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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BewG 1955 §10 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der L-AG in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 5. Juni 1990, Zl. 115/1-GA8/DK/90, betreffend die Feststellung des gemeinen Wertes von Gesellschaftsanteilen zum 1. Jänner 1983, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1989, Zl. 88/15/0077, verwiesen. Damit hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 25. April 1988, mit dem diese den gemeinen Wert der Anteile an der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft (Grundkapital S 15 Mio) zum 1. Jänner 1983 auf Grund einer Schätzung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten mit S 790,-- je S 100,-- des Grundkapitals festgestellt hatte, auf. In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses führte der Gerichtshof nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage (§§ 10 Abs. 1, 13 Abs. 2 BewG) im wesentlichen folgendes aus:
Im Beschwerdefall gehe es ausschließlich um die Frage, ob der gemeine Wert der Anteile an der Beschwerdeführerin aus Verkäufen abzuleiten oder aber unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen gewesen sei. Die belangte Behörde habe die Ableitung des gemeinen Wertes der Anteile an der Beschwerdeführerin aus einem am 27. April 1984 erfolgten Verkauf von Aktien aus zwei Gründen abgelehnt und den gemeinen Wert der Aktien im Wege der Schätzung ermittelt. Als ersten Grund habe sie angeführt, daß sich der Verkauf vom 27. April 1984 schon deshalb nicht für eine Wertableitung im Sinne des § 13 Abs. 2 BewG eigne, weil es sich dabei nur um einen Verkauf handle. Als weiterer Grund stünde einer Ableitung des gemeinen Wertes aus dem Verkauf vom 27. April 1984 aber jedenfalls entgegen, daß allein vom Wert der Betriebsgrundstücke her die Wertfeststellung nach dem Verkauf vom 27. April 1984 in keiner Weise dem tatsächlichen inneren Wert der Aktien auch nur nahekomme. Der Verwaltungsgerichtshof vermöge nicht die Ansicht der Beschwerde zu teilen, daß auch bei Vorliegen bloß EINES Verkaufes von Gesellschaftsanteilen die Ableitung des gemeinen Wertes der Anteile aus diesem Verkauf zulässig wäre. Die Beschwerde sei jedoch berechtigt, weil sich die belangte Behörde in keiner Weise damit auseinandergesetzt habe, ob (neben dem festgestellten Aktienverkauf vom 27. April 1984) auch der von ihr erwähnte Verkauf vom 25. Mai 1980 - schließe man seine grundsätzliche Eignung zu einer solchen Vorgangsweise nicht aus zeitlichen Gründen aus - geeignet gewesen sei, daraus die gemeinen Werte von Anteilen an der Beschwerdeführerin zum Stichtag 1. Jänner 1983 abzuleiten. Im fortzusetzenden Verfahren werde überdies der von der Beschwerdeführerin angeführte Verkauf von Aktien im April 1986 zu berücksichtigen sein. Die belangte Behörde habe auch nicht geprüft, ob die Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (§ 10 Abs. 2 BewG) erfolgt seien. Die von der belangten Behörde allein vom Wert der Betriebsgrundstücke der Beschwerdeführerin abgeleitete Annahme, der beim Verkauf vom 27. April 1984 erzielte Preis entspreche nicht dem inneren Wert der Aktien, rechtfertige nicht den Schluß, daß der Verkauf nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr stattgefunden habe, zumal ein anhand bestimmter Indikatoren von der belangten Behörde angenommener innerer Wert der Gesellschaftsanteile nicht notwendig mit dem Marktpreis dieser Anteile zusammenfalle.
Aus dem nach Vorhalt durch die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführerin und den von ihr vorgelegten Urkunden ergibt sich folgendes Sachverhaltsbild:
Nach dem Inhalt der darüber ausgestellten Schlußnoten erwarben Mitglieder des Vorstandes bzw. Aufsichtsrates der Beschwerdeführerin (im Schriftsatz der Beschwerdeführerin als "wir" bezeichnet) am 27. Mai 1980 insgesamt 50 Aktien der beschwerdeführenden AG (Nominale je S 1.000,--) zum Preis von je S 1.900,--. Am 3. Mai 1984 erwarb ein Mitglied des Aufsichtsrates der Gesellschaft 75 Aktien der beschwerdeführenden AG (Nominale je S 1.000,--) "von der Bank in B. (Schweiz)" zum Preis je S 2.200,--. Am 5. Mai 1986 erwarben zwei Mitglieder des Vorstandes der beschwerdeführenden AG "von der Bank in B. (Schweiz)" insgesamt 75 Aktien (Nominale je S 1.000,--) zum Preis von je sfr 310,--.
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde den gemeinen Wert der Anteile an der beschwerdeführenden AG zum 1. Jänner 1983 für je S 100,-- des Grundkapitals neuerlich mit S 790,-- fest. Nach Darlegung des Verfahrensganges führte sie im wesentlichen aus, der gemeine Wert der Anteile ließe sich aus den oben angeführten Aktienverkäufen nur dann ableiten, wenn der wenigstens bei zwei Verkaufsterminen erzielte Preis für Aktien im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt worden wäre. Was bei Aktienverkäufen der gewöhnliche Geschäftsverkehr sei, sei nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen. Die Aktien der Beschwerdeführerin würden weder an der Wiener noch an einer ausländischen Börse gehandelt. Die Satzung der Beschwerdeführerin weise alle Aktien als Inhaberaktien aus; verschiedene Aktiengattungen, die mit bestimmten Vorrechten ausgestattet sein könnten, seien nicht ersichtlich. Die Aktienverkäufe seien nicht auf einem für solche Geschäfte üblichen Kapitalmarkt einer Bank abgewickelt worden. Weiters sei bei keinem der Wertpapierverkäufe vom jeweiligen Aktieneigentümer versucht worden, die Aktien über Vermittlung eines Handelsmäklers unter Kapitalmarktverhältnissen zu verkaufen. Es sei nicht einmal versucht worden, durch eine Verkaufsanzeige in einer Tageszeitung einen größeren Käuferkreis zu erreichen. Die belangte Behörde habe nicht zu untersuchen, welche Beweggründe die Verkäufer veranlaßt hätten, auf die Nutzung der Funktionen, die ein Kapitalmarkt erfülle, zu verzichten. Die Unterlassung der Nutzung des Kapitalmarktes oder des Aufsuchens eines größeren Käuferkreises stellten ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse dar, unter denen die jeweiligen Preise zustande gekommen seien. Diese Preise lägen überdies nicht etwa unwesentlich unter oder über dem im Schätzungswege ermittelten gemeinen Wert der Anteile, sondern betrügen im günstigsten Fall (Verkauf vom April 1986) weniger als ein Drittel dieses Wertes.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und - der Erklärung nach - Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 13 Abs. 2 BewG ist (u.a.) für Aktien, soweit sie im Inland keinen Kurswert haben, der gemeine Wert (§ 10) maßgebend. Läßt sich der gemeine Wert aus Verkäufen nicht ableiten, so ist er unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen.
Gemäß § 10 Abs. 1 BewG ist bei Bewertungen, soweit nicht anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.
Im Beschwerdefall ist strittig, ob sich der gemeine Wert der Aktien im Sinne des § 13 Abs. 2 zweiter Satz BewG "aus Verkäufen ableiten" läßt.
Der gemeine Wert von (u.a.) Aktien kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann aus den bei mehreren Verkäufen erzielten Kaufpreisen abgeleitet werden, wenn die Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen sind und keine gemäß § 10 Abs. 2 BewG nicht zu berücksichtigenden ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse vorlagen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 1982, Zl. 17/3137/79, vom 27. August 1990, Zl. 89/15/0124, und vom 14. Jänner 1991, Zlen. 89/15/0003, 0004).
Im Beschwerdefall ist nicht mehr strittig, daß "mehrere Verkäufe" im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung vorliegen. Mit der Frage, ob den durchwegs in größerem zeitlichen Abstand zum Bewertungsstichtag erfolgten Verkaufsvorgängen eine zur Ableitung des Wertes der Anteile am Stichtag ausreichende Aussagekraft zukommt (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 1982, Zl. 17/3137/79, und vom heutigen Tag, Zl. 90/15/0085), hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt; dies kann jedoch im Beschwerdefall auf sich beruhen, weil die Ableitung des gemeinen Wertes zum Stichtag aus den geschilderten Verkaufsvorgängen aus folgenden Gründen nicht in Betracht kommt:
Unter "gewöhnlichem Geschäftsverkehr" ist der Handel zu verstehen, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne jeden Zwang und nicht aus Not oder besonderen Rücksichten, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist. Der bei Veräußerung eines Anteiles an einer Kapitalgesellschaft tatsächlich erzielte Preis ist nur dann im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen, wenn er sich durch den Ausgleich widerstreitender Interessen von Verkäufer und Käufer gebildet hat. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalles unter Heranziehung objektivierter Maßstäbe zu entscheiden (vgl. zur inhaltlich entsprechenden Vorschrift des § 11 Abs. 2 des deutschen Bewertungsgesetzes Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz Kommentar § 11, Anm. 43; BFH 28. November 1980, BStBl. II 1981, 353; 5. März 1986, BStBl. II 1986, 591).
Ein Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist anzunehmen, wenn bei der Bildung des Kaufpreises alle den Preis bestimmenden marktwirtschaftlichen Faktoren des Angebotes und der Nachfrage unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe berücksichtigt worden sind. Solche objektiven Wertmaßstäbe sind vor allem das Vermögen und die Ertragsaussichten der Gesellschaft. Ein Kaufpreis, bei dem diese Gesichtspunkte nicht entscheidend berücksichtigt worden sind, kann daher nicht als im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt angesehen werden (vgl. Rössler-Troll, Bewertungsgesetz15 § 11 Rz 13; Troll, Bewertung der Aktien und GmbH-Anteile bei der Vermögensteuer5 27; BFH 14. Februar 1969, BStBl. II 1969, 395;
28. November 1980, BStBl. II 1981 353).
Dies bedeutet nicht, daß ein Verkauf schon deshalb als nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen anzusehen ist, weil der Kaufpreis von dem nach dem sogenannten "Wiener Verfahren" (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1991, Zlen. 89/15/0003, 0004) anhand des Vermögens und der Ertragsaussichten ermittelten inneren Wert der Anteile mehr oder weniger abweicht, weil, wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ein anhand bestimmter Indikatoren von der Abgabenbehörde angenommener innerer Wert der Gesellschaftsanteile nicht notwendig mit dem Marktpreis dieser Anteile zusammenfällt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Juni 1984, Zl. 82/17/0169, und vom 19. Juni 1989, Zl. 88/15/0077). Besteht aber - wie im vorliegenden Fall, wo der durchschnittliche Kaufpreis je Anteil nicht einmal ein Drittel des unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten im Schätzungsweg ermittelten, von der Beschwerdeführerin gar nicht bestrittenen inneren Wertes erreicht - ein eklatantes Mißverhältnis zwischen den bei den Verkäufen erzielten Kaufpreisen und dem unter Berücksichtigung objektiver Wertmaßstäbe, insbesondere des Vermögens und der Ertragsaussichten, ermittelten inneren Wert, rechtfertigt dies die Annahme, daß die (im Beschwerdefall von Mitgliedern der Gesellschaftsorgane getätigten und nur geringfügige Anteile betreffenden) Verkäufe nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen sind. Die Ableitung des gemeinen Wertes aus Verkäufen war somit im Beschwerdefall nicht möglich. Die belangte Behörde war daher nach § 13 Abs. 2 BewG zur Schätzung berechtigt, gegen deren Ergebnis die Beschwerdeführerin nichts vorbringt und gegen das auch nach der Aktenlage keine Bedenken bestehen. Es erübrigt sich daher auch, auf die von den Parteien des Beschwerdeverfahrens in den Mittelpunkt gestellte Frage einzugehen, ob die Verkäufe nach der Art ihrer Abwicklung dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr zugeordnet werden können.
Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor.
Die Beschwerdeführerin macht zwar der Erklärung nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, führt diese aber in den Beschwerdegründen nicht aus. Den Akten des Verwaltungsverfahrens sind auch von Amts wegen wahrzunehmende Verfahrensmängel nicht zu entnehmen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990150110.X00Im RIS seit
14.01.2002