TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/16 91/09/0175

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Veröffentlicht am 16.01.1992
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §112 Abs1 idF 1983/137;
BDG 1979 §112 Abs3 idF 1983/137;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
DO Wr 1966 §19 Abs1;
DO Wr 1966 §19 Abs2;
DO Wr 1966 §76 Abs1;
DO Wr 1966 §76 Abs2;
DO Wr 1966 §76 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für den Magistrat der Stadt Wien vom 1. August 1991, Zl. MD-1724-1/91, betreffend Suspendierung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Lohnschlächter im Schlachthof St. Marx in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (MA 2 - Personalamt) vom 24. Juni 1991 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 der Dienstordnung 1966 (DO 1966) mit Wirksamkeit ab Zustellung dieses Bescheides vom Dienst suspendiert. Gegen den Beschwerdeführer seien auf Grund polizeilicher Ermittlungen Verdachtsmomente hervorgekommen, daß er während des Dienstes strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen begangen habe. Es werde ihm zur Last gelegt, er habe zumindest seit 1986 fortlaufend bis Mai 1991 aus dem Schlachthof St. Marx gemeinsam mit anderen große Mengen von Rindfleisch weggenommen, um aus dessen Verkauf monatliche Zusatzeinnahmen zu erzielen. Dieses Rindfleisch habe er in wöchentlichen Mengen von bis zu 400 kg in seinen PKW verladen und zu einem Kilopreis von bis zu S 38,-- an bestimmte Fleischhauer verkauft. Hinsichtlich dieser Vorwürfe, welche gröbliche Verletzungen der Dienstpflichten des Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 1 und 2 zweiter Satz DO 1966 beinhalteten, habe der Beschwerdeführer ein Geständnis abgelegt. Angesichts des vorliegenden Verdachtes würde die Weiterbelassung des Beschwerdeführers im Dienst offenkundig das Ansehen des Magistrates in der Öffentlichkeit gefährden. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Stadtverwaltung und ihre Mitarbeiter und damit das Ansehen des Amtes würden beträchtlich gemindert werden, wenn ein Beamter, der unter dem Verdacht stehe, über mehrere Jahre im Dienst strafbare Handlungen gegen ihm anvertrautes fremdes Vermögen begangen zu haben, bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Beurteilung des vorgeworfenen Deliktes weiter im Bereich des Magistrates der Stadt Wien tätig wäre. Der durch das Verhalten des Beschwerdeführers eingetretene Vertrauensverlust würde bei einer Weiterbelassung im Dienst die dienstlichen Interessen wesentlich gefährden, weil ein solches Interesse darin bestehe, daß nur Bedienstete beschäftigt würden, denen im Hinblick auf den Schutz fremden Vermögens voll vertraut werden könne. Bei der vorgeworfenen Handlungsweise reiche der vorhandene Verdacht strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen unter Ausnützung der dienstlich gegebenen Möglichkeiten jedenfalls aus, um die Suspendierung des Beschwerdeführers zu rechtfertigen.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, das von ihm zugegebenermaßen weitergegebene Fleisch wäre anderenfalls der Tierkörperverwertung zugeführt worden, wofür der Magistrat ein Entgelt zu bezahlen gehabt hätte. Es habe sich somit um völlig wertlose Sachen gehandelt, weshalb kein Diebstahl vorliege. Durch die Verwertung des Fleisches und den Verkauf als Hundefutter habe der Beschwerdeführer seinem Dienstgeber somit in Wahrheit Geld erspart. Die Suspendierung sei somit zu Unrecht erfolgt.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 1. August 1991 hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde aus, es lägen zum Sachverhalt ausreichende Ermittlungsergebnisse der Bundespolizeibehörde und darüber hinaus noch ein Geständnis des Beschwerdeführers vor. Der Berufungsbehauptung des Beschwerdeführers, er habe nur sogenanntes "Konfiskat", also wertloses Fleisch, privat weggenommen und dadurch dem Schlachthof sogar Geld erspart, sei entgegenzuhalten, daß das weggenommene Fleisch nicht wertlos gewesen sei, weil es der Beschwerdeführer durch Jahre hindurch zu einem Kilopreis bis zu S 38,-- in Wien und Umgebung an Fleischhauer verkauft habe. Darüber hinaus sei festzuhalten, daß Fahrten zu Fleischhauern im Burgenland erst durch entsprechende Erlöse aus einer keinesfalls wertlosen Sache rentabel gestaltet werden konnten. Das Argument der angeblichen Kostenersparnis für die Stadt Wien könne nicht den Vorwurf der Bereicherung entkräften, weil durch die jahrelangen Verkaufsfahrten ein großer Gewinn erzielt worden sei. Die belangte Behörde komme daher zu der Auffassung, daß der vorhandene Verdacht von strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen unter Ausnützung der dienstlich gegebenen Möglichkeiten ausreiche, um die von der Behörde erster Instanz verfügte Suspendierung aufrecht zu erhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, nicht entgegen den Bestimmungen der DO 1966 suspendiert zu werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 1 DO 1966 hat der Beamte die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen. Er hat sich hiebei von den Grundsätzen größtmöglicher Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen. Gemäß dem zweiten Satz des § 19 Abs. 2 DO 1966 hat der Beamte ferner im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte.

Der Beschwerdeführer versucht dem Vorwurf, er habe durch seine - von ihm selbst gar nicht in Abrede gestellte - Handlungsweise gegen diese seine Verpflichtungen als Beamter verstoßen, damit zu begegnen, daß es sich bei dem von ihm weiterveräußerten Fleisch um eine wertlose, derelinquierte Sache gehandelt habe, sodaß kein Diebstahl vorliege. Damit verkennt er jedoch, daß sein Verhalten im vorliegenden Verfahren nicht (nur) aus strafrechtlicher, sondern aus disziplinärer Sicht zu beurteilen ist. Diese Prüfung obliegt den Disziplinarbehörden unabhängig von der Frage, ob der Beschwerdeführer wegen seines Verhaltens angeklagt und strafrechtlich verurteilt wird oder nicht. Gegen seine Amtspflicht hat der Beschwerdeführer jedenfalls dadurch verstoßen, daß er Abfallfleisch, welches er nach dem ihm erteilten Auftrag der Tierkörperverwertung zuzuführen gehabt hatte, zu seinem eigenen Vorteil durch Verkauf an verschiedene Fleischhauer in den Verkehr gebracht hat. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Abnehmer des Beschwerdeführers diese Abfallprodukte tatsächlich nur als Hundefutter oder aber auch im Rahmen ihrer sonstigen Fleischwarenproduktion verwertet haben.

Würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat gemäß § 76 Abs. 1 DO 1966 der Magistrat, wenn jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission oder bei der Disziplinaroberkommission bereits anhängig ist, diese, den Beamten vom Dienst zu suspendieren. Während der Dauer der Suspendierung verkürzt sich gemäß § 76 Abs. 2 DO 1966 der Monatsbezug des Beamten - unter Ausschluß der Haushaltszulage - auf die Hälfte, wobei der Magistrat unter bestimmten Voraussetzungen diese Kürzung vermindern oder aufheben kann. Gemäß § 76 Abs. 4 DO 1966 hat die Berufung gegen die Suspendierung keine aufschiebende Wirkung. Über die Berufung hat, wenn die Suspendierung vom Magistrat verfügt wurde, die Disziplinarkommission, wenn sie von der Disziplinarkommission verfügt wurde, die Disziplinaroberkommission zu entscheiden. Die Entscheidung der Disziplinarkommission bzw. der Disziplinaroberkommission ist endgültig.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ist daher zulässig, sie ist aber in der Sache nicht begründet.

Da die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme darstellt, die bei Zutreffen der angeführten gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist und keine endgültige Lösung darstellt, braucht nicht nachgewiesen zu werden, daß der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Es genügt demnach, daß gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1990, Zl. 90/09/0008, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Für die Begründung dieses Verdachtes reichte es im Beschwerdefall - unabhängig davon, ob es zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers im gerichtlichen Strafverfahren kommen wird oder nicht - aus, auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers festzustellen, daß dieser durch Jahre hindurch nicht ihm gehöriges Abfallfleisch pflichtwidrig nicht der Tierkörperverwertung zugeführt, sondern zu seinem eigenen Vorteil veräußert hat. Zum mindesten wurde dadurch das Vertrauen der Beteiligten und damit einer qualifizierten Öffentlichkeit in eine einwandfreie Abwicklung der Fleischverwertung im Schlachthof St. Marx gestört. Dies schon im Hinblick auf die durch mehrere Jahre geübte Praxis und auf den Abnehmerkreis in einem Maße, welches nach den oben wiedergegebenen Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 DO 1966 die Suspendierung als gerechtfertigt erscheinen läßt.

Eine Auseinandersetzung mit der Behauptung, das Abfallfleisch stehe seit jeher den Lohnschlächtern zu, ist genau so wie eine solche mit den Hinweisen des Beschwerdeführers darauf, daß das von ihm verwertete Fleisch ohnehin genußuntauglich und wertlos gewesen sei, Gegenstand des weiteren Verfahrens. Bei der gegebenen Sachlage konnte der gegen ihn bestehende Verdacht dadurch nicht entkräftet werden.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Dabei konnte von der Abhaltung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090175.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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