sie die Anzahl der von der Betriebsprüfung festgestellten Übernachtungen überstiegen. Weder dem Vorhalt der bei der Betriebsprüfung festgestellten Anzahl der Nächtigungen vom Jänner 1990 noch der Anfrage vom März 1991 (Aufforderung zur Aufschlüsselung, an welchen Tagen des Streitjahres sich der Beschwerdeführer in Innsbruck aufgehalten habe) war entnehmbar, daß davon auszugehen sei, der Beschwerdeführer habe sich nur an den von der Betriebsprüfung festgestellten Tagen durch die Einkunftsquelle veranlaßt in Innsbruck aufgehalten und der Beschwerdeführer solle die Tage mitteilen, an denen er sich einerseits privat, andererseits betrieblich veranlaßt in Innsbruck aufgehalten habe. Die von der belangten Behörde angestellte Subtraktion entbehrt daher einer Grundlage im Ermittlungsverfahren. Die Beantwortung der Anfrage vom März 1991 durch den Beschwerdeführer wäre von der belangten Behörde so zu verstehen gewesen, daß der Beschwerdeführer über die vom Prüfer als betrieblich veranlaßt angesehen Aufenthaltstage hinaus auch noch weitere betrieblich veranlaßte Aufenthalte behauptet.
Abgesehen davon war dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 4. Februar 1991 entnehmbar, daß er zur Vermeidung zu großen Gepäcks - laut dem in den Akten erliegenden Schreiben an den Klinikvorstand vom 6. Februar 1986 benützt der Beschwerdeführer für die Überwindung der Strecke Graz-Innsbruck eine Flugverbindung - seine Arbeits- und Diagnoseunterlagen in Innsbruck aufbewahrt. Dieser Verwendungszweck der Wohnung würde vernachlässigt, wollte man nur die Tage der Anwesenheit des Beschwerdeführers in Innsbruck der betrieblichen Verwendung der Wohnung zurechnen. Die belangte Behörde hat die betreffende Behauptung des Beschwerdeführers mit Stillschweigen übergangen und auch solcherart in einem wesentlichen Punkt den Sachverhalt ohne ausreichende Begründung unaufgeklärt gelassen.
Da die belangte Behörde mit dem Beschwerdeführer nie erörtert hat, an welchen Tagen des Streitzeitraumes er in Innsbruck an der Universitätsklinik seiner Fortbildungstätigkeit nachgegangen ist und welchen Zeitraum er jeweils für diesen Zweck in Innsbruck Aufenthalt nehmen mußte, konnte sie auch aus der Tatsache, daß einige der vom Beschwerdeführer genannten Aufenthaltstage auf Feiertage und Wochenenden entfallen, nicht die private Veranlassung des Aufenthaltes in Innsbruck an diesen Tagen erschließen. Mangels entsprechender Ermittlungsergebnisse läßt sich zur Zeit nicht ausschließen, daß Fortbildungsveranstaltungen auch an Feiertagen und Wochenenden stattfanden. Außerdem weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, daß die Zumutbarkeit des Umfangs der Reisebewegung Berücksichtigung finden muß. "Fenstertage" etwa, für die es sich bei objektiver Betrachtung nicht lohnte, Heimfahrten anzutreten, dürften daher nicht der privaten Sphäre zugezählt werden, sondern müßten als betrieblich veranlaßter Aufenthalt angesehen werden. In diesem Zusammenhang hätte auch die jeweils tatsächlich gewählte Verkehrsverbindung geklärt werden müssen, weil die Bemerkung im Schreiben vom 6. Februar 1986 noch nicht zur Feststellung berechtigt, der Beschwerdeführer sei nur mit dem Flugzeug gereist.
Was die Frage der Kostenersparnis anlangt, fehlt der abschließenden Behauptung im angefochtenen Bescheid, auch deren Klärung hätte dem Beschwerdeführer nicht zum Erfolg verhelfen können, jede nachprüfbare Begründung. In diesem Zusammenhang wäre im übrigen ebenfalls von Bedeutung gewesen, ob der Beschwerdeführer die Wohnung tatsächlich auch zur Aufbewahrung schwer zu transportierender "Arbeits- und Diagnoseunterlagen" während jener Zeiten verwendet hat, in denen er nicht in Innsbruck war. Hätte er nämlich die Wohnung nicht für den Betrieb gewidmet, hätte er zu diesem Aufbewahrungszweck möglicherweise eigens einen Raum mieten müssen, dessen fiktive Kosten bei der Frage der Kostenersparnis ebenfalls in Anschlag zu bringen gewesen wären.
Die belangte Behörde hat daher den wesentlichen Sachverhalt nicht in einem gesetzmäßigen Verfahren aufgeklärt, auf Grund eines solchen Verfahrens festgestellt und die Feststellung schlüssig begründet. Solcherart hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte gelangen können. Hiedurch wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzt.
Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991140198.X00Im RIS seit
14.01.1992