TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/16 91/09/0185

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Veröffentlicht am 16.01.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
HVG §2 Abs1;
HVG §21 Abs1 idF 1985/483;
HVG §21 Abs2;
HVG §21;
HVG §22;
KOVG 1957 §8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 10. Juni 1991, Zl. OB. 610-401 943-004, betreffend Einstellung der Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens war der im Jahre 1956 geborene Beschwerdeführer im Rahmen der Ableistung seines ordentlichen Präsenzdienstes beim Österreichischen Bundesheer am 8. April 1987 beim Absteigen vom Heeres-Lkw (MTW) so zu Sturz gekommen, daß er sich links einen Unterschenkeldrehbruch zugezogen hatte.

Auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides des Landesinvalidenamtes für Steiermark vom 19. Dezember 1988 hatte der Beschwerdeführer eine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. bezogen. Als Dienstbeschädigung waren

"1. Operativ versorgter Unterschenkelbruch links mit Funktionsbehinderung und

2. Blande Operationsnarbe linkes Knie, linker Unterschenkel"

je mit einer Kausalkomponente von 1/1 anerkannt worden.

Mit Bescheid des genannten Landesinvalidenamtes vom 6. September 1989 wurde sodann die dem Beschwerdeführer gewährte Beschädigtenrente mit Ablauf des der Zustellung dieses Bescheides folgenden Monates eingestellt. Unter einem wurde die anerkannte Dienstbeschädigung wie folgt neu bezeichnet:

"1.

Bruch des linken Unterschenkels, geheilt,

2.

Operationsnarben am linken Knie und am linken Unterschenkel".

In der Bescheidbegründung stellte die Versorgungsbehörde erster Rechtsstufe nach Darstellung der Rechtslage fest, auf Grund des von ihr eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R vom 25. Juli 1989 sei im Befund der anerkannten Dienstbeschädigung gegenüber dem Vergleichsbefund vom 25. August 1988 insofern eine maßgebende Veränderung eingetreten, als nunmehr der Marknagel entfernt worden sei, sich der Bruch des linken Unterschenkels knöchern konsolidiert habe und nur mehr eine endgradige Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke vorhanden sei. Die ärztliche Richtsatzeinschätzung stehe für die erlittene Dienstbeschädigung mit insgesamt 20 v.H. fest. Maßgebend dafür sei, daß die oben unter 2. angeführte Dienstbeschädigung keinen Krankheitswert besitze. Die Prüfung nach § 22 des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964 (HVG), habe ergeben, daß es bei der nach der Berufsgeschichte billigerweise sozial zumutbaren Erwerbstätigkeit eines Schalttafelwärters im E-Werksbetrieb durch die Dienstbeschädigung zur Beeinträchtigung der Erbringung einer überdurchschnittlichen Berufsanforderung komme. Die Verletzungsfolgen an der linken unteren Extremität bewirkten nach ärztlicher Auskunft keine wesentlichen Funktionsstörungen. Die "häufig" im Stehen und Gehen in Verbindung mit allgemeiner körperlicher Wendigkeit - gelegentlich auf Leitern - zu bewältigenden Arbeiten würden infolge eines subjektiven Krankheitsempfindens und einer dadurch bedingten Schonungsbedürftigkeit "sehr gering" beeinträchtigt. Das unter Anwendung von Einschätzungsmaßstäben vorgenommene berufskundliche Einschätzungsverfahren habe eine MdE von 10 v.H. nach § 22 HVG ergeben, welche die MdE gemäß § 21 leg. cit. jedoch nicht übersteige. Da somit eine Voraussetzung für die Leistung der Beschädigtenrente weggefallen sei, sei diese gemäß § 56 Abs. 2 HVG einzustellen gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung qualifizierte der Beschwerdeführer die Feststellung der Versorgungsbehörde erster Rechtsstufe, es sei gegenüber dem Vergleichsbefund eine Änderung eingetreten, deshalb als unrichtig, weil die Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke links auch nach Entfernung des Marknagels noch immer bestehe. Zur Heranziehung des billigerweise sozial zumutbaren Berufes eines Schalttafelwärters im E-Werksbetrieb teilte der Beschwerdeführer mit, daß er nach dem 20. September 1989 wahrscheinlich wieder als Freileitungsmonteur eingesetzt werde. Bei dieser Tätigkeit werde er auf große Schwierigkeiten stoßen, weil er auf Grund des Mastensteigens und der strengen klimatischen Bedingungen diese Tätigkeit nicht ausüben werde können.

Die belangte Behörde richtete im Ermittlungsverfahren zunächst eine Anfrage an den Arbeitgeber des Beschwerdeführers und nahm sodann, gestützt auf dessen Auskunft, eine berufskundliche Beurteilung als Lagerarbeiter vor. Da der Beschwerdeführer im Zuge des ihm dazu eingeräumten Parteiengehörs auf eine stationäre Behandlung im Landeskrankenhaus Deutschlandsberg verwies, holte die belangte Behörde zunächst die Krankengeschichte des genannten Landeskrankenhauses vom 13. März 1990 (Schreiben an das Landessonderkrankenhaus-Stolzalpe) und in der Folge ein weiteres Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. M vom 20. Juli 1990 ein. Der genannte Sachverständige gelangte unter Heranziehung eines Röntgenbefundes von Primarius Dr. H vom 25. Juni 1990 zu einer Einschätzung der MdE mit insgesamt 20 v.H.

In der Folge veranlaßte die belangte Behörde noch eine Ergänzung der berufskundlichen Beurteilung in der Richtung, ob auf Grund der gegebenen Dienstbeschädigung die Berufserfordernisse eines Elektroinstallateurs bewältigt werden könnten, welcher Umstand vom Leitenden Arzt in einem aktenmäßigen Gutachten vom 1. Feber 1991 bejaht wurde.

Im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs äußerte sich der Beschwerdeführer zum Ergebnis des Beweisverfahrens mit Schriftsatz vom 20. Feber 1991 dahingehend, daß ständig Schmerzen im Kniegelenk und im Knöchel bestünden. Die berufskundliche Einschätzung als Lagerarbeiter sei deshalb unrichtig, weil er wieder als Freileitungsmonteur beschäftigt sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 10. Juni 1991 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe keine Folge, daß die Beschädigtenrente erst mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung des Berufungsbescheides folge, eingestellt werde. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe des fachärztlichen Sachverständigengutachtens Dris. M vom 20. Juli 1990 aus, dieses Gutachten sei als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Nach den beiden im gesamten Verfahren eingeholten und als schlüssig erkannten Sachverständigengutachten sei im medizinischen Befund des Beschwerdeführers insofern eine wesentliche Besserung eingetreten, als der Marknagel operativ entfernt worden sei. Der derzeitige Leidenszustand bedinge nach den beiden übereinstimmenden Sachverständigengutachten eine MdE von insgesamt 20 v.H. Bezüglich der berufskundlichen Beurteilung weise die belangte Behörde zunächst auf die medizinische Feststellung des Leitenden Arztes vom 1. Feber 1991 hin, wonach für den Beschwerdeführer die Ausübung des Berufes eines Elektroinstallateurs zumutbar sei. Dieses Berufsbild sei bereits dem seinerzeitigen Bescheid zu Grunde gelegt worden. Bei den nur unwesentlichen Funktionsstörungen werde "Stehen (Dauerleistung)" durch einen geheilten Unterschenkelbruch nicht maßgebend behindert. Diese überdurchschnittliche Berufsanforderung werde auch durch Bewegungseinschränkungen im Knie nicht berührt. Durch die geringgradigen Bewegungseinschränkungen im linken Knie komme es aber auch zu keiner wesentlichen Behinderung beim Ersteigen einer Leiter. Nach dem von der Versorgungsbehörde erster Rechtsstufe eingeholten Sachverständigengutachten Dris. R vom 25. Juli 1989 sei der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt der damaligen Untersuchung als Elektroinstallateur tätig gewesen. Somit sei festzustellen, daß der Beschwerdeführer - neben anderen Berufen - auch seinen erlernten Beruf ausüben könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der

sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Weitergewährung der Beschädigtenrente verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Einklang mit seinem Vorbringen im Administrativverfahren vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, Feststellungen über die Ursache der Schmerzen und Beschwerden im Kniegelenk zu treffen, welche zu stationären Behandlungen im Landeskrankenhaus Deutschlandsberg und im Landessonderkrankenhaus Stolzalpe geführt hätten.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Der Beschwerdeführer bekämpft nämlich in erster Linie die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof, der die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen befugt ist (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates VwSlg. 11894/A), kann jedoch nicht finden, daß die in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellte Argumentation nicht beweiskräftig wäre oder sonst gegen Verfahrensvorschriften, insbesondere die §§ 45 Abs. 2 und 60 AVG, verstieße. Insofern der Beschwerdeführer nunmehr vorbringt, die belangte Behörde habe es unterlassen, Feststellungen über die Ursache der Schmerzen und Beschwerden im Kniegelenk zu treffen, ist ihm zu erwidern, daß die von der Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten eine umfassende Beurteilung seines Falles enthalten haben, denen der Beschwerdeführer nicht entsprechend medizinisch fundiert entgegengetreten ist (vgl. in diesem Sinne beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Zl. 88/09/0023). Im übrigen hat nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens der ärztliche Sachverständige Dr. M anläßlich seiner Begutachtung die Krankengeschichte des Landeskrankenhauses Deutschlandsberg berücksichtigt. Daraus ergibt sich, daß der Heilungsverlauf als ungestört zu bezeichnen und durch die operative Entfernung des Marknagels eine maßgebliche Besserung eingetreten ist. Aus dem bei den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegenden Bericht des Landeskrankenhauses Deutschlandsberg an das Landessonderkrankenhaus Stolzalpe vom 13. März 1990 ergibt sich, daß vom Beschwerdeführer lediglich subjektiv Beschwerden angegeben würden, die auf Grund der etwas verwirrenden Schmerzsymptomatik keine gute Indikation zu einer Arthroskopie bzw. Revisionsoperation bildeten. Der genannte Sachverständige stützte sich nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens auch auf den bei den Akten des Verfahrens erliegenden Röntgenbefund des Primarius Dr. H vom 25. Juni 1990, welcher ausdrücklich eine knöcherne Konsolidierung der Fraktur in achsenrichtiger Stellung diagnostizierte und festhielt, daß arthrotische Veränderungen im rechten und linken Kniegelenk nicht nachweisbar seien. Auch das linke obere und untere Sprunggelenk seien ohne Befund.

Wenn der Beschwerdeführer letztlich unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Einschätzung nach § 22 HVG vorbringt, die Verletzungsfolgen im Bereich seines linken Beines seien bei der Tätigkeit eines Elektroinstallateurs bzw. Elektromonteurs als maßgebend anzusehen, so ist er zunächst auf die wegen der gleichen Rechtslage für das HVG heranzuziehende Judikatur zu § 8 KOVG zu verweisen, wonach die Beantwortung der Frage, ob berufliche Sonderverhältnisse vorhanden seien, die den Bezug einer nach § 8 leg. cit. erhöhten Rente rechtfertigen, nur insoweit von den persönlichen Verhältnissen des Beschädigten abhängt, als diese Verhältnisse - der frühere Beruf oder die Vorbildung - die Art der zumutbaren Erwerbstätigkeit bestimmen und damit auf das Berufsbild hinweisen. Die Beurteilung dagegen, ob dieses Berufsbild berufliche Sonderverhältnisse anzeige, ist von den persönlichen Verhältnissen des Beschädigten loszulösen, weil das Berufsbild nicht über die subjektive Berufseignung Aufschluß gibt, sondern die objektiven Anforderungen darstellt, die an die körperliche Konstitution des Beschädigten angelegt werden, dessen Berufseignung einzuschätzen ist (vgl. VwSlg. 3887/A). Nur besondere, den Durchschnitt übersteigende Anforderungen zeigen berufliche Sonderverhältnisse an, die über die Einschätzung nach § 7 KOVG (im vorliegenden Fall: § 21 HVG) hinausgehen. Nur unter dieser Voraussetzung besteht ein Anspruch gemäß § 8 KOVG (im vorliegenden Fall: § 22 HVG) auf eine höhere Einschätzung der MdE. Ein Beschädigter, dessen als Dienstbeschädigung anerkannter Leidenszustand bei Bewältigung einer maßgebenden Anforderung keine medizinisch nachteilige Veränderung aufweist oder erwarten läßt, ist hinsichtlich dieser Anforderung in seiner Erwerbsfähigkeit unbehindert (vgl. z. B. VwSlg. 3896/A).

Wenn daher die belangte Behörde im Beschwerdefall beim Berufsbild eines Freileitungsmonteurs unter Berufung auf ärztliches Sachverständigenwissen verneinte, daß der als Dienstbeschädigung anerkannte und obbezeichnete Leidenszustand bei Bewältigung maßgebender Anforderungen medizinisch nachteilige Veränderungen aufweise oder erwarten lasse, so ist ihr dabei eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren relevante Rechtswidrigkeit nicht unterlaufen.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Berufsbild berufliche Sonderverhältnisse maßgebende Anforderungen Allgemein Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1 Zumutbarer Beruf Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090185.X00

Im RIS seit

14.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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