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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde der A-GmbH in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 12. August 1991, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der beantragten Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei, die in Wien ein Espresso betreibt, hatte nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens am 8. Mai 1991 als Arbeitgeberin beim Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe für den ungarischen Staatsangehörigen Laszlo C für die berufliche Tätigkeit als Kellner ohne spezielles Bildungserfordernis die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 (AuslBG), beantragt.
Dieser Antrag war vom genannten Arbeitsamt mit Bescheid vom 17. Mai 1991 unter Berufung auf § 4 Abs. 1 AuslBG mit der Begründung abgewiesen worden, auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Kellner/innen Arbeitsuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Überdies stünden öffentliche Interessen der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung entgegen, weil angesichts des hohen Ausschöpfungsgrades der Bundeshöchstzahl Beschäftigungsmöglichkeiten für integrierte Ausländer, insbesondere für solche mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, gewahrt werden müßten. Der beantragte Ausländer verfüge nicht über einen derartigen Integrationsgrad.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. August 1991 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei, in der sie im wesentlichen ausgeführt hatte, es seien bei ihr keine Ersatzkräfte erschienen, welche für die freie Dienststelle befähigt, geeignet und gewillt gewesen seien, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge und bestätigte den Bescheid der Behörde erster Rechtsstufe. Zur Begründung führte sie nach Wiedergabe der §§ 3 und 4 AuslBG aus, laut telefonischer Mitteilung der beschwerdeführenden Partei vom 19. Juli 1991 bestünde an einer Beschäftigung des beantragten Ausländers kein Interesse mehr, weshalb das Verwaltungsverfahren als gegenstandslos zu betrachten sei und ein weiteres Ermittlungsverfahren unterbleiben konnte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei nach ihrem Vorbringen in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den genannten Ausländer verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes erhebt die beschwerdeführende Partei zur Begründung der von ihr behaupteten Rechtswidrigkeit zu Recht den Vorwurf, die belangte Behörde habe ihr vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die festgestellte Behauptung, "daß an einer Beschäftigung von Herrn Laszlo C kein Interesse mehr bestehe", die im übrigen niemals abgegeben worden sei, nicht vorgehalten, weshalb das von ihr durchgeführte Ermittlungsverfahren mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet sei.
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt. Solcherart wird die Vertragsfreiheit der Arbeitgeber insoweit eingeschränkt, als sie nicht mehr beliebig Arbeitnehmer ihrer Wahl beschäftigen können.
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich
1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und
2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, beispielsweise das Erkenntnis vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0051) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.
Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).
Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß dem § 56 AVG 1950 grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG 1950, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Im besonderen ist bei der Aufnahme von Beweisen den Parteien nach § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid erstmals davon aus, daß ein Ermittlungsverfahren deshalb unterbleiben konnte und das Verwaltungsverfahren als gegenstandslos zu betrachten sei, weil die beschwerdeführende Partei am 19. Juli 1991 telefonisch bekanntgegeben habe, daß an einer Beschäftigung des beantragten Ausländers kein Interesse mehr bestehe.
Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, zu dieser entscheidenden Feststellung sei die belangte Behörde auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens gekommen, und sie finde im angefochtenen Bescheid auch keine zureichende Begründung, ist berechtigt.
Der Inhalt des rechtlichen Gehörs ist primär unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage zu sehen. Einer Entscheidung dürfen nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen die Partei des Verwaltungsverfahrens Stellung nehmen konnte. Insofern hat die belangte Behörde daher in einem wesentlichen Punkt das Recht auf Parteiengehör nicht beachtet und somit einen fundamentalen Grundsatz jedes geordneten Verwaltungsverfahrens verletzt.
Da die belangte Behörde solcherart den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, und zwar weil der Sachverhalt in entscheidungswesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, aber auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991090177.X00Im RIS seit
27.11.2000