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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / WillkürLeitsatz
Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbes wegen fehlender Fachkenntnisse des Erwerbers auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft; Willkür wegen gröblichen Verkennens der RechtslageSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters die mit S 11.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Das Bezirksgericht Mödling hat im Zuge eines Versteigerungsverfahrens mit Beschluß vom 25. September 1987 dem Beschwerdeführer als Meistbieter den Zuschlag der Liegenschaften EZ 18, 116 und 328 KG Grub im Ausmaß von 8,5282 ha um das Gebot von 2,6 Millionen Schilling erteilt.
b) Die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirks-Bauernkammer Mödling am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Mödling hat mit Bescheid vom 10. Dezember 1987 unter Berufung auf §8 Abs2 lita NÖ Grundverkehrsgesetz 1973, LGBl. 6800-3, (im folgenden: NÖ GVG 1973) ausgesprochen, daß die Übertragung des Eigentums an diesen Liegenschaften auf den Beschwerdeführer dem §13 Abs1 dieses Gesetzes nicht entspreche.
c) Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 13. April 1988 unter Berufung auf §66 Abs4 AVG 1950 iVm §1 Abs1, §6 Abs3 sowie §8 Abs1 und 2 lita und d NÖ GVG 1973 abgewiesen.
In der Begründung ihres Bescheides ging die belangte Behörde, einer Stellungnahme der Bezirks-Bauernkammer Mödling und einem Gutachten des Amtssachverständigen folgend, im wesentlichen davon aus, daß es sich bei den in Rede stehenden Liegenschaften um landwirtschaftliche Liegenschaften im Sinne des §1 Abs2 NÖ GVG 1973 handle und daß der Beschwerdeführer (der unbestrittenermaßen kein Vollerwerbslandwirt ist) nicht als Nebenerwerbslandwirt angesehen werden könne. Sie stützte sich dabei im wesentlichen darauf, daß der Beschwerdeführer - Absolvent einer Handelsakademie und hauptberuflich als spieltechnischer Angestellter der Casinos Austria AG in Baden bei Wien beschäftigt - (lediglich) Eigentümer von 10 Trabrennpferden, davon 4 Zuchtstuten, sei, die in fremden Gestüten eingestellt seien. Er verfüge weder über eigene noch über gepachtete landwirtschaftliche Nutzflächen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß er eine Pferdezucht im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes betreibe. Auch nach dem Erwerb der gegenständlichen Liegenschaften könne der Beschwerdeführer nicht als Nebenerwerbslandwirt angesehen werden, da er die für die Selbstbewirtschaftung dieser Liegenschaften erforderlichen Fähigkeiten zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht besitze.
Der als Interessent aufgetretene H P sei gemeinsam mit seiner Gattin Eigentümer und Bewirtschafter eines bäuerlichen Betriebes (Grünland- bzw. Viehwirtschaftsbetrieb), der im Hinblick auf die Größe und die mindere Bonität der Grundflächen zur Sicherung der Existenz als Vollerwerbsbetrieb als stärkungsbedürftig anzusehen sei. H P habe die in Rede stehenden Liegenschaften bis 1986 genutzt und sei infolge des Wegfalles dieser Nutzungsmöglichkeit zum Zukauf von Futtermitteln gezwungen gewesen. Er verfüge über die für die Bewirtschaftung der Liegenschaften erforderlichen Maschinen und Geräte. Die Liegenschaften befänden sich in der Nähe einiger Eigen- und Pachtgrundstücke des Interessenten, sodaß die Bewirtschaftung durch ihn ohne Schwierigkeiten erfolgen könne. Der Interessent, der sich am Versteigerungsverfahren beteiligt und bis zu einem Betrag von 2,5 Millionen Schilling mitgeboten habe, sei bereit und in der Lage, den ortsüblichen Verkehrswert zu bezahlen.
Die belangte Behörde hielt bei der von ihr angenommenen Sachlage die Stärkung des Betriebes des Interessenten als weit mehr im öffentlichen Interesse gelegen als den Erwerb der gegenständlichen Liegenschaften durch den Beschwerdeführer. Sie erachtete daher den Grund für die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung nach §8 Abs. 2 litd NÖ GVG 1973 ebenso wie jenen nach §8 Abs2 lita dieses Gesetzes für gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.516/1985, 10.815/1986) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
2. Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid inhaltlich insbesondere auf die Vorschriften des §13 Abs1 iVm §8 Abs1 und 2 lita und d NÖ GVG 1973 gestützt.
Diese Vorschriften lauten:
"§8
(1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlichen gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.
(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn
a) der Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter eines oder mehrerer land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke kein Landwirt ist und in der Gemeinde, in der das Grundstück oder die Grundstücke liegen, oder in den umliegenden Gemeinden ein oder mehrere Landwirte, oder in Ermangelung solcher Interessenten ein oder mehrere Nebenerwerbslandwirte bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;
. . .
d) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, sofern ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung auf Grund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;
. . .
§13
(1) Hat die Erteilung des Zuschlages eine land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaft zum Gegenstand, dann hat das Exekutionsgericht vor der Ausfertigung und der Verlautbarung des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlages die Entscheidung der Grundverkehrs-Bezirkskommission einzuholen, ob die Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden diesem Gesetz widerspricht. Die Grundverkehrskommission hat bei ihrer Entscheidung insbesondere die §§8, ausgenommen dessen Abs3, 9 und 10 sinngemäß anzuwenden. Die Grundverkehrs-Bezirkskommission hat dem Gericht eine Ausfertigung des rechtskräftigen Bescheides zu übersenden."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa VfSlg. 9004/1981, 9131/1981, 10.449/1985, 10.457/1985) §8 Abs1 und 2 lita und d NÖ GVG 1973 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Gegen diese Vorschriften sind auch unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden.
4. Es ist ferner nicht ersichtlich, daß die belangte Behörde den von ihr angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte. Auch die Beschwerde enthält in dieser Richtung keine substantiierten Ausführungen.
5. Unter diesen Umständen könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes insbesondere in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage (VfSlg. 9726/1983, 10.890/1986), aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt (VfSlg. 10.846/1986, 10.919/1986).
6.a) Der Beschwerdeführer stützt den Vorwurf einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz unter anderem auf die Behauptung, die belangte Behörde habe in entscheidenden Punkten eine Ermittlungstätigkeit unterlassen.
b) Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen VfSlg. 9004/1981, 9128/1981, 9131/1981, 10.687/1985 und 10.846/1986 ausgesprochen hat, kommen bei verfassungskonformer Interpretation §8 Abs1 und §8 Abs2 litd NÖ GVG 1973 dann nicht zum Tragen, wenn ein Landwirt als Erwerber auftritt, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich dabei um einen Voll- oder Nebenerwerbslandwirt handelt. Dasselbe gilt für den Versagungstatbestand nach §8 Abs2 lita NÖ GVG 1973 (VfSlg. 10.846/1986). Die erwähnten gesetzlichen Bestimmungen finden auch dann keine Anwendung, wenn der Erwerber erst durch den Erwerb die Eigenschaft eines (Voll- oder Nebenerwerbs-)Landwirtes erlangt (vgl. zB VfSlg. 10.914/1986; siehe etwa auch VfSlg. 5683/1968).
Als Nebenerwerbslandwirt ist gemäß §8 Abs6 NÖ GVG 1973 ua. anzusehen, wer Eigentümer von Liegenschaften gemäß §1 Abs2 dieses Gesetzes ist, durch deren persönliche Bewirtschaftung zu seinem oder seiner Familie Lebensunterhalt beiträgt und außerhalb seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes einer beruflichen Tätigkeit nachgeht, die mehr als die Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit in Anspruch nimmt.
c) Das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten eines Amtssachverständigen gelangte zu dem Ergebnis, daß der Beschwerdeführer zwar derzeit weder Vollerwerbs noch Nebenerwerbslandwirt sei, daß er aber im Fall des Erwerbes der in Rede stehenden Liegenschaften "und deren persönlicher Selbstbewirtschaftung" als "Nebenerwerbslandwirt bzw. Inhaber eines Nebenerwerbsbetriebes" angesehen werden könne.
Der Amtssachverständige zog unter anderem daraus, daß der Beschwerdeführer nicht über eine entsprechende fachliche Ausbildung als Landwirt verfügt, den Schluß, "daß er zur Selbstbewirtschaftung kaum in der Lage ist". Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Kenntnisse über Haltung, Züchtung und Abrichtung von Traberpferden erachtete der Amtssachverständige als zur selbständigen Führung eines "tierhaltenden" landwirtschaftlichen Betriebes deshalb nicht ausreichend, weil im Rahmen eines solchen Betriebes die Erzeugung pflanzlicher Produkte erforderlich sei und die Führung eines derartigen Betriebes daher die für die Pflanzenproduktion erforderliche Erfahrung voraussetze.
Die belangte Behörde vertrat unter Berufung auf das Gutachten des Amtssachverständigen die Auffassung, daß der Beschwerdeführer auch nach dem Erwerb der fraglichen Liegenschaften nicht als Vollerwerbslandwirt, aber auch nicht als Nebenerwerbslandwirt (im Sinne des §8 Abs6 NÖ GVG 1973) angesehen werden könne. Sie stützte diese Auffassung allein darauf, daß der Beschwerdeführer die fachlichen Voraussetzungen für die persönliche Bewirtschaftung der Grundstücke nicht besitze, die selbst dann erforderlich seien, wenn die Betriebsführung lediglich in der Form der Überwachung der landwirtschaftlichen Arbeit erfolge. Das Fehlen dieser Voraussetzungen bildete somit den einzigen Grund für die Versagung der Zustimmung.
d) Demgegenüber ist festzuhalten, daß sich aus keiner Bestimmung des NÖ GVG 1973 eine Grundlage für die Ansicht ergibt, Voraussetzung für die Zustimmung zu einem beabsichtigten Rechtserwerb seien bestimmte Fachkenntnisse des Erstehers auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft. Da sich die belangte Behörde ausschließlich darauf berief, daß dem Beschwerdeführer die erforderlichen Fachkenntnisse auf diesem Gebiet fehlten, steht der angefochtene Bescheid durch gröbliches Verkennen der Rechtslage in besonderem Maße mit den Rechtsvorschriften im Widerspruch; er ist daher gesetzlos und damit willkürlich ergangen (vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. 9. 1987, B143/87, das die insoweit vergleichbare Rechtslage nach dem (Tiroler) Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. 69, betraf).
7. Der angefochtene Bescheid verletzt sohin den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Der Bescheid war deshalb aufzuheben, ohne daß geprüft zu werden brauchte, ob auch die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte stattgefunden hat.
8. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer von S 1.000,-- enthalten.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht ErwerberEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1140.1988Dokumentnummer
JFT_10109388_88B01140_00